Longchamp-CEO Cassegrain: "Kunden sind kritischer geworden" [INTERVIEW]

Während viele Branchen aktuell eine Flaute erleben, boomt das Luxussegment. Auch dem französischen Label LONGCHAMP geht es gut. CEO Jean Cassegrain sieht seine Branche dennoch vor Herausforderungen.

Longchamp CEO Jean Cassegrain

Longchamp CEO Jean Cassegrain hat die weltweite Krise noch nicht zu spüren bekommen: Die Luxusbranche boomt.

trend: Longchamp ist eine der wenigen Luxusmarken, die zu keinem großen Konzern gehören, sondern als Familienunternehmen geführt werden. Wie geht das?
Jean Cassegrain: Der Vorteil ist natürlich, dass man seine Entscheidungen nicht davon abhängig machen muss, was der Markt denkt. Wir können es uns erlauben, langfristig zu denken. Das ermöglicht uns auch, nicht ständig Designer und Management auszuwechseln. Das ist eine Stabilität, die unsere Mitarbeiter:innen und Zulieferer schätzen.

Und was ist mit den Nachteilen?
Wir müssen uns selbst herausfordern und hinterfragen, wir müssen uns mit dem Markt ändern, und ja, in diesem Markt gibt es ziemlich starke Gegner.

Momentan erlebt die Luxusbranche einen regelrechten Hype, obwohl rundherum die Wirtschaft schwächelt. Wie erklären Sie sich das?
Die Rezession, vor der so viel gewarnt wird, sehen wir in unseren Verkaufszahlen tatsächlich nicht. Als Hersteller von Taschen und Gepäckstücken hilft uns sicher auch, dass der Tourismus gerade wieder anspringt.

Das ist aber nicht die ganze Erklärung für die starken Zahlen im Luxussegment.
Ich glaube, es geht dabei viel um Vertrauen. Menschen geben lieber etwas mehr Geld für Dinge von Marken aus, denen sie vertrauen und die sie wertschätzen. Sie suchen nach Produkten, die vielleicht auch ihre Kinder später noch nutzen wollen. Das Mindset hat sich geändert: Viele kaufen lieber weniger Stücke, dafür aber jene, von denen sie glauben, dass sie von ihnen länger etwas haben werden.

Dass starke Marken Vertrauen vermitteln, ist aber auch nicht neu. Was hat sich geändert?
Früher ist das Vertrauen in unserem Segment vor allem durch die Qualität der Produkte entstanden. Heute spielt mit Corporate Social Responsibility noch eine andere Dimension eine wichtige Rolle. Unsere Kundinnen und Kunden sind viel kritischer geworden. Sie vertrauen Marken, die auch diesen Bereich wirklich gut abdecken.

Die Modeindustrie wird stark dafür kritisiert, ständig neue Trends auszurufen und dazu beizutragen, dass Leute viel zu viele Sachen kaufen, die sie dann so gut wie nie tragen. Trifft Sie der Vorwurf?
Manche Modehäuser machen nur noch die Designs, die sie dann an Produzenten weitergeben. Einige haben jeden Bezug zu dem physischen Produkt verloren. Wir hingegen produzieren alles selbst und das heißt, dass man auch den Abfall sieht, die Reste, die anfallen. Wenn wir mit Leder arbeiten, versuchen wir, so viele Teile wie nur irgendwie möglich aus einem Stück herauszubekommen. Das haben schon mein Vater und mein Großvater so gemacht. Sie schalteten auch selbstverständlich das Licht aus, wenn sie die Werkstatt verließen. Unser Mindset ist da allein aufgrund unserer Geschichte schon ein anderes.

Wo produziert Longchamp?
Wir haben sechs Produktionsstätten in Frankreich, weitere in Tunesien, Marokko, Mauritius und China.


In China sind wir zuletzt stark gewachsen und sehen weiterhin sehr viel Potenzial.

