'Mei potschertes Leben': Johannes Krisch spielt Boxlegende Hans Orsolics.

Burgschauspieler Johannes Krisch war für den Oscar nominiert und tanzt im „Kottan“-Film die Kollegen an die Wand. Als „Der Boxer“ schlüpft er nun im Kasino in die Rolle des Faust- & Volkshelden Hans Orsolics.

Wir waren beide sehr nervös,“ beschreibt Johannes Krisch die erste Begegnung mit jenem Mann, dessen Leben er ab 19. Februar auf der Bühne des Burg-Kasinos verkörpern wird. Die Rede ist von Hans Orsolics, jenem Wiener Profiboxer, der als jüngster Europameister der Geschichte des Boxsports schon im Alter von 20 Jahren zum Volkshelden wurde und der österreichischen Umgangssprache Stilblüten wie „A Wauhnsinn, normal“ schenkte.

Bei seinem ersten Besuch im Burgtheater zeigte sich der heute 63-jährige Orsolics, der sich zuletzt vor allem im Kampf gegen den Lungenkrebs als stark erwies, zumindest sprachlich in alter Form und rief überwältigt aus: „Poah! Wem g’hört die Hüttn?“

Die Uraufführung des Stückes über sein Leben, „Der Boxer oder Die zweite Luft des Hans Orsolics“, wird die Sportikone, plötzlich mit dem Theater auf Du und Du, erste Reihe fußfrei genießen. Der österreichische Autor Franzobel hat die Höhen und Tiefen des „Rocky aus Kaisermühlen“, der auch als Vertreter einer Verliererromantik Identifikationsfläche bot, zu einer Art Volksstück zusammengefasst. Johannes Krisch wird die Hauptrolle spielen.

„Das ist mit hartem Boxtraining verbunden“, war der erste Gedanke zur Rolle, erinnert sich der 44-jährige starke Raucher. „Dann folgte ein mulmiges Gefühl in der Magengrube. Denn es ist eine Verantwortung, jemanden zu spielen, der noch lebt. Hans Orsolics ist eine Ikone, da hat man Respekt. Man muss als Schauspieler ja die Figur beschützen. Es geht nicht darum, den Orsolics zu kopieren, sondern den Kern seines Wesens zu treffen“, erläutert Krisch.

Franzobels Stück hält sich an die Fakten, erzählt vom Glückskind, das früh zu Ruhm und Geld kam, wie vom Pechvogel, der, vom Alkohol getrieben, so manche Gefängnisstrafe provozierte und trotz Millionengagen hoch verschuldet in den sozialen Abgrund schlitterte. Für Krisch ist Orsolics dennoch „ein großer Sieger, der Berge und Täler durchwandert hat. Er ist reich an Erfahrung, und ich denke, er ist mit sich im Reinen. Wer kann das heute schon behaupten?“

Crashkurs in Sachen Theater

Als die Single „Mei potschertes Leben“, die Orsolics im Jahr 1986 mit dem Wiener Liedermacher Charly Kriechbaum aufnahm, im Radio rauf und runter gespielt wurde, startete Johannes Krisch gerade mit seiner Schauspielkarriere.

Der 1966 geborene Wiener wollte schon mit sechs Jahren Clown werden, war auch in der Schule immer der Kasperl und sehr beeindruckt, wenn er beim Sonntagsspaziergang mit der Oma in Grinzing Paula Wessely begegnete. Dennoch absolvierte er vorerst an der HTL Mödling eine Tischlerausbildung. Nach Umwegen über die Musik – er hatte schon mit 15 die erste eigene Band – ist er dann schrittweise „in den Theaterbetrieb reingerutscht. Ich habe für eine Produktion ein Bühnenbild gebaut und dann gleich alle weiteren Funktionen vom Lichtdesign bis zum Abenddienst übernommen“, erinnert er sich an seinen Crashkurs in Sachen Bühnenerfahrung. Nach dem Motto „Frechheit siegt“ ging er dann auch gleich ohne Schauspielunterricht zum Vorsprechen ins Theater im Auersperg, wo er 1986 in Nigel Williams’ „Klassenfeind“ spielte und mit seinem starken Auftritt Aufmerksamkeit erregte. Schnell hatte der gelernte Tischler andere „Stücke“ als eine Küche oder einen Sessel in Arbeit. „Jetzt baue ich halt an Shakespeare, Goethe oder Kroetz“, schmunzelt er absolut unprätentiös.

