FORMAT-Kunstguide 2009: Die Erregungs-Wellen sind wieder länger geworden

Zum siebenten Mal präsentiert FORMAT hiermit sein Kunstranking der besten zeitgenössischen Österreicher, das sich schon in den vergangenen Jahren als Seismograf für die aktuellen Strömungen am Kunstmarkt etabliert hat.

Lange Zeit hat sich das Rad auch in der Kunst immer schneller gedreht. Der Markt war geprägt von immer kürzeren Erregungswellen. Haben arrivierte Künstler wie Franz West oder Maria Lassnig noch an die 35 Jahre Arbeit hinter sich bringen müssen, um ihre Traumkarrieren zu machen, haben die Youngsters der Szene weitaus schneller gelernt, gezielt an ihrem Branding zu arbeiten. Auch vor dem Hintergrund der Finanzkrise hat sich die Grundstruktur des Kunstmarktes nicht verändert, der Wirtschaftscrash hat aber zweifellos den Hype aus dem Betrieb genommen.

433 Künstler, 55 Juroren
Der Kunstkauf als Hetzjagd, wie sie in den letzten Jahren praktiziert wurde, ist passé. Arbeiten nur zu kaufen, weil sie teuer sind, ist naturgemäß auch aus der Mode. „Hierzulande kaufen die Sammler ohnehin eher nach Vorlieben und setzen auf heimische Künstler“, unterstreicht die Wiener Galeristin Silvia Steinek die Stabilität des Marktes. Der neue FORMAT-Kunstguide analysiert die heimische Szene und hilft Anlegern, mögliche Wertsteigerungen zu erkennen. Die Liste der zu bewertenden Künstler hat sich auf 433 Namen ausgeweitet und wurde kontinuierlich von der heuer 55 Mitglieder umfassenden Expertenjury ergänzt. Die Marktprofis, darunter Museumsdirektoren, Sammler, Kuratoren und Galeristen haben gewissenhaft abgewägt, was in der heimischen Szene zählt, was diskurs-, was marktfähig ist, bleibt oder wird. Denn ein guter Sammler sollte seiner Zeit immer ein bisschen voraus sein. Zwei der FORMAT-Tipps des Vorjahres etwa finden sich heuer bereits als Neueinsteiger unter den Top 100: Zenita Komad und Andreas Fogarasi.

Guide als Orientierungshilfe
Die Experten haben die Liste der Künstler nach den Kategorien künstlerische Bedeutung, kommerzieller Erfolg und Zukunftspotenzial ausgewertet. Nach der jeweiligen Gesamtpunktezahl wurden die erfolgreichsten 100 Künstler ermittelt. Für An­leger ist im Guide vor allem die Spanne zwischen hohem künstlerischem Wert und noch nicht ausgereiztem kommerziellem Erfolg der Künstler von Interesse. Denn je größer diese Spanne, desto kalkulierbarer die Wertsteigerung! Die Kriterien, den boomenden Markt im Überblick zu behalten, werden immer geringer. Die Mechanismen, die Preise hervorbringen, immer subtiler: In diesem Sinne können Sie die aktuelle Liste der Top 100 als Leitfaden für Ihr Investment nutzen. Komplementiert wird das Ranking auch heuer wieder durch die besten 20 Auktionsergebnisse heimischer Künstler am internationalen Markt sowie durch Kaufempfehlungen der Experten für Künstler mit großem Potenzial.

Lassing, West und Rainer führen
Die Siegerin heißt auch heuer wieder Maria Lassnig ( Im Bild: ihr Werk "Mit einem Tiger schlafen" ). Die gebürtige Kärntner Malerin, die im September ihren 90. Geburtstag feiert und heuer einen wahren Ausstellungsmarathon absolviert hat, erntet nun die Früchte jahrelanger Arbeit. Auch Franz West auf Rang zwei, gefolgt von Arnulf Rainer auf Platz drei, deuten auf keine große Veränderung zum Vorjahr hin. Aber schon Platz vier bringt eine Neuerung: Hermann Nitsch hat sich vom neunten auf den vierten Platz gehievt, mit internationaler Medienpräsenz und ebensolcher Sammlerschaft sowie zwei eigenen Museen in Mistelbach und Italien konnte der Schüttmeister sein Ansehen ausbauen. Die Arbeiten rangieren zwischen € 15.000 und € 150.000. Bei der öffentlich zugänglichen 56. Malaktion im Museum Mistelbach kann man den Meister persönlich erleben (13.–17. 5.).

