Klingende Festspiele in Salzburg

Im ersten Teil der Vorschau zu den Salzburger Festspielen präsentiert FORMAT die wichtigsten Opern und Konzerte. Musikchef Markus Hinterhäuser erklärt zudem die Schwerpunkte seiner Programmierung.

Man muss kein Prophet sein, um es vorherzusagen: Am 1. September werden sie gewesen sein, die Salzburger Festspiele 2008. Viele geistreich formulierte Feuilletonseiten zu den alljährlich gleichen Fragen können dann wieder archiviert werden: Über die Qualität der Produktionen, die
Relation der Eintrittspreise dazu, ob die Sänger und Dirigenten tatsächlich dem „Festspielniveau“ entsprochen haben und über die Stimmigkeit oder Sinnhaftigkeit des Programms wird dann zu lesen sein. So wie es im großen Salzburger Sommerwelttheater eben Tradition ist – und 2008 zum zweiten Mal unter der Intendanz von Jürgen Flimm passiert.

Chefsache. Der hat auch heuer wieder das Programm unter einem übergeordneten Motto zusammengeklammert. „Denn stark wie die Liebe ist der Tod“ heißt dieses und stammt aus dem Hohelied Salomos. Jedenfalls klingt es gut – und lässt auch sehr viel zu. Zumindest im Bereich Oper, der in Salzburg Chefsache ist. Fünf neue Opernproduktionen, eine Wiederaufnahme und ein „schräges Musiktheaterprojekt“ stehen dabei einem stolzen Paket an Schauspielprojekten sowie dem reichen Konzertprogramm gegenüber. Es ist ein buntes Musiktheaterbouquet, das Jürgen Flimm gesteckt hat und mit dem er das weite Feld zwischen Liebe und Tod großzügig auslotet.

Operngeschehen. Zur Eröffnung gibt es gleich Mozart: Regisseur Claus Guth zeigt dabei seine Sicht auf den „Don Giovanni“ und liefert damit seinen zweiten Streich in Salzburg ab. Bereits im Jubiläumstrubel von 2006 – noch in der Ära von Peter Ruzicka – hat er einen viel beachteten „Figaro“ inszeniert, 2009 wird dann noch „Così fan tutte“ folgen. Am Pult beim Salzburger „Don Giovanni“ steht der Chefdirigent des RSO Wien, Bertrand de Billy, der eine der beiden Wiener Fassungen dirigiert, was sicherlich für einige Überraschungen sorgen wird. Und auch der szenischen Auflösung darf durchaus entgegengefiebert werden, vor allem, da sich die Verantwortlichen in Salzburg dazu in dunkles Schweigen hüllen. Zu erwarten ist jedenfalls, dass in den Bühnenbildern von Christian Schmidt und in der Regie von Claus Guth das Mozart-Werk nicht als banales Wald- und Wiesenstück daherkommt.

Claus Guths Leporello, Erwin Schrott, ist übrigens nicht ganz unbeteiligt daran, dass eine weitere Produktion dieser Saison anders ausfällt als geplant. Gounods ­„Roméo et Juliette“, ein romantischer Schmeichler der süffigen Art, wird ohne die angekündigte Anna Netrebko auskommen müssen, die sich in die Babypause begeben hat. Der Vater des Kindes – nur für den Fall, dass es sich noch nicht rumgesprochen haben sollte – ist eben besagter ­Erwin Schrott. Als Netrebko-Ersatz springt nun die junge Georgierin Nino Machaidze ein und singt an der Seite von Roméo Rolando Villazón die Juliette. Für die Regie hat man den Broadway- und Musicalprofi Bartlett Sher verpflichtet. Weshalb wohl nicht zu er­warten ist, dass das Bad der Liebenden in Gounods Klängen durch ein Zuviel an Konzept gestört werden wird. Mehr Gedankenfutter wird da schon die Sicht von Jossi Wieler und Sergio Mora­bito auf Antonín Dvoráks Meisterwerk „Rusalka“ bieten. Am Pult steht dabei der designierte Musikdirektor der Wiener Staatsoper, Franz Welser-Möst, und zwar in seiner ersten Salzburger Opernproduk­tion. Sein Kollege Riccardo Muti ist dagegen Salzburger Stammgast und wird einen neuen „Otello“ von Verdi sowie die von Karel Appel kunterbunt ausgestattete „Zauberflöte“, eine Wiederaufnahme aus dem Mozart-Jahr 2006, dirigieren.

