Vom Lehrling zum Deutsche-Bank-Chef: Christian Sewing
Christian Sewing soll es richten. Der 47-jährige bisherige Chef des Privat- und Firmenkundengeschäfts der Deutschen Bank soll als neuer Vorstandschef das Institut nach drei Verlustjahren wieder zurück auf Erfolgskurs führen. Sewing löst John Cryan ab.

Erneuter Führungswechsel bei der verlustreichen Deutschen Bank nach nur knapp drei Jahren: Christian Sewing, bisher Vize-Vorstandschef und Verantwortlicher für das Firmen- und Privatkundengeschäftr rückt an die Spitze der Bank. Die Deutsche Bank hat nach einer mehrere Stunden dauernden Aufsichtsratssitzung am 8. April in Frankfurt eine entsprechende Mitteilung veröffentlicht.
Der 47-jährige Sewing begann seine Karriere seinerzeit als Lehrling bei der Deutschen Bank. Bis auf ein zweijähriges Intermezzo bei der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank verbrachte er sein ganzes Berufsleben bei der Deutschen Bank. Von der Ausbildung als Bankkaufmann über ein berufsbegleitendes Studium an der Bankakademie in Bielefeld und Hamburg führte ihn sein Weg bis in das oberste Führungsgremium. Seit 2015 sitzt der Manager im Vorstand des Instituts. Im vergangenen März wurde er ebenso wie Marcus Schenck, der das Investmentbanking verantwortet, zum stellvertretenden Vorstandschef befördert.
Der bisherige Chef, John Cryan, legt das Amt mit sofortiger Wirkung nieder und verlässt die Bank Ende April. Paul Achleitner, der österreichische Aufsichtsratschef der Bank, erklärze in einem Statement, der Aufsichtsrat sei nach einer umfassenden Analyse zum Schluss gekommen, "dass es nun eine neue Umsetzungskraft in der Führung unserer Bank braucht". Christian Sewing habe in seinen mehr als 25 Jahren bei der Deutschen Bank konstant Führungsstärke und Durchsetzungskraft bewiesen. "Der Aufsichtsrat ist überzeugt, dass es ihm und seinem Team gelingen wird, die Deutsche Bank erfolgreich in eine neue Ära zu führen."
Sewings Karriere
Erfahrungen im Ausland sammelte Sewing unter anderem in Singapur, Toronto, Tokio und London. Er arbeitete im Risikomanagement und kennt daher auch das Investmentbanking - aktuell das Sorgenkind des Konzerns. Gemeinsam mit Postbank-Chef Frank Strauß verantwortet der neue Steutsche-Bank-Vorstandschef auch die Integration der Bonner Tochter in das Privat- und Firmenkundengeschäft des Konzerns, nachdem ein ursprünglich geplanter Verkauf im vergangenen Jahr kassiert worden war.
Sewing schreckt nicht vor harten Einschnitten zurück. Die endgültigen Zahlen stehen zwar noch nicht fest, aber ohne Stellenabbau wird es nicht gehen, hat er bereits klar gemacht. Sewing betonte in einem Mitarbeiterbrief: "Wir wissen, dass wir uns hinsichtlich der Ertrags-, Kosten- und Kapitalstruktur weiter verändern müssen." Sewing machte klar, dass die gesamte Bank, aber vor allem die Investmentbanker, den Gürtel künftig enger schnallen müssen. Das Führungsteam werde nicht mehr akzeptieren, dass Ziele auf der Kosten- und Ertragsseite verfehlt würden. So sei es "nicht verhandelbar", dass die bereinigten Kosten in diesem Jahr 23 Milliarden Euro nicht übersteigen dürfen. "Rückschläge wie im vierten Quartal 2017 dürfen sich unter keinen Umständen wiederholen." Die Messlatte müsse in allen Geschäftsbereichen höher gelegt werden. "Unser Start in das Jahr war solide, aber 'solide' darf nicht unser Anspruch sein."
