In seinem Gedenkjahr ziert Wiener Klassik-Gründervater Haydn Torten und Kinderbücher

Der Geburtstag des Komponisten am 31. März macht den Auftakt zum heurigen Haydn-Jahr. Der Erfolg der Supermarke Mozart ist aber außer Reichweite.

Wie jovial darf man sich Joseph Haydn nähern? Geht es nach all den
Biografien, die im Zuge der Feierlichkeiten zum 200. Todestag des Musikgenies das Leben des Jubilars zerpflücken, ist Nonchalance durchaus angebracht. „Papa Haydn“, so sein Spitzname, scheint demnach abseits seiner musikalischen Großtaten ein durchaus charmanter Lebemann gewesen zu sein, der sich unprätentiös seines Daseins erfreute.

Kein Massenmagnet wie Mozart
Es hätte also in über zwei Jahrhunderten durchaus genug anekdotischen und biografischen Stoff gegeben, um allerhand Mythen rund um seine Person zu stricken und ihn im kollektiven Gedächtnis als außergewöhnlichen Meister seines Faches zu verankern. Schon alleine der Plot des gesellschaftlichen Emporkömmlings aus einfachen Verhältnissen in der niederösterreichischen Provinz lässt sich gut erzählen. Dennoch: Der Gründervater der Wiener Klassik bringt es bei weitem nicht auf die Massentauglichkeit und kommerzielle Wucht seines Zeitgenossen Mozart, dessen vor drei Jahren künstlerisch und marketingtechnisch ausgiebig gedacht wurde. Das Mozart-Jahr 2006 erwies sich als umwegrentabler Ökonomie-Motor. 1.200 neue Arbeitsplätze wurden geschaffen, und jeder ins Gedenkjahr investierte Euro brachte der Volkswirtschaft auf Umwegen zehn Euro zurück.

Gebildetere Gläubige
Dass es Haydn nicht mit seinem Freund Mozart aufnehmen wird können, zeigt bereits ein Blick aufs Budget des Gedenkjahres. „Fürs Mozart-Jahr standen 30 Mio. Euro zur Verfügung, fürs Haydn-Jahr investiert man in Wien rund 370.000 Euro und im Burgenland zehn Millionen Euro Sonderbudget“, fasst der Geschäftsführer des Haydn-Jahres, Franz Patay, zusammen. „Mozart ist jemand, der schon allein aufgrund des Films von Milos Forman oder des Songs ‚Amadeus‘ von Falco bei vielen ein bestimmtes Bild erzeugt: weiße Perücke, rote Weste, wildes Leben, ein dynamisches Genie, jung verstorben. Haydn hingegen ist wirklich nur Kennern ein Begriff, spricht aber ein gebildeteres Publikum an. Da geht es um ein Predigen zu den Gläubigen“, unterstreicht der Experte die Marketingstrategie. „Aber wenn man für Blödsinn wie 50 Jahre Barbie-Puppe Veranstaltungen macht, kann man wohl auch für Haydn ein breiteres Interesse wecken.“

Von Großbritannien vereinnahmt
Und zwar nicht nur im Burgenland, wo er vierzig Jahre seines Lebens verbrachte und im Laufe der Jahrhunderte zur Ikone wurde, sondern über die Bundesländer- wie Staatsgrenzen hinweg auch in Wien, Niederösterreich und Ungarn. Verantwortlich für die Vermarktung ist die „ArGe Haydn“, die mit 850.000 Euro Budget in den letzten beiden Jahren intensiv daran gearbeitet hat, den Tondichter beziehungsweise die Regionen seines Wirkens international zu bewerben. Touristische Zielgebiete sind neben Deutschland und der Schweiz vor allem Großbritannien, lebte Haydn doch – hofiert vom britischen Hochadel – einige Jahre auf der Insel und feierte dort sensationelle Erfolge. Derart, dass der geniale Musikus im angelsächsischen Raum um einiges populärer ist als hierzulande und von der BBC in Dokumentationen bereits als „British Composer“ adoptiert wurde.

