Piaggio MP3 - der flotte Dreier für Autofahrer
Paris ist anders: Während Dreiradroller bei uns noch eine eher exotische Erscheinung sind, gehören sie in der Stadt der Liebe schon zum Alltags-Straßenbild. Abgesehen vom Faible der Franzosen für avangardistisches Design hat das vor allem einen Grund: Dreiräder dürfen auch mit B-Schein gelenkt werden!

Als Piaggio anno 2006 den ersten Dreiradroller mit zwei neigbaren Fronträdern vorstellte, klappten die Kinnladen etlicher Motorjournalisten sichtbar nach unten: Ein Dreirad, dass sich dank einer aufwendigen Parellelogramm- Aufhängung der beiden Vorderräder wie ein Motorrad in die Kurve legen konnte, das gabs noch nie! Das außergewöhnliche Gefährt hieß MP3 und wurde seither in den unterschiedlichsten Motor- und Ausstattungs-Versionen weltweit 150.000 Mal verkauft.
Das MP3-Konzept und das bauartbedingte Basis-Design polarisieren bis heute: Vor allem Hardcore-Biker, aber auch so manche Sozia lästerte ob der beiden Fronträder schon mal vom Behindertenfahrzeug oder Rollator, andere fanden die Idee schlichtweg genial. Fakt ist: Das dritte Rad bringt mehr Bodenhaftung und damit mehr Sicherheit speziell in Schräglage, auf nasser Fahrbahn oder auf Schotter. Das vielleicht wichtigste Plus ist aber: Der MP3 ist für Autofahrer, die nur einen B-Schein besitzen, die einzige Möglichkeit, eine Art Big Bike bzw. Großroller zu fahren, ohne sich der Tortur einer neuerlichen Führerscheinprüfung unterziehen zu müssen. Als Konzession an die Autofahrerzunft haben die B-Schein-tauglichen MP3 LT-Modelle deshalb auch - wie Autos - eine Integral-Fußbremse und eine Handbremse.
Neuer Motor, neuer Rahmen, neues Design
Bezogen auf seinen Vorgänger ist beim neuen Flaggschiff der Modellreihe, dem MP3 500ie LT so gut wie alles neu: Neuer, flüssigkeitsgekühlter 500er-Motor mit elektronischer Gas-Steuerung (Ride-by-Wire-System) statt Gasseilzug (-15 % Spritverbrauch), neuer Rahmen (35 % steifer), größere Vorderräder (13 Zoll statt 12 Zoll), größere Bremsscheiben vorne (258 statt 240 mm), neue, leisere Auspuffanlage (-3 Dezibel), LED-Positionslichter, serienmäßiges Antiblockiersystem (ABS) und serienmäßige Anti-Schlupf-Regelung (ASR).
Die Kommando-Zentrale. Das neue MP3-Cockpit orientiert sich am Auto-Instrumentenbrett: Zwei Rundanzeigen für Speed und Drehzahl, ein digitales Zentraldisplay für Spritverbrauch, Uhr, Temperatur, etc.
Auch das Design wurde gründlich gebürstet: Der etwas pummelig wirkende Kofferraumdeckel am Heck ist nun weg, die seitliche Linienführung wirkt deutlich gestreckt, Fahrer und Beifahrer haben mehr Platz. Unter der langgestreckten Sitzbank ist nun ein beleuchteter 50-Liter-Kofferraum entstanden, der auch 2 Vollvisierhelme oder das Reisegepäck für den Wochenend-Trip schluckt. Ausstattungsmäßig orientiert sich der neue Über-MP3 klar am Auto: Das Cockpit mit zwei Rundinstrumenten und einem großen Zentraldisplay würde auch in jedes PKW-Armaturenbrett passen. Eine 12 Volt-Steckdose im Kofferraum und ein USB-Ladeanschluss im Handschuhfach hinter der Windschutzscheibe komplettieren die Auto-Features.
Und wie fährt sich das neue Ding?
Auch wenn das die Piaggio-Ingenieure etwas frustrieren dürfte: Nicht gänzlich anders als der Alte. (Fast) alles vor allem das Handling - wurde aber einen Tick besser. Wer nun kräftig am Gasgriff dreht, sichert sich im Pariser Verkehrsgewühl klar die Pole Position. Dass dabei kein Gasseilzug, sondern nur noch Elektronik die Drosselklappe steuert, merkt man höchstens positiv. Die Sitzposition ist noch entspannter, der Verkehrs-Überblick 1A, und: trotz Doppel-Vorderrad ist der neue 500er-MP3 noch immer schmal und wendig genug um sich frech zwischen den Autoreihen nach vorne schwindeln zu können. Das integrierte ABS machte sich übrigens nur einmal auf Kopfsteinpflaster dezent bemerkbar. Apropos Kopfsteinpflaster: Das weist in Paris stellenweise recht ordentliche Dellen auf. - Mit den neuen, größeren MP3-Fronträdern rattert man hier ungeniert drüber, was mit einem normalen Zweirad weniger zu empfehlen wäre.