Kein Erfolg ohne Marketing
Damit aus Hoffnungsträgern Umsatzbringer werden, muss ein Künstler richtig platziert werden. Qualität allein reicht heutzutage nicht mehr aus, Erfolg ist nur mit gutem Marketing möglich, bestätigen auch die Experten. Wie sensibel der Markt auf mediale Präsenz und kontinuierliche Arbeit der Galerien reagiert, zeigt sich auch an den Platzierungen der Künstler, die den österreichischen Pavillon auf der diesjährigen Biennale von Venedig bespielen werden: Dorit Margreiter, Elke Krystufek und Lois & Franziska Weinberger. Die 42-jährige Wienerin Dorit Margreiter, Professorin für Video und Installation am Institut für bildende Kunst, die auch mit Präsentationen im MUMOK und im MAK auf sich aufmerksam machte, stieg gleich um 23 Plätze auf Rang 46! Pointiert bis poetisch thematisiert sie in ihrer Arbeit das Verhältnis von Film und Fernsehen zu architektonischen und sozialen Raum­vorstellungen. Auch das Kunstpaar Lois & Franziska Weinberger konnte wie auch Kunstprovokateurin Elke Krystufek schon vorab von der Nominierung zur Biennale profitieren. Krystufek hievte sich auf Platz 12, die an der Schnittstelle von Kunst und Natur agierenden Weinbergers stiegen gleich um 12 Plätze auf Rang 28.

Etablierte Werte, aktuelle Fragen
Weiters kristallisierten sich im heurigen Ranking zwei Trends heraus. Zum einen: die Rückkehr bereits etablierter Namen, die Wertigkeit garantieren, aber noch Potenzial verspre­chen, wie Oswald Oberhuber, Otto Muehl, Xenia Hausner oder die Gugginger „Blue Chips“ Johann Hauser und August Walla. „Der Markt normalisiert sich. Man schätzt derzeit sichere Positionen wieder mehr als jene Künstler, deren Arbeiten innerhalb von zwei Jahren von null auf 100.000 Euro gehen“, analysiert Galeristin Ursula Krinzinger. Trend zwei spiegelt sich in inhaltlichen Positionen wider: Kritische Auseinandersetzung mit politischen und sozialen Tendenzen ist stark gefragt. „Man schätzt wieder Arbeiten, die nicht so weit von der aktuel­len gesellschaftlichen Stimmung entfernt sind“, bestätigt Andreas Huber, der Namen wie Leopold Kessler oder Carola Dertnig in seinem Programm führt.

Elf Neue unter den Top Hundert
Im breiten formalästhetischen Feld finden sich verstärkt Auseinandersetzungen mit provokanten Fragestellungen, wie in Marco Lulics Arbeit „Social Housing for Billionaires“. Der 37-jährige Installationskünstler (Platz 72) ist einer von elf Neu- & Wiedereinsteigern unter den Top 100. Neu dabei auch Constantin Luser, Edgar Honetschläger, Andreas Fogarasi, Zenita Komad, Julius Deutschbauer oder Matthias Herrmann. „Jüngere Kunst zu kaufen zahlt sich in jedem Fall aus“, betont der international agierende Galerist Christian Meyer, der neben Franz West und Gelitin neuerdings auch Elke Krystufek im Programm führt: Feststehende Kriterien gebe es ohnehin schon lange nicht mehr, so der Fachmann. Der Markt hat sich demokratisiert. Man sollte auch beim Kunstkauf Risikofreudigkeit zeigen und der Karriere eines Künstlers fünf bis zehn Jahre Zeit geben. Denn der Preis eines Künstlers hängt von seinem Netzwerk ab, etwa den Kuratoren, die ihn in Museen platzieren. Nach dem Schweizer Kulturwissenschaftler Beat Wyss „sind die Museen die Notenbanken“ des Kunstsystems.

Preise im unteren Drittel
Die meisten Österreicher liegen in Relation zum internationalen Markt preislich noch im unteren Drittel. „Vielleicht zeigt sich der österreichische Markt ja genau deshalb so stabil, weil die Spitzen nie so hoch waren“, betont Silvia Steinek. „Von einem guten österreichischen Künstler bekommt man um 100.000 Euro ein Hauptwerk, international ist das gar nichts.“ Der größte Teil der Verkäufe spielt sich zwischen 5.000 und 15.000 Euro ab, bestätigt auch Ernst Hilger. Generell sei es nach wie vor vernünftig, in junge und nicht voll etablierte Künstler zu investieren. „Den exakten Preis eines Kunstwerkes kennt man ohnehin erst dann, wenn es versteigert wurde“, rückt Otto Ressler von den Kunstauktionen im Kinsky die Marktgesetze zurecht. Seines Erachtens hat, salopp formuliert, „die Krise der Kunst sogar gut getan“. Nach den letzten Auktionen fühle man sich, so Ressler, „ein bisschen wie ein Krisengewinner“.

Neue Sammlergruppe
Kunst wird als Alternative zu Anlageformen, die einen enttäuscht haben, begriffen, resümiert Ressler. Er ortet ganz neue Sammler der Altersgruppe 35 plus, die vermutlich ihr Sparbuch abgeräumt haben, um das Geld sicher zu wissen und auch noch Spaß daran zu haben. Was sich 2008 im Ranking zeigte, die Rückkehr der Veteranen, bestätigt sich nun am langsameren Sekundärmarkt der Auktionen: Neue Kunden kaufen stabile Werte, wie Ringel oder Prachensky. Zudem bedient Kunst Aspekte der Freude, der intellektuellen Herausforderung und den Besitzerstolz. Demgemäß bleibt sie, so Ressler, „Statussymbol par excellence, nobler als eine Yacht oder der Privatjet“.

Die vollständige Liste der 433 bewerteten Künstler finden Sie unter www.format.at/kunstranking

Von Michaela Knapp, Birgitt Kohl

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