Haydn in der Nische
Trotzdem: „Haydn ist, was seine touristische Bedeutung betrifft, ein geografisches und inhaltliches Nischenthema“, betont Wien-Tourismus-Chef Norbert Kettner, der Haydns wegen nicht unbedingt ein Übernachtungs- und Umsatzplus wie etwa im Mozart-Jahr erwartet. „Vor dem Hintergrund der Krise ist Haydn aber eine gute Investition“, unterstreicht der Touristikfachmann, „denn jedes spezifische Angebot hilft.“ Ähnlich sieht man es in Niederösterreich. Veronika Haydn von der Niederösterreich Werbung ortet in ihrem Namensvetter vor allem „einen geeigneten Aufmacher, um die Region als Kurzurlaubsland zu positionieren“. Im Burgenland erhofft man sich von den Feierlichkeiten einen nachhaltigen touristischen Mehrwert. „Das Haydn-Jahr ist ein optimaler Ausgangspunkt, um auch künftig mit dem Komponisten zu werben und Kulturtouristen in die pannonische Tiefebene zu bringen“, erörtert Burgenland-Tourismus-Chef Gerhard Gucher.

Emotional im Burgenland abholen
Funktionieren könnte das durchaus. Immerhin sind noch – anders als im Falle Mozart – zahlreiche authentische Wirkungsstätten und Spuren von Haydn erhalten. Sein Wohnhaus in Eisenstadt, das Schloss Esterházy, die Kirchen, in denen er gespielt hat, der Neusiedler See, wo er gerne fischen war, oder sein Sterbehaus in Wien. „Dort kann man Menschen emotional abholen“, weiß Franz Patay. In Eisenstadt hofft man auf bis zu 20 Prozent Nächtigungsplus und registriert schon jetzt eine gute Buchungssituation, vor allem an den Haydn-Schwerpunktwochenenden. Zudem ist „Papa Haydn“ in der Landeshauptstadt seit jeher auch kulinarisch präsent und wird geschäftstüchtig von der Gastronomie vereinnahmt. Seit 2002 verkauft etwa die Eisenstädter Konditorei Altdorfer die Haydnrolle. Fürs Jubiläumsjahr glaubt man, dass erstmals 100.000 Stück der handgemachten Nascherei über den Ladentisch wandern. Zum Vergleich: Mirabell verkauft 90 Millionen Mozartkugeln pro Jahr. In der Konditorei Arnberger kreierte man eigens zum Jubiläum die Haydntorte und ließ sich die Marke sicherheitshalber gleich schützen.

Silhouette und Signatur
Dazu wird das Konterfei des Komponisten auch auf Bierflaschen zu finden sein. Einen Haydn-Wein bietet ohnehin seit einigen Jahren ein Zusammenschluss von acht burgenländischen Winzern erfolgreich an. Es gibt kaum etwas, das dieser Tage nicht mit der berühmten schwarzen Haydn-Silhouette vom Kupferstecher Hieronymus Löschenkohl oder der Signatur Haydns versehen wird: ob Orchideen, Kindermalbücher, Kräutergartenführer oder Kochbücher. Und natürlich ist der Komponist auch am Musikmarkt präsent. Zahlreiche Neuaufnahmen seiner Werke in mehr oder weniger schmucken Sammelboxen werden übers Jahr veröffentlicht. „Jeder will ein bisschen vom Kuchen mitnaschen, die Erfahrung zeigt aber, dass Jubiläen nicht wirklich mehr bringen“, schätzt Lukas Barwinski, Klassik-Chef bei Universal Music, den Haydn-Hype bloß als Sturm im Wasserglas ein.

Termine  
Das Haydn-Jahr hebt an. Am 14. 3. beginnt der Reigen im Theater an der Wien. Da interpretiert das Kabinetttheater Kompositionen in „Haydn bricht auf“, am 31. 3. gibt es ebendort ein Geburtstagskonzert des Ensemble Matheus unter der Leitung von J. C. Spinosi. Ab 20. 3. steht mit „Joseph Haydn in London“ sein Englandaufenthalt im Mittelpunkt einer Schau im Musikverein. Am 31. 3. eröffnet dann in Eisenstadt die Haydn-Ausstellung „Phänomen Haydn“, die an vier Wirkungspunkten Haydns stattfindet (u. a. im Schloss Esterházy). Alle Infos zum Programm in Wien, NÖ & Burgenland: www.austria.info/haydn2009 . Zudem wird Haydn auch im ORF gefeiert. Ab 31. 5. (Todestag) werden Dokus gesendet, am 5. 12. wird die Premiere von „Il mondo de la luna“ aus dem Theater a. d. Wien live übertragen.

Von Manfred Gram

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