Eins vor zwölf für Europas Stromversorgung
Der Stromausfall am 4. November zeigt, wie fehleranfällig das europäische Netz ist. Wie verbessert Österreich seine Stromversorgung?
Wir von der E-Wirtschaft warnen seit Jahren davor, dass die Grenzen der Machbarkeit bald erreicht sein werden. Und wir bemühen uns beständig um die Modernisierung des Stromnetzes und des Kraftwerksparks. In den kommenden Jahren plant der Verbund Infrastrukturinvestitionen von rund zwei Milliarden Euro. Wir scheitern aber immer wieder daran, dass die Politik vor unpopulären Entscheidungen zurückschreckt. Die Blackouts der vergangenen Jahre und damit auch jener vom 4. November kommen daher für uns nicht wirklich überraschend. Es war klar, dass es passieren würde. Fraglich war nur der Zeitpunkt.
Seit nicht weniger als 22 Jahren bemüht sich der Verbund intensiv um die Realisierung des Österreich-Rings auf 380-kV-Hochspannungsebene. Die Genehmigung für den Bau des wichtigen Teilstücks Steiermark-Leitung ist jedoch weiterhin ausständig. Dabei ist allseits bekannt, dass viele der Leitungen in Österreich älter als vierzig Jahre sind und sich der Stromverbrauch seither vervierfacht hat. Es ist bildlich gesprochen so, als wären wir mit unserem heutigen Verkehrsaufkommen auf den Straßen der 1950er Jahre unterwegs.
Die alleinige Schuld an der Situation auf Brüssel zu schieben, geht an der Realität vorbei. Auch nationale Gesetzgeber und lokale Widerstände tragen ein gerüttelt Maß an Verantwortung. Nicht zuletzt hat die Raumplanung bei heute so lebensnotwendigen Infrastruktureinrichtungen versagt. Bei allem Verständnis für die Anrainer von Stromleitungen: Wer die Edelenergie Strom tagtäglich nutzt, sollte auch einsehen, dass wir sie nur mit moderner Infrastruktur effizient zum Verbraucher bringen können.
Die Stromdienstleister sind bereit zu Milliarden-Euro-Investitionen. Es bedarf allerdings eines Schulterschlusses auf europäischer und nationaler Ebene, um den potenziellen Investoren Rechtssicherheit zu geben und die Verfahren entscheidend zu beschleunigen. Noch ist es möglich, ein Stromchaos kontinentalen Ausmaßes zu vermeiden. Die Zeiger der Uhr für Europas Stromversorgung stehen allerdings auf eins vor zwölf.