Endstation für Julius Meinl V.: Der Einfluss bei MIP und MAI scheint endgültig verloren

Die drei „Melkkühe“ MEL, MIP, MAI ist Julius Meinl bald los. Das System Meinl ist Geschichte. Die Affäre ist für Meinl damit aber noch nicht zu Ende. Auch die Staatsanwaltschaft redet mit.

Erich Halatschek, Miteigentümer und Aufsichtsratspräsident von Habau, einem der größten Baukonzerne des Landes, ist bislang nicht als Querulant in Erscheinung getreten. Öffentlich nimmt der Unternehmer nie Stellung. Der Oberösterreicher wirkt zurückhaltend und besonnen. Doch die Ereignisse rund um den Fall Meinl sind ihm an die Nieren gegangen. Ihm ist schlicht der Kragen geplatzt. Halatschek besitzt ein Haus am Wiener Europaplatz gegenüber dem Westbahnhof, am Dach eine große Leuchtreklametafel, die er derzeit für Parolen nutzt wie „Der Staatsanwalt hat Mitschuld“. Außerdem hat er einen Brief an Justizministerin Maria Berger und SP-Justizsprecher Hannes Jarolim geschickt, in dem er die Verhängung der Untersuchungshaft für „sämtliche Mitglieder der Geschäftsführung der MEL (Meinl European Land)“ fordert.

Halatschek ist ein geschädigter Meinl-Anleger wie viele Tausende andere auch. Für den Bauunternehmer, der ein großes MEL-Paket besitzt, sind die Kursverluste der Papiere aber wenigstens nicht existenzbedrohend. Andere haben mehr Sorgen. „Der Fall MEL war ein Anschlag auf den kleinen Mann. Es wurden einige Existenzen ruiniert“, weiß Anlegervertreter Wilhelm Rasinger. Was sich diese Leute jetzt wünschen, ist Schadenersatz und die Bestrafung der Verantwortlichen für ihr Desaster.

Aktionäre vollziehen Trennung von Meinl. Der erste Schritt ist vollzogen. Seit dem vergangenen Mittwoch hat die MEL mit der Meinl Bank nichts mehr zu tun. Bei einer außerordentlichen Hauptversammlung auf der Kanalinsel Jersey stimmten die leidgeprüften Zertifikatsinhaber der Übernahme von Meinls Managementgesellschaft durch die MEL selbst zu. Gleichzeitig wurde die Kapitalerhöhung abgesegnet, mit der die israelische Gruppe CPI/Gazit 30 Prozent der MEL-Anteile erwarb. Meinl ist draußen. Und das wird er demnächst auch bei MIP (Meinl International Power) und MAI (Meinl Airports International) sein, die beide ihre Hauptversammlungen am 28. Juli abhalten. Das System Meinl ist endgültig explodiert. Seit 2003 hat die Meinl Bank über 700 Millionen Euro von ihren drei „Melkkühen“ abgesogen, gut 60 Millionen könnten bei MIP und MAI noch dazukommen. Dem ­stehen für die Anleger fast fünf Milliarden Euro an Kursverlusten gegenüber. Das Geschäftsmodell war von Anfang ganz wesentlich aufs Abzocken angelegt. Die MEL baute wenigstens noch Immobiliensubstanz auf. Ein paar Jahre gab es nette Profite, allerdings zu 80 bis 90 Prozent aus Aufwertungsgewinnen. Wie das bei MIP und MAI – bis zuletzt nicht viel mehr als leere Hüllen – funktionieren hätte sollen, muss Meinl nicht mehr beweisen. Für ihn bleiben die Selbstbedienungsläden künftig geschlossen.

Was ihm bleibt, sind ein zerstörtes Image und eine stark geschrumpfte Meinl Bank, die künftig nur noch ein Fünftel ihres bisherigen Ergebnisses erzielen wird. Was ihm drohen könnte, sind ein Strafprozess (S. 39) und ganz sicher saftige Schadenersatzklagen. An Letzteren arbeiten Dutzende Anwälte derzeit fieberhaft. Noch im Sommer sollen die ersten Klagen eingebracht werden, sagt Advokat Wolfgang Hasliner, der runde 200 MEL-Anleger vertritt. Die Papiere der drei börsennotierten Meinl-Gesellschaften wären wegen der Finanzmarktkrise jedenfalls gefallen. Aber dass Julius Meinl durch Zertifikatsrückkäufe über windige Konstruktionen den MEL-Kurs stützen wollte und dass er in einem Anflug von Größenwahn mit der MIP nochmals abcashen wollte, nachdem die Krise schon ausgebrochen war: das fällt ihm jetzt auf den Kopf. Auch sein desaströses Krisenmanagement passt ins Bild maßloser Arroganz. „Ich kann eine Krise im Sinne der Anleger lösen oder ihnen noch schnell das Weiße aus den Augen holen“, ätzt ein mit der Causa Vertrauter.

