Herzileins Abrechnung

Nach der Abfuhr gegen Holland spricht Österreichs Teamkapitän Andreas Herzog erstmals über seine persönliche Krise, Stronachs Millionenoffert, seine Zeit als Wiener Würstchen und die drohende Fußballrente.

Format: Herr Herzog, Sie haben einmal gesagt, daß Fußball so ab der sechzigsten Spielminute am schönsten ist. Zu diesem Zeitpunkt sind Sie im Normalfall bereits unter der Dusche. Wie hoch ist derzeit Ihr Leidensdruck?

Herzog: Zugegeben, das Ländermatch gegen Holland ist völlig an mir vorbeigelaufen. Ich habe zum Hans Krankl auf dem Weg in die Kabine gesagt: „Trainer, nimm’ mich raus und bring’ statt mir einen Defensiven, um den Schaden zu begrenzen, sonst kriegen wir weitere drei Tore.“

Format: Für den Teamkapitän ist das keine übertrieben kämpferische Ansage.

Herzog: Ich bin momentan mit meiner gesamten Situation total unzufrieden. Ich bin zu Rapid zurückgekommen und habe an mich selbst riesige Erwartungen gestellt, die ich überhaupt nicht erfüllen konnte. Ich habe mir gedacht, die österreichische Liga ist schwächer als die deutsche, da machst du schon deine Tore. Ich bin zu einem Tabellennachzügler gestoßen und wollte alle pushen – statt dessen habe ich mich angepaßt.

Format: Inwiefern?

Herzog: Ich habe meine Torgefährlichkeit verloren und kann Spiele nicht mehr im Alleingang entscheiden. Früher habe ich die Sachen instinktiv richtig gemacht, jetzt denke ich zuviel, deshalb mache ich oft das Falsche. In einem Team, das meinem Spielstil entgegenkäme, täte ich mir sicher leichter. Ich bin enttäuscht, daß wir bei Rapid so wenig Kombinationsfußball spielen.

Format: Ihr Spielwitz in allen Ehren – Faktum ist jedoch, daß die rein offensiv orientierten Spielmacher klassischen Zuschnitts auch in internationalen Spitzenmannschaften längst schon auf verlorenem Posten stehen.

Herzog: Stimmt schon, es wird für meinesgleichen immer schwieriger. Vor zehn Jahren konnte ich mir den Ball noch im Mittelfeld stoppen, schauen und dribbeln; dafür sind die Räume jetzt viel zu eng. Vielleicht bin ich von meiner Spielanlage her ein Fossil, aber ganz sicher kein nutzloses.
Format: Weckt es nicht Mißgunst und Neid in der Mannschaft, wenn Sie Ihre Defensivaufgaben auf ein Minimum beschränken?

Herzog: In einer intelligenten Mannschaft nicht. Es hat doch keiner etwas davon, wenn ein Herzog neunzig Minuten hinten herumgrätscht und nach vorne nichts zusammenbringt. Otto Rehagel, mein Trainer bei Bremen, hat es einmal so formuliert: „Jungs, ihr wißt, wenn das Schiff knapp vorm Sinken ist, müßt ihr alle runter in den Maschinenraum Kohle nachlegen, nur der Andi steht vorne an der Reling und schaut, ob Land in Sicht ist.“ Ich wußte, ich bin der Freitänzer, der nach vorne alle Freiheiten hat. Und die anderen wußten, wenn der Eierkopf da vorne einen guten Job macht, ist uns allen geholfen. Heute dürfte ich bestenfalls in der Regionalliga den Freigeist spielen – deswegen arbeite nun eben auch ich für die Hintermannschaft.

Format: Der Freitänzer wirkte in den letzten Monaten allerdings nicht gerade spritzig und austrainiert. Woran liegt das?

Herzog: Man kann eben einen älteren Spieler so trainieren, daß er fit wird, und so, daß er hin wird.

Format: Ist das eine Anspielung auf Ihren Ex-Trainer Lothar Matthäus?

Herzog: Wie kommen Sie darauf? Das ist eine ganz allgemeine Feststellung. Immer wieder wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt, ich hätte angezettelt, daß wir absichtlich verlieren, damit der Matthäus wegkommt – so ein Blödsinn. Ich bin wegen Erfolgsprämien und Champions League gekommen, da werde ich nicht gegen den Trainer spielen, damit ich am Ende gar nichts verdiene. Auch wenn das jetzt unverschämt klingt: Im Verhältnis zu dem, was ich
im Erfolgsfall hätte bekommen können, habe ich im letzten Jahr fast gar nichts verdient.

Format: Selbst Ihr Vereinstrainer Josef Hickersberger – der sonst nicht gerade als scharfzüngiger Formulierer gilt – meint, daß Sie sich im Spätherbst Ihrer Karriere befänden. Wann beginnt der Winter?

Herzog: Ich kann nicht sagen, wann ich aufhöre. Ich weiß, daß ich nicht mehr die Topform habe, die ich mit achtundzwanzig hatte – aber die Kritiker, die sagen, der alte Herzog soll sich schleichen, die sind mir Wurscht. Solange ich Spaß habe, können die sagen und schreiben, was sie wollen. Nur einer entscheidet, wann genug ist – und das bin ich.

Format: Haben Sie denn als international erfolgreichster Fußballprofi Österreichs Angst vor dem Pensionsschock?

Herzog: Angst wäre das falsche Wort. Aber natürlich weiß ich, daß es ganz schwierig wird, nach neuen Zielen und Träumen zu suchen – ich muß immer auf einen neuen Traum hinarbeiten, sonst lebe ich umsonst. Mein letzter fußballerischer Traum wäre, mit Rapid noch einmal Meister zu werden – doch das bleibt wohl ein Wunschtraum.

Interview: D. Pesendorfer

Das ausführliche Interview lesen Sie im neuen FORMAT.