Die Chancen der SPÖ auf Platz eins rücken gegen null

Hat die SPÖ zehn Tage vor der Wahl noch eine Chance, den Rückstand auf die ÖVP aufzuholen?

Durch den Bawag-Skandal – ein Geflecht aus übersteigerter Spekulationssucht, atemberaubender Geldvernichtung, konspirativer Vertuschung, Verpfändung des Gewerkschaftsvermögens und Beinahe-Konkurs des ÖGB – wurden bereits im Vorfeld des Wahlkampfes die politischen Karten neu gemischt. Der seit Auffliegen des Skandals in allen Umfragen messbare dreiprozentige Vorsprung der ÖVP ist unmittelbar auf das politische Erdbeben dieses Skandals rückführbar und hat eine siegessichere SPÖ plötzlich in die Defensive gedrängt, aus der sie nur wenige hochsommerliche Wochen ansatzweise herauszufinden schien. Dass der Bawag-Skandal in den letzten und entscheidenden Wochen neuerlich in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt ist, wird sich vermutlich auch im Wahlergebnis niederschlagen. Mehrere Effekte werden in Summe dafür sorgen, die Chancen der SPÖ, doch noch den ersten Platz zu erobern, aus heutiger Sicht gegen null zu rücken.
 
Wird die öffentliche Themenlandschaft in der Schlussphase eines Wahlkampfes von einem starken Thema dominiert, orientieren sich noch unentschlossene Wähler bei ihrer Entscheidungsfindung an den Positionen und Erscheinungsbildern der Parteien in diesem Themenfeld. Es gibt aber auch den thematischen Verdrängungseffekt: Wird die öffentliche Themenlage von einem Defensivthema dominiert, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass für offensive SPÖ-Themen nur wenig Raum und Nachfrage bestehen. Die SPÖ wird zum Verlierer einer Themenlandschaft, in der ihre oppositionellen Angriffs- und Kompetenzthemen nur als Punktmeldungen aufscheinen. Dazu kommt noch der Aktivierungseffekt: Die Prominenz des Bawag-Themas verstärkt Zweifel bei denen, die die SPÖ ohnehin nur halbherzig präferieren bzw. nur mit erheblichen Vorbehalten zu wählen bereit sind. Die Stimmen dieser skeptischen, mit dem personellen wie programmatischen Angebot der SPÖ teilweise unzufriedenen Wähler werden dabei nicht in Scharen direkt zur ÖVP wandern, sondern sich in Richtung der Parteien der Unzufriedenen (FPÖ, Liste Martin, in Spurenelementen auch zum BZÖ) absetzen.