Haben Sie wie so viele Unternehmen in den vergangenen Jahren auch Ihre Lieferketten geändert?
Wir arbeiten stark daran, die Transportwege zu reduzieren. Was in China produziert wird, soll auch dort auf den Markt kommen und nicht um die Welt reisen.

Ist China auch für Sie der wichtigste Zukunftsmarkt?
Wir sind hier zuletzt stark gewachsen und sehen weiterhin sehr viel Potenzial. Auch in Südostasien sind wir sehr erfolgreich.


Heute ist es viel komplexer, als Marke zu kommunizieren.

Inwiefern treffen die steigenden Energiekosten ein Unternehmen wie Longchamp?
Wir brauchen nicht sehr viel Energie. Natürlich spüren wir aber die generellen Preissteigerungen. Wir haben deshalb 2022 schon unsere Preise erhöht und müssen das 2023 noch einmal tun. Wir versuchen gleichzeitig, noch mehr an Ressourcen einzusparen.

Wie zum Beispiel?
Wir haben unsere wichtigste Manufaktur in Frankreich renoviert und dadurch den Energiebedarf um 25 Prozent gesenkt. Wir drehen nun auch eine Stunde nach Ladenschluss in den Stores die Lichter ab. Und wir arbeiten an unseren Materialien. Die Tasche "Le Pliage" können wir nun aus zu 100 Prozent recyceltem Kunststoff herstellen, ohne dass dadurch Qualität oder Langlebigkeit leiden. Sie besteht jetzt quasi aus alten Strumpfhosen, Fischernetzen und Teppichen.


Wir haben 'Le Pliage' nicht für eine so junge Zielgruppe entworfen, auch nicht dafür, dass man damit in die Schule geht.

Die Tasche "Le Pliage" ist speziell bei jungen Frauen beliebt, auch jetzt in der Generation Z gerade wieder. War das eigentlich so geplant?
Wir haben sie nicht für eine so junge Zielgruppe entworfen, auch nicht dafür, dass man damit in die Schule geht. Das hat uns überrascht. Der Marke tut das allerdings gut: Von den jungen Leuten kommt sehr viel Energie.

Die junge Generation präsentiert sich mit dieser Tasche in den sozialen Medien. Bedeutet das für eine Luxusmarke einen gewissen Kontrollverlust?
Absolut. Umso wichtiger ist es, dass Identität und Botschaften einer Marke klar sind. Vor 15 Jahren hat es noch gereicht, für jede Kollektion eine Kampagne zu shooten, Printinserate zu schalten und etwas Outdoorwerbung zu machen. Heute ist es viel komplexer, als Marke zu kommunizieren. Wir brauchen quasi jeden Tag neue Fotos.

Welche Rolle spielt der Onlinehandel für Longchamp?
Er hat sich dank Covid zwischen 2019 und 2022 mehr als verdreifacht. Den Großteil des Geschäfts machen wir aber in den Läden. Deren Bedeutung hat sich deutlich geändert. Früher ging es um Bequemlichkeit, um gute Erreichbarkeit. Da ist der Onlineshop jetzt nicht zu schlagen. Dafür muss das Geschäft nun die Marke viel besser vermitteln, das Lebensgefühl.

Longchamp gibt es seit 1948. Was sind die Herausforderungen in den nächsten 20 Jahren?
Die größte Herausforderung ist es, weiter zu wachsen. Ich wäre zufrieden damit, wenn alles so bliebe, wie es momentan ist, aber das geht nicht.

Aufgrund der Konkurrenz?
Aufgrund enorm hoher Erwartungen, die Kundinnen und Kunden an uns haben: Immer neue, aufregende Kollektionen, tolle Stores, intuitiv verständliche Websites und verantwortungsvolle Produktion. Das müssen wir auch finanzieren.


Zur Person

Jean Cassegrain, 57, ist CEO des französischen Luxuslabels Longchamp. Das 1948 gegründete Unternehmen ist im Familienbesitz. Cassegrains Schwester Sophie ist Creative Director, sein Bruder Olivier leitet das US-Geschäft.


Das Interview ist dem trend.PREMIUM vom 24.2.2023 entnommen.

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