Die kranke Partei

Reichholds Kampf: Der FPÖ-Chef spekuliert schon seit Wochen mit seinem Rücktritt. Die Entscheidung fällt noch in dieser Woche. Haiders Comeback: Nach der programmierten Wahlniederlage will Jörg Haider wieder an die Spitze der FPÖ zurückkehren. Das Ende von Schwarz-Blau: Die FPÖ ist weder inhaltlich noch personell in der Lage, die Koalition mit der ÖVP fortzusetzen.

Die Ärzte des Deutschordensspital Friesach gingen auf Nummer Sicher. Das Zimmer von FPÖ-Parteichef Mathias Reichhold wurde radikal abgerüstet. Keinerlei Unterhaltungselektronik sollte die Genesung des an Herzrhythmusstörungen leidenden prominenten Patienten beeinträchtigen. Radio und Fernseher wurden vorsorg-lich abtransportiert. Sein Handy mußte er umleiten, das Telefonieren war nur in äußersten Notfällen erlaubt. Lästige Journalisten wimmelten die Pressebetreuer im Vorfeld ab: keine Interviews, keine Fotos am Krankenbett. Besuch gab es nur von der Familie und – Jörg Haider. Der Landeshauptmann hatte sich schon am ersten Behandlungstag Zutritt verschafft, wenige Tage danach schauten Kärntens FPÖ-Chef Martin Strutz und Sozialminister Herbert Haupt vorbei.

Intrigen am Krankenbett
Neben aufmunternden Worten gab es vor allem Debatten über die nahe Zukunft Reichholds und die weitere Zukunft der FPÖ. Dienstag vormittag hatten sich alle Beteiligten auf die weitere Vorgangsweise verständigt. Reichhold wirft auf Drängen von Ärzten, Familie aber auch von Teilen der Parteispitze das Handtuch, sein Stellvertreter Haupt soll in der finalen Wahlkampfphase an der Spitze der Partei stehen. Haupt, so die internen Überlegungen, habe kein Problem, am 24. November den Kopf hinzuhalten, wenn es darum geht, vor laufenden Kameras den blauen Super-GAU, einen Absturz in der Wählergunst auf rund zehn Prozent, zu erklären.

Am Tag nach der Wahl gehe es ohnedies nur noch darum, alles für die Rückkehr Jörg Haiders vorzubereiten. Obwohl auch Haupt in den vergangenen Tagen alles daran setzte, um den Ex-Obmann schon zum Comeback vor dem Wahltag zu überreden, akzeptiert die Parteispitze Haiders standhafte Weigerung. Er könne, sagte Haider im kleinen Kreis, der Partei in Zukunft effektiver helfen, wenn er nicht allzusehr mit dem desaströsen Wahlergebnis in Verbindung gebracht werde. Sein Ziel sei ein erfolgreicher Wahlkampf in Kärnten, mit einem guten Ergebnis lasse sich die Rückkehr leichter argumentieren.

Plakate für Reichhold
Für die breite Öffentlichkeit war die Meldung über den vereinbarten Reichhold-Rücktritt bei

Redaktionsschluß vergangenen Dienstag abend noch nicht bestimmt. Es gibt noch immer Stimmen in der FPÖ, die den angeschlagenen Minister zum Durchhalten bewegen wollen. Reichhold sei ebenso wie Haupt befähigt, die progammierte Niederlage einzufahren und an Jörg Haider zu übergeben, sozusagen als idealer Crash-test-Dummie. Zudem sprächen für den rekonvaleszenten Kärntner ganz pragmatische Gründe. Lapidare Erklärung eines Vorstandsmitglieds: „Wir haben ja schließlich alle Plakate mit ihm gedruckt und aufgehängt.“ Eine endgültige Entscheidung wird Ende dieser Woche erwartet.

Führungslos in die Wahl
Drei Wochen vor der Nationalratswahl am 24. November steckt die einst erfolgsverwöhnte Partei in der schwersten Krise seit der Machtübernahme Jörg Haiders 1986. Nach dem Bruch der schwarz-blauen Wendekoalition taumelt die Nochregierungspartei immer rasanter in Richtung politisches Off. Der FPÖ könnte es gelingen, daß sie in drei Wochen jenes Wahlergebnis einfährt, mit dem Jörg Haider vor 16 Jahren seinen beispiellosen Aufstieg begonnen hatte – 9,7 Prozent. Der Trend ist jedenfalls eindeutig, die Umfragewerte signalisieren kein Ende der Abwärtsbewegung.

OGM erhebt für FORMAT aktuell gerade 13 Prozent der Stimmen, ein Minus von 14 Prozent gegenüber dem 27-Prozent-Ergebnis bei der Nationalratswahl 1999. Ein einstelliges FPÖ-Resultat am Wahltag wird von Demoskopen und politischen Beobachtern angesichts der aktuellen Ereignisse nicht mehr ausgeschlossen.

Mathias Reichhold konnte das dramatische Abrutschen in der Wählergunst nicht stoppen. Im Gegenteil: Seit der Biobauer am 21. September im burgenländischen Oberwart mit 92,2 Prozent der Delegiertenstimmen zum Nachfolger von Susanne Riess-Passer gewählt wurde, verschlimmerte sich die Lage im Tagesryhtmus. Vorläufiger Höhepunkt war der Abtransport des Spitzenkandidaten ins Krankenhaus. Aus einem Marathonläufer, der noch am 24. August 2002 in einer Stunde und 46 Minuten (einem Kilometerschnitt von knapp fünf Minuten) 21 Kilometer lang um den Wörthersee gerannt war, machte die Rolle des freiheitlichen Parteiobmannes in wenigen Wochen einen Fall für die Intensivmedizin.

Suche nach dem Ausweg
Reichholds Niedergang hatte sich zuletzt bereits deutlich abgezeichnet. In den Tagen vor dem endgültigen Zusammenbruch im heimatlichen Bauernhof spielte der blaue Obmann fast täglich mit dem Gedanken zurückzutreten.

Autoren: Klaus Dutzler, Holger Fürst

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