Auch Jersey-Behörde prüft jetzt. Eine wichtige Rolle in Meinls Konstruktionen spielte immer Jersey, wo die drei börsennotierten Gesellschaften ihren Sitz haben. Die Kanalinsel lockte bislang mit einer legeren Finanzaufsichtsbehörde. Doch gerade diese hat vor ein paar Tagen offiziell bestätigt, dass sie gegen die MEL und deren Managementgesellschaft MERE Untersuchungen eingeleitet hat. Im Zentrum dieser Untersuchungen stehen die umstrittenen Zertifikatsrückkäufe, die nicht über eine unabhängige Abwicklungsstelle vorgenommen wurden, sondern quasi freihändig über eine Firma Somal, die im Einfluss von Meinl steht. „Meinl hat Jersey immer als sicheren Hafen betrachtet. Er ist davon ausgegangen, dass die dortigen Behörden sich nicht für eine Gesellschaft interessieren, die auf der Insel keine Anleger hat. Da hat er sich eben getäuscht“, meint ein Kenner des Hauses Meinl. Stellt die Jersey-Aufsicht Fehler beim Rückkauf fest, würde das die Chancen von Schadenersatzklägern erheblich verbessern.

Für die Loslösung der MIP und der MAI von der Meinl Bank gibt es zwei Szenarien: Am 28. Juli findet entweder eine Trennung mit Abschlagszahlungen für die Managementgesellschaften statt oder ein totaler Bruch. Das hängt davon ab, ob die Rebellen rund um Investorenvertreter Alexander Proschofsky sowie einige internationale Hedgefonds wie Elliott Advisors und QVT siegen oder die „Gemäßigten“. MIP-Manager Hans Haider hat ein Paket geschnürt, das eine letzte Zahlung von 32 Millionen Euro an Meinl vorsieht. Eine ähnliche Summe soll für die MAI-Managementgesellschaft fließen.

Für Proschofsky, der derzeit rund 20 Prozent des Grundkapitals – darunter auch heimische Versicherungen, Investmentfonds und Privataktionäre – hinter sich vereinigen dürfte, ist das undenkbar: „Warum sollen wir 70 Millionen Euro zahlen, wenn eine Vertragsauflösung auch kostenfrei geht?“, fragt sich der umtriebige Investor.

Eine Anzeige Haiders stand im Raum. Zumindest bei der MIP sieht Proschofsky dafür gute Chancen, denn: „Durch den Bond-Kontrakt zwischen MIP und Meinl wurde jedenfalls ein Grund für eine außerordentliche Kündigung geschaffen.“ Damit meint er die im Nationalbank-Bericht unter Punkt 217 erwähnte Zahlung von nahezu 40 Millionen Euro von der MIP auf die Konten der Meinl Bank gegen Schuldverschreibung. Selbst für Hans Haider ist das eine heikle Sache: „Als ich von der Zahlung erfahren habe, habe ich sofort eine Rückabwicklung vorgenommen. Andernfalls wäre das in die Nähe der Untreue gekommen.“ Dem Vernehmen nach soll dafür einzig Board-Mitglied Karel Römer verantwortlich gewesen sein. Haider: „Ich habe damals meine Anwälte gefragt, ob ich den Tatbestand anzeigen muss. Da ich aber keine Angst haben musste, dass ich das Geld von der Meinl Bank wieder bekomme, habe ich von einer Anzeige Abstand genommen.“

FORMAT liegen exklusiv die Buchungsbestätigungen vor , wonach am 29. November 2007 rückwirkend zum 30. Juli vorerst 32,5 und in der Folge 7,37 Millionen Euro samt Zinsen in der Höhe von 587.000 Euro auf das MIP-Konto zurückflossen. Das Gesprächsklima ist durch diesen Vorfall jedenfalls schwer getrübt. Hat es ursprünglich noch so ausgesehen, als wollten Proschofsky & Co zumindest mit Ex-Verbund-Chef Haider weiter zusammenarbeiten, so bröseln nun auch diese Brücken. Wolfgang Vilsmeier, von den Rebellen als Board-Mitglied vorgeschlagen, meint: „Aufgrund der Resultate beim Verbund würde ich Haider haben wollen. Bei der MIP hat er bisher aber nichts Großartiges geleistet – sicher nicht.“ Auch Proschofsky ist von Haider enttäuscht: „Ich habe ihn auf der Hauptversammlung gefragt, ob es bei der MIP derartige Deals gegeben hat, und er hat verneint. Er hat also nicht die Wahrheit gesagt.“ Das will wiederum Haider nicht auf sich sitzen lassen: „Proschofsky hat nicht mich, sondern die Leute von der Meinl Bank gefragt.“

Das Aus kommt auch für KHG. Gleich, welche der beiden Gruppen sich durchsetzt: MIP-Manager Karl-Heinz Grasser wird seinen Job praktisch sicher verlieren. Kurz nachdem Haider erklärte hatte, Grasser wäre bei einer „MIP neu“ nicht mehr an Bord, meldete sich KHG zwar zu Wort und wollte von seinem Abschied nichts wissen. Aber Haider misst dem keinerlei Bedeutung bei: „Was Herr Grasser tun will, ist langsam irrelevant.“ Dem Vernehmen nach soll auch das Verhältnis zwischen Julius Meinl und seinem ehemals engen Freund Grasser merklich abgekühlt sein.