Neben einem musikalischen Jokus von Bernd Jeschek und Mnozil Brass, der unter dem Titel „Irmingard“ firmiert, kommt auch Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ in der Regie des designierten Chefs der Münchner Kammerspiele, Johan Simons, zur Aufführung. Die Ausstattung für dieses weitere Festival-Highlight besorgte übrigens ein aktueller Shootingstar der Kunstszene: Daniel Richter.
Wo die Musi spielt. Bartók gehört dann auch ein kleiner symphonischer Schwerpunkt, der sich durch das umfangreiche Konzertprogramm der heurigen Festspiele zieht. Markus Hinterhäuser ist seit letztem Jahr für diese Planung zuständig und wurde dafür von der Kritik mit höchstem Lob bedacht. Der Pianist Hinterhäuser baut dabei auf die wesentlichen Erfahrungen aus dem letzten Jahr und legt so in Analogie dazu auch heuer „Schubert-Szenen“ und den „Kontinent Sciarrino“ als thematische Achsen durch sein Konzertprogramm: Wichtig ist dem Salzburger Musikchef dabei, „mehr anzubieten als die Verlängerung einer Konzertsaison“.

Hinterhäuser will den Festspielsommer vor allem als „Gesamtzyklus“, der in sich thematisch verzweigt und verknüpft ist, konzipieren. „Heuer geht es um Liebe und Tod, und es wäre für mich das Schönste, wenn es dabei gelingt, eine Geschichte zu erzählen“, meint Markus Hinterhäuser. Es wird vor allem auch Musikerpaarungen geben, die so eben nur bei Festspielen möglich sind und über einen normalen Konzertabend hinausgehen. Daniel Barenboim und Lang Lang spielen etwa gemeinsam Klavier. „Besondere Programmkonstellationen sollen idealerweise neue ‚Hörsituationen‘ anbieten“, verdichtet Hinter­häuser seine Philosophie.

Bei einem Schwerpunkt über Liebe und Tod drängt sich natürlich auch Schubert auf. Wobei: Der Komponist „bekommt erst einen wirklichen Stellenwert, wenn sein Werk in unsere Zeit weitergedacht wird. Bei Schubert ist das zentrale Thema, das Gehen, das Wandern, auch ein Hinaustreten in eine andere Welt. Wenn man das ins Metaphysische dreht, wird es ein Hin­überschreiten in den Tod“, erzählt Hinterhäuser.

Tod und Jugend. „Kontinent Sciarrino“, jene Reihe, die dem Werk des italienischen Ausnahmekomponisten Salvatore Sciarrino gewidmet ist, hat bei der Oper „Luci mie traditrici“ ebenfalls Tod und Liebe zum Thema. Das Werk handelt vom Mord des Fürsten Carlo Gesualdo, dem genialen Komponisten, an seiner Frau und ihrem Liebhaber. Klaus Michael Grüber hätte die Aufführungen in der Kollegienkirche inszenieren sollen. Nach seinem Tod wird die deutsche Künstlerin Rebecca Horn neben der Ausstattung nun auch die Regie besorgen.

Zum besonderen Konzertereignis dürfte dann auch noch der Auftritt des Star­dirigenten Gustavo Dudamel werden, der am Pult steht, wenn das Simón Bolívar Youth Orchestra aus Venezuela einen seiner Auftritte hat. Und Jugend ist zwar kein sicherer, aber immer noch der gängigste Schutz vor Tod.

Von Stefan Musil