Vogelgrippe-Alarm: Gefährlicher als Ebola?
In Europa geht die Sorge vor einer neuen Vogelgrippewelle um. Der Vogelgrippe-Virus ist seit langem ein Kandidat für Pandemie. Ob der neue Typ H5N8 so gefährlich ist wie der H5N1 Virus der neunziger Jahre bleibt allerdings abzuwarten.

Die Vogelgrippe ist zurück. Der neue Typ H5N8 hat Hühner auf Farmen in Deutschland und den Niederlanden befallen und wurde vermutlich durch Wildvögel aus Asien nach Europa importiert. Auch die seit den neunziger Jahren bekannte hochansteckende Variante H5N1 ist weiter aktiv, in Ägypten soll eine Frau daran gestorben sein.
Derlei Nachrichten lassen Sorge vor einer schweren Grippe-Pandemie aufkommen, die von Mensch zu Mensch übertragen wird. Schon eine normale Grippewelle fordert in der Regel mehr Tote als die jüngste Ebola-Epidemie in Westafrika. Experten warnen seit langem vor einer weltumspannenden Grippe-Epidemie mit Millionen von Toten.
Mensch-zu-Mensch-Infektion
Das Vogelgrippevirus H5N1 gilt unter Wissenschaftlern als ein möglicher Erreger, der sich so verändern könnte, dass eine leichte Übertragung von Mensch zu Mensch möglich wird. H5N1 sei hierfür ein wichtiger Kandidat, sagt die Sprecherin des Robert Koch Instituts (RKI), Susanne Glasmacher. Seit 2003 haben sich weltweit mehr als 1000 Menschen mit der Vogelgrippe vom Typ H5N1 oder H7N9 infiziert.
Allerdings: Bislang ist es H5N1 nicht wirklich gelungen, von Mensch zu Mensch überzuspringen. Die aus Asien beschriebenen Fälle dieser Art ließen sich an fünf Fingern abzählen, sagt Glasmacher. Dabei seien meist Patienten von Familienangehörigen ohne Schutzvorkehrungen in engem Kontakt gepflegt worden. "Das Virus ist nicht leicht von Mensch zu Mensch übertragbar", unterstreicht Glasmacher. Allerdings seien Influenza-Viren "immer für eine Überraschung gut". Daher stehe H5N1 weiter im Fokus. Beim neuen Vogelgrippevirus H5N8 ist bislang keine Infektion bei einem Menschen festgestellt worden. Das RKI schließt aber nicht aus, dass solche Übertragungen möglich sind.
Der Virologe Bernhard Fleischer vom Bernhard-Nocht-Institut stellt fest, bislang sei der Mensch eine Art Sackgasse für das Vogelgrippevirus. "Es scheint dem Virus sehr schwer zu fallen, sich so zu verändern, so dass es von Mensch zu Mensch weitergegeben wird." Jedoch könnte nicht ausgeschlossen werden, dass es ihm irgendwann gelingen wird. Je mehr Menschen sich infizierten, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit. Daher dürfe dem Virus erst gar keine Chance gegeben werden, sich in einem Menschen einzunisten. Strenge Schutzmaßnahmen, etwa bei der Keulung von infizierten Hühnern, sei daher unbedingt notwendig.
GRIPPE FÜR DIE ALLGEMEINHEIT GEFÄHRLICHER ALS EBOLA
Als Horrorszenario gilt die "Spanische Grippe" aus den Jahren 1918/1919, an der bis zu 50 Millionen Menschen starben. Dem "Asia-Virus" in den 50er/60er Jahren und der Honkong-Grippe von 1968 bis 1970 fielen weltweit je eine Million Menschen zum Opfer. Auch in Deutschland sind verheerende Grippe-Wellen keine Seltenheit. Im Winter 1995/96 mit 8,5 Millionen Erkrankten starben allein hierzulande rund 30.000 Menschen. Im vergangenen Jahrzehnt erlagen in Deutschland die meisten Menschen in der Saison 2008/2009 der Grippe. Damals starben geschätzte 18.000 Personen. Während der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgerufenen Schweinegrippe-Pandemie von Mai 2009 bis zum April 2010 wurden aus Deutschland hingegen lediglich 251 labortechnisch nachgewiesene Todesfälle gemeldet.
Mit ihren Zehntausenden Toten pro Saison scheint schon eine normale Grippe eine viel stärkere Bedrohung zu sein als die in Westafrika grassierende Ebola-Seuche. An dem Virus sind nach Angaben der WHO bislang mehr als 5000 Menschen gestorben. Rund 15.000 Menschen haben sich infiziert. Es wird aber von einer weitaus höheren Dunkelziffer ausgegangen. "Für die Gesamtheit - die Zahl der Todesopfer - ist die Grippe natürlich gefährlicher, auch die normale Grippe", merkt Fleischer an.
Für den Einzelnen aber stelle Ebola die deutlich größere Gefahr dar, denn in mehr als 50 Prozent der Fälle verläuft die Krankheit tödlich. Bei einer Grippeinfektion ist diese Gefahr dagegen schwindend gering. Doch tückisch ist hier, dass das Grippe-Virus anders als Ebola einfach über die Atemluft, etwa bei Husten oder Niesen, übertragen wird. Zudem sind Mutationen nicht ungewöhnlich. Bei Ebola konnten die Wissenschaftler in den vergangenen 30 Jahren hingegen keine Veränderungen feststellen.