Kernfrage ist, wie stark das Kapitalmarktgeschäft - einst Ertragsperle der Bank - künftig noch sein wird. Das Institut hat bereits damit begonnen, diese Aktivitäten im Handel mit Aktien, Anleihen, Devisen und Rohstoffen auf den Prüfstand zu stellen - vor allem in den USA.
Sewings wichtigster Mann auf diesem Weg ist der Südafrikaner Garth Ritchie, der im Zuge des Vorstandsumbaus einer seiner beiden neuen Stellvertreter ist und zugleich die Investmentbank künftig alleine leitet. Ritchie ist seit Jahrzehnten bei der Bank und hat als einer der wenigen Händler die Finanzkrise ohne Blessuren überstanden. Der 49-Jährige hatte bisher gemeinsam mit Marcus Schenck das Investmentbanking geleitet, Schenck will die Bank zur Hauptversammlung im Mai verlassen. Der Rechtsvorstand Karl von Rohr und der Kapitalmarktvorstand Garth Ritchie rücken auf die Posten der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden.
Meuternde Aktionäre
Sewing steht unter enormem Erwartungsdruck - sowohl von Aktionären und Mitarbeitern, als auch vonseiten der Politik und der Regulatoren. So erklärte etwa der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider: "Christian Sewing ist in der Bank verwurzelt und kennt ihre Stärken und Schwächen. Er hat eine enorme Aufgabe vor sich, die für den Standort Deutschland und unsere exportorientierte Industrie von großer Bedeutung ist."
In knapp drei Jahren an der Spitze des Dax-Konzerns war es Sewings Vorgänger Cryan nicht gelungen, das schwächelnde Kapitalmarktgeschäft anzukurbeln - den einstigen Gewinnbringer. Drei Jahre in Folge schrieb die Bank tiefrote Zahlen. Die Aktie (ISIN DE0005140008) hat alleine seit Jahresbeginn mehr als ein Viertel an Wert verloren.

Deutsche Bank Aktie ISIN DE0005140008; Stand vom 9.4.2018: 11,83 €. Für aktuelle Kursinformationen klicken Sie bitte auf den Chart.
Das Papier ist allerdings schon länger unter Druck. Über die letzten fünf Jahren gerechnet liegt der Verlust per anno bei 15,7 Prozent, über die vergangenen drei Jahre - die Ära Cryan - sogar bei über 26 Prozent pro Jahr. Als Folge der Umbesetzung im Vorstand zog die Aktie an und legte um gut vier Prozent zu.
Aufsichtsratschef Achleitner hatte den als Sanierer geschätzten früheren UBS-Finanzchef Cryan zur Deutschen Bank geholt. Zuletzt galt das Verhältnis zwischen den beiden aber als zerrüttet. Vor Ostern hatte sich der Brite noch mit einer kämpferischen Botschaft an die Belegschaft gewandt und damit klargemacht, dass er bleiben will. Der Vertrag des Briten wäre regulär bis 2020 gelaufen. Investoren haben Cryan oft vorgeworfen, er sei zwar ein Kostensparer, habe aber keine Vision, wie die Deutsche Bank wieder Geld verdienen könne.
Der Vorstandsumbau löst aber den seit Jahren tobenden Streit um die richtige Strategie nicht. Auf der Hauptversammlung am 24. Mai in Frankfurt erwartet den Achleitner deshalb wieder einmal - viel Kritik der Aktionäre. Verbale Breitseiten kassierte Achleitner nach dem Führungswechsel in der Bank unter anderem vom mächtigen Aktionärsberater Hermes Investment Management, auf den zahlreiche große Pensionskassen und andere institutionelle Investoren hören. Dessen Chef Hans-Christoph Hirt forderte Antworten. "Die Ernennung von Christian Sewing ist der dritte Chefwechsel während seiner (Achleitners) sechsjährigen Amtszeit. Warum musste jetzt ein neuer Chef ernannt werden? Was bedeutet der Chefwechsel für die Strategie der Bank, und insbesondere die Investmentbank, und ihre Umsetzung?"