Seit er 1989 als Ensemblemitglied ans Burgtheater aufgenommen wurde, machen sich auch die Eltern weniger Sorgen. Und seit er 2009 bei der Oscar-Nominierung für Götz Spielmanns Film „Revanche“ in Hollywood über den roten Teppich schritt, geht auch hierzulande medial die Post ab. Krisch sieht es mit Freude, aber auch leichter Verwunderung: „Es hat sich nicht viel verändert, was meine persönliche Einstellung zum Beruf betrifft. Jetzt sind halt grad alle narrisch auf mich. Als ob ich vorher nix geleistet hätte.“ Das plötzlich erwachte Interesse bedeutet immerhin noch mehr Angebote, noch bessere Drehbücher …

Vielfach präsent

Im Moment kann sich der Schauspieler mit den markanten Zügen und der beständigen Langhaarfrisur kaum beschweren: Nachdem er die Neuverfilmung des „Kottan“ als Schremser mit einer aberwitzigen Tanz-Performance auf Krücken zu Jerry Lee Lewis’ „Chantilly Lace“ veredelt hat, ist er parallel auch mit Elisabeth Scharangs Verfilmung von Peter Turrinis Stück „Vielleicht in einem anderen Leben“ im Kino präsent.

Kommende Woche startet dann bei der Berlinale ein schräger Familienfilm, den Krisch mit der jungen Grazerin Maria Kreutzer gedreht hat. In „Die Vaterlosen“ – in Österreich läuft der Film erst im März bei der Diagonale an – spielt Johannes Krisch den sterbenden Vater, Kopf einer weit verstreuten Hippiefamilie, deren Mitglieder nun ihre Kindheit aufarbeiten. Bei der Premiere in Berlin muss Krisch – selbst Vater dreier Söhne im Alter von von 4, 7 und 14 Jahren – wie so oft durch Abwesenheit glänzen, da er in Wien auf der Bühne steht. „Ich muss nicht überall dabei sein. Wirklich großen Trubel halte ich nicht aus“, erklärt er und setzt glaubwürdig nach: „Die Bussi-Bussi-Gesellschaft bereitet mir Ausschlag.“

Im August beginnen bereits die nächsten Film-Dreharbeiten. Nicht zu vergessen die vier großen Rollen, die Krisch an der Burg mit vollem Körpereinsatz spielt. Darunter etwa den Knecht Sepp in David Böschs anrührender Inszenierung von Franz Xaver Kroetz’ einstigem Skandalstück „Stallerhof“ – hinkend mit Fatsuit, samt Kopf- und Handverband.

Krischs Rollen sind meistens Figuren, die einem ans Herz wachsen. „Ich liebe tiefe Charaktere, die sich einem wie ein Fass ohne Boden präsentieren. Ich bin ein Bauchmensch, die Geschichte muss spannend sein, mich neugierig machen und in mich hineinkriechen, mit mir etwas zu tun haben“, definiert er seine Auswahl. „Ich möchte keinesfalls mehr einen Baum spielen müssen.“ Die Angst kann dem Mann genommen werden. Hans Orsolics jedenfalls, ist eine Rolle nach Krisch`s Geschmack.

– Michaela Knapp

Burg-Kasino: „Der Boxer …“
Uraufführung: 19. 2., 20 Uhr
Franzobel hat das Leben zwischen Triumph und Abstürzen der Boxlegende Orsolics zu einem Stück verarbeitet: „Der Boxer oder Die
zweite Luft des Hans Orsolics“. Regie führt Niklaus Helbling.

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