Eine Ausstellung in München wurde eben abgebaut, an den Arbeiten für die Schau "It 's so human" im Loft 8 in der Wiener Brotfabrik legt Jakob Kirchmayr gerade die letzten Schichten an. Sie wird am 29. Oktober eröffnet. Im Frühjahr stellt er dann in Frankreich aus. Es läuft gut für den 40-jährigen Künstler und seine gesellschaftskritischen Zeichnungen, die humorvoll, manchmal aber auch auf drastische Weise zum Nachdenken anregen.
Im Zuge einer neuen Handwerklichkeit feiert die Zeichnung in den letzten fünf Jahren ein beeindruckendes Comeback am Kunstmarkt und hat sich als eigenständige künstlerische Form wieder stärker und vor allem neu etabliert. Auch Jakob Kirchmayrs Blätter verkaufen sich gut, rangieren aktuell, je nach Größe, bei zwischen 1.000 und 30.000 Euro.
Ich habe überhaupt nicht vorgehabt Maler zu werden.
In Tirol geboren und aufgewachsen, ist Jakob Kirchmayr nach seinem Vater und dem Großvater in dritter Generation Maler. Was die Sache nicht einfacher gemacht hat, wie er betont. Im Gegenteil. "Ich wollte mich abgrenzen und habe überhaupt nicht vorgehabt Maler zu werden. Das ist mir passiert", erzählt der mittlerweile selbst zweifache Vater beim Besuch in seinem Wiener Atelier. Eigentlich hat er an der Akademie der bildenden Künste Restaurierung und Konservierung studiert, sich mit Restaurierungsarbeiten aber dann doch das Zeichnen finanziert. Sehr bald hat er an Büchern gearbeitet, 2003 gab es das erste Kinderbuch, inzwischen sind über 15 gefeierte Sagen- und Kinderbücher auf dem Markt.
Die hierzulande immer noch einschränkende Kategorisierung des Illustrators hat Kirchmayr aber längst hinter sich gelassen und über die Jahre zu seinem ganz speziellen Stil gefunden. Mit dem Erlernen einer Sprache vergleicht er selbst die Entwicklung seiner Zeichentechnik, im Zuge derer er auch den Sprung von den dynamischen Kleinformaten zum beeindruckenden Großformat gesetzt hat. Mit selbstbewusstem Strich und Körpereinsatz entstehen so bis zu zwei mal drei Meter große Papierarbeiten wie das neueste Triptychon "Sunset in Kobane". Die Arbeit sei aus einem beklemmenden Gefühl über den Irrsinn des Krieges heraus entstanden, erzählt er am Beispiel der drei Papierbahnen, auf denen drei Frauen, überlebensgroß mit eingefallenen Gesichtern, anklagend ihre toten Kinder in Händen halten. "Für mich eine wichtige Arbeit und ein Statement, aber mit Sicherheit unverkäuflich. Wer soll sich das ins Wohnzimmer hängen?"
Kirchmayrs Arbeiten sind in der Tat keine geschmeidigen Bilder. Er erweist sich als humorvoller Zeitgeistbeobachter, seziert seine Mitmenschen buchstäblich. Expressiv wie dynamisch zeichnet er Alltags-Dilemmata, entlarvt, wie dicht Humor und Schrecken oft beieinander liegen. Er skizziert Köpfe wie verschrumpeltes Obst mit verkniffenen Mündern, jedes Lächeln ins Fratzenhafte verzerrt. Schön ist da niemand, wenn das Innere nach Außen gekehrt wird. Ein Mann mit einem riesigen verfaulten Kürbis am Kopf wird zur Metapher für den kränkelnden Geist. "Fäulnisprozess", steht dabei. Das sagt schon alles, meint der Künstler.
Ärger vom Leib gezeichnet
"Natürlich sind manche Arbeiten ein Statement. Es ist schön, wenn man Leute zum Nachdenken anregen und Ereignisse zum Bild werden lassen kann. Ich bin sensibel, mir machen Ungerechtigkeiten aller Art zu schaffen." Den Ärger zeichnet er sich vom Leib, nimmt sozusagen Rache auf Papier. Über Bildinhalte redet Kirchmayr nicht gerne. Über seine Technik schon eher. "Ich bezeichne mich gerne als Zeichner, der mit malerischem Element arbeitet." Seinen Papierarbeiten haftet Power wie eine gewisse Fragilität an. Kirchmayr arbeitet radikal mit Leeräumen und Kontrasten und seinem eigenen Farbkosmos. Er verdichtet seine Motive in Schichten, arbeitet mit Lasuren und Rinnspuren und lässt Blätter gerne ins Skizzenhafte auslaufen. Selbst den großformatigen Arbeiten gehen in den seltensten Fällen Vorstudien oder Skizzen voran. Es gibt auch keine Modelle oder Fotografien als Vorlage. "Ich bin ein sehr genauer Beobachter. Überall und immer", sagt er. Und gnadenlos, muss man ergänzen. Eines seiner großformatigen Bilder trägt den Titel "Das maulfletschende Lächeln mit dem der Teufel seine Lieblinge zeichnet". Es ist ein Zitat, entliehen vom deutschen Philosoph des 18. Jahrhunderts Christoph Lichtenberg - als hätte dieser Jakob Kirchmayrs Arbeit gekannt.
Ausstellung
It's so human
Die Aussstellung gibt einen Überblick über Jakob Kirchmayrs zeichnerisches Werk. Die Bandbreite reicht von Arbeiten, die von Charles Bukowski Gedichten inspiriert sind, dessen Brachialhumor Kirchmayr schätzt, bis zu neuen Großformaten wie "Sunset in Kobane".
Location:
Loft 8, Brotfabrik
Absberggasse 29/3
1010 Wien
Vernissage: 29.10., 19 Uhr.
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