Noch nicht der Weisheit letzter Schluss scheint dafür das neu gestaltete Auto-Cockpit zu sein. Hier wird der Blick magisch vom großen Infodisplay in der Mitte angezogen, das Daten aller Art präsentiert (aktueller Spritverbrauch, Reichweite, Kilometerstand, Uhr, Temperatur) nur eines nicht: die momentane Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeitsanzeige wurde ins linke Rundinstrument verbannt, das man anfangs kaum beachtet. Abgesehen von der fehlenden Geschwindigkeitsanzeige hat man bei der Konzeption des Zentraldisplays aber auf noch etwas vergessen - ein integriertes Navi-System. Der XL-Schirm würde sich eigentlich als Navi-Display anbieten, Kostenfrage sollte das bei einem Respekt einflößenden Einführungs-Aktionspreis von 9.999,- auch keine sein. Die Piaggio-Lösung, Navi & Co. per App über ein Smartphone bereitzustellen ( Piaggio Multimedia Platform ), ist reichlich verschlungen und erfordert die Installation einer zusätzlichen Handy-Halterung.
Sicherheitsreserven.Als erster Dreiradroller hat der neue MP3 500ie sowohl ABS als auch ASR (Anti-Schlupfregelung, elektronische Traktionskontrolle) serienmäßig an Bord. Größere Vorderräder (jetzt 13) und Bremsscheiben sorgen für ein Sicherheitsplus.
Und weil wir schon beim Punkt Kritik angekommen sind: Die schnittigen Rückspiegel hätte man zwecks noch besserer Sicht nach hinten ruhig ein wenig größer ausführen können. Und: Bei dem betriebenen HiTech-Aufwand in Sachen Antrieb würde man eigentlich auch eine spritsparende Start-Stop-Automatik, wie sie etwa bei Hondas SH125i bereits Serie ist, erwarten. Aber das ist in Pontedera offenbar noch kein Thema.
Test-Fazit
Piaggios neues Dreirad-Topmodell ist durch die Rundumerneuerung (80% neu) noch komfortabler, sicherer und sparsamer geworden. Beim Fahrspaß konnte der neue MP3 500i LT klar einen Gang zulegen, das Design ist jetzt deutlich flotter. Von der Seite betrachtet, sieht der große MP3 nun aus wie ein sportlicher Maxi-Scooter, bei der Frontansicht ist Piaggio das noch nicht so gelungen (was bauartbedingt auch recht schwierig ist).
Die Folge: Bei Dreiradrollern werden die Geschmäcker auch künftig weit auseinander gehen. Abgesehen vom bauartbedingten Design dürfte allerding noch ein Punkt stark polarisieren:
Der Preis. Mit einen Einführungs-Aktionspreis von 9.999,- kratzt der MP3 500i LT nun an der 10.000er-Marke, der Listenpreis liegt mit 10.700,- klar darüber. Dass der stattliche Piaggio-Preis nicht irgendwie schicksalhaft gegeben ist, zeigt ein Blick auf die zweirädrigen Alternativen der Konkurrenz. Kymcos komfortabler Großroller XCITING 500i evo ABS kostet mit 5.699,- beispielsweise nur rund die Hälfte, für 5.599,- bekommt man derzeit bei Yamaha in Gestalt des Naked Bikes MT-07 schon eine 700er mit 75 PS und 207 km/h Top-Speed.
Aufnahmefähig. Der beleuchtete Kofferraum unter der Sitzbank "schluckt 50 Liter. Das reicht für zwei Vollvisier-Helme oder für das Weekend-Reise-Set. Für die mobile Stromversorgung gibts eine 12V-Steckdose.
Im Prinzip hat das Dreirad-Konzept aber eine große Zukunft - und das sieht man nicht nur live auf den Straßen von Paris. Bester Beweis: Inzwischen sind auch andere Hersteller auf den Dreier-Zug aufgesprungen. Jüngstes Mitglied im Club 3 ist Yamaha mit seinem brandneuen Tricity (ab Juli, 3.999,-). Dreirad-Roller gibts in der Zwischenzeit aber auch schon von Peugeot ( Metropolis 400i ), von der Piaggio-Tochter Gilera ( Fuoco 500 LT ), sowie von der italienischen Design- und Technologieschmiede Quadro ( Quadro 350 ).
P. S. Last but not least noch ein guter Ratschlag an alle Autofahrer ohne Moped- oder Rollererfahrung: Bevor man sich mit dem Ding in den Straßenverkehr stürzt, können ein paar MP3-Proberunden am Parkplatz oder am Übungsgelände nicht schaden. Dass man mit dem MP3 wegen seiner 3 Räder nicht umfallen kann, gehört leider ins Reich der Legende. Sind die voll neigbaren Vorderräder für den Fahrbetrieb einmal entriegelt, hat der MP3 die gleichen physikalischen Eigenschaften wie ein Zweirad mit allen Vor- und Nachteilen.
Technische Daten Piaggio MP3 500ie LT Sport/Business
Motor:
1-Zylinder, Automatik
Hubraum:
493 cm³
Leistung:
40,1 PS (29,5 kW)
Spitze:
142 km/h
Extras:
ABS, ASR, Fuß- und Handbremse, USB, 12V-Steckdose
Führerschein:
Mit A- oder B-Schein ohne Zusatzprüfung fahrbar!
Preis:
Einführungs-Aktion 9.999,- (statt 10.700,-)
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