Bereits der kürzlich verstorbene Julius Meinl IV. hatte seinen Sohn gewarnt, dass er sich mit Grasser auch dessen Gegner aus Polit-Tagen hereinholen würde. Vor einer Woche wurde das Imageproblem eindrucksvoll bestätigt. Da titelte der „Kurier“ auf der Titelseite: „Betrugsverdacht gegen Meinl und Grasser“, obwohl die entsprechende Anzeige neun Monate alt ist. Hintergrund: Die Raiffeisen-Gruppe, zu der der „Kurier“ gehört, ließ jenen ÖVP-Granden, die KHG gerne in die Politik zurückholen würden, ausrichten, was sie davon hält. Überhaupt ist der Wahlkampf für Julius Meinl unangenehm. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim schießt sich voll auf die Affäre ein. Just in dieser Woche hielt er vor mehr als 100 Leuten die „1. Wiener Meinl- Geschädigten-Konferenz“ ab. Der Tenor: Es müssen endlich Köpfe rollen, und zwar schnell. Für diese Forderung hat sich Jarolim sogar mit seinem früheren politischen Erzfeind, Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer, verbrüdert.

Warnung vor Heuschrecken. Hans Haider weiß, wie eng die Abstimmung der Aktionäre am 28. Juli ausfallen könnte und legt sich deshalb ordentlich ins Zeug. Er warnt, dass unter den aufständischen Anlegern auch Heuschrecken sind, die MIP und MAI für den eigenen Profit zerschlagen wollen: „Die Hedgefonds spielen einen harten Poker. Dass dabei Tausende Kleinanleger vor die Hunde gehen, ist ­ihnen völlig egal.“ Wolfgang Vilsmeier erklärt hingegen, wie es im Falle eines Sieges der Gegenseite weitergehen soll: „Bei MIP und MAI sind ja bei Weitem noch nicht alle Gelder in konkrete Projekte investiert. Wir prüfen daher alle Strategie-Optionen: Eine davon ist, ob die Rückzahlung der noch nicht investierten Gelder Sinn machen würde. Eine andere ist, dass wir schauen, ob die Gesellschaften in ihrem Bereich eine kritische Größe aus eigener Kraft erreichen könnten. Es gibt ja ähnliche, international aufgestellte Fonds, die weitaus größer sind. Mit denen könnte man eventuell gemeinsame Sache machen.“ Man werde auf jeden Fall im Sinne der Zertifikatsinhaber handeln.

Inseraten-Schlacht. Nicht nur Haider wirbt rund um die Uhr für sein Konzept für eine Zukunft ohne Meinl. Seit wenigen Tagen ersucht auch Louis Turpen, Chairman der MAI, mittels großflächiger Inserate in diversen Tageszeitungen um Unterstützung auf der Hauptversammlung. Die Meinl Bank antwortet mit Anzeigen auf die vielen Vorwürfe. Wie viel sie sich die Kampagne kosten lässt, wird nicht verraten, nur so viel: „Die Inserate von MAI und MIP werden nicht von der Meinl Bank bezahlt“, sagt Meinl-Bank-Vorstand Peter Weinzierl. Die gesamte Inseratenoffensive rund um die Meinl-Causa dürfte nach Informationen von FORMAT 50.000 Euro pro Tag verschlingen. Julius Meinl schießt auch schnell mit Klagen. Zuletzt hat es die Finanzmarktaufsicht (FMA) und Kleinanlegervertreter Wilhelm Rasinger erwischt. Der Vorwurf: Die FMA habe das Amts- und Bankgeheimnis gebrochen, indem sie den Nationalbankbericht über die Gebarung der Meinl Bank an die Medien weitergegeben habe. Rasinger habe Teile des Berichts auf seiner Homepage veröffentlicht.

Der Anwalt von MEL-Anleger Erich Halatschek sieht für Meinl Chancen im Filmbusiness: „Einer meiner Mandanten bereitet gerade ein Filmdrehbuch vor.“ In einem Schreiben an die MEL-Manager heißt es: „Mein Mandant hat mich beauftragt, Ihnen bzw. Herrn Meinl das Erstkaufrecht für das Drehbuch anzubieten, zu einem Schnäppchenpreis von 280 Millionen Euro und mit einer Beteiligung am Einspielergebnis.“ Bei dem Filmkonzept soll es sich um einen Thriller handeln. Der Protagonist ist der Kleinbanker Maximilian Schweindl von der gleichnamigen Schweindl Bank.

Von Angelika Kramer, Waltraud Kaserer