US-Börsen: So schätzen Experten die Chancen ein

Die große Frage für US-Anleger ist derzeit, ob die Steuerreform bereits eingepreist ist oder ob die Märkte noch Potential haben. Trend.at sprach darüber mit Experten der Investmentgesellschaften Nordea und JPMorgan - mit unterschiedlichem Ergebnis.

US-Börsen: So schätzen Experten die Chancen ein

Privatanleger in den USA sind euphorisch wie lange nicht. Die Experten sind über die künftige US-Aktienperformance geteilter Meinung.

Von den Börsen in den USA überschlagen sich Meldungen über Rekordhochs. Jüngster Kurszenit im Dow Jones: 26.215 Punkte. Der breitere S&P 500-Index ist seit seinem Tief im März 2009 um mehr als 300 Prozent gestiegen. Das Kurs/Gewinn-Verhältnis ist damit deutlich über dem Zehnjahresdurchschnitt.

Die jüngsten Kursanstiege haben unter Privatanlegern zu einer regelrechten Euphorie geführt. Nur noch 15 Prozent der privaten US-Investoren glauben, dass investieren am US-Aktienmarkt riskant ist. Das lässt bei so manchem Experten die Alarmglocken läuten. Für sie ist das ein Indikator für eine bevorstehende Konsolidierung. Immer mehr Investoren fragen sich deshalb auch wie lange das noch gut gehen kann. Vor allem nach dem starken Börsenjahr 2017 - beflügt von den Steuersenkungsplänen US-Präsident Donald Trump.

Und seit Ende 2017 ist es fix. Trump hat Gesetze für die größte Steuerreform seit mehr als 30 Jahren unterzeichnet. Bei diesem Paket sollen private Haushalte vorübergehend und Unternehmen dauerhaft finanziell entlastet werden. Die Steuern für Unternehmen sollen um 14 Prozent auf 21 Prozent sinken. In einigen Fällen dürften die Profite der Unternehmen dadurch sogar um bis zu 30 Prozent steigen. Diese neue Gewinnschub hat den US-Börsen seit Ende des Vorjahres noch einmal einen weiteren kräftigen Boost beschwert.

Gewinnerwartungen angehoben

Die Steuersenkung sorgt bereits für eine Welle positiver Gewinnrevisionen. So sind beispielsweise bei 25 der 30 Unternehmen des Dow Jones-Index die Gewinnerwartungen nach oben revidiert worden.

Die große Frage ist jedoch, ob die Steuersenkungen, die nun sowohl für Unternehmen als auch für privaten Haushalte in großem Umfang beschlossen wurden, bereits in den Kursen eingepreist sind und wie nachhaltig das Wirtschaftswachstum dadurch beflügelt wird.

Vier Prozent Wirtschaftswachstum in den Kursen bereits eingepreist

"Die Hürden für positive Überraschungen an den Börsen, auch in den USA, sind wesentlich höher als noch vor einem Jahr als die Anleger sorgenvoll auf 2017 blickten", dämpft Witold Bahrke, Global Macro Stratege des nordischen Investmenthauses Nordea hohe Erwartungen. „Der Markt antizipiert bereits ein starkes Wachstum in den USA und global“, so der Nordea-Volkswirt und warnt: "Die Anleger überschießen derzeit mit ihrem Optimismus. Bahrke: "Das Kursniveau entspricht einem Wirtschaftswachstum von vier bis fünf Prozent.“ Doch davon ist keine Rede. So wächst auch die USA, wie alle Regionen der Industrieländer 2018 zwar laut JP Morgan über dem Trend und laut Prognosen heuer um 2,3 Prozent. Die Eurozone voraussichtlich um zwei Prozent. Bahrke: "Wir erwarten dennoch, dass sich das globale Wachstum und auch jenes in den USA in der ersten Jahreshälfte auf hohem Niveau hält, sich dann aber langsam abschwächt."

Zu geringer Konsum, um Investitionen anzukurbeln

Nordea-Ökonom Bahrke ist auch skeptisch, was die Nachhaltigkeit der US-Steuerreform betrifft. „Die private Konsumnachfrage in den USA ist nach wie vor auf relativ niedrigem Niveau“. Selbst die guten Zuwächse bei den Autokäufen in den USA sind trügerisch. Nicht Private sorgten für steigende Nachfrage, sondern Mietwagenfirmen. Sie haben sich zu hohen Rabatten und günstigen Finanzierungen, mit Autos eingedeckt. „Solange die Konsumnachfrage nicht anspringt, werden die Unternehmen durch die Steuerreform erzielten Extragewinne nur zu einem geringen Prozentsatz in Investitionen fließen lassen, sondern weiterhin in Aktienrückkäufe“, argumentiert Bahrke - womit die Reform nicht nachhaltig wäre. Der US-Konsum, der seit 2015 auf niedrigem Niveau verharrt, könnte einen weiteren Dämpfer halten. "Wenn die Notenbank die Zinsen heuer stärker anzieht, könnte sich das auf die Kauflaune der US-Konsumenten schlagen. Zu denken gibt Bahrke auch die derzeit niedrige Arbeitslosigkeit, die niedrigste in den USA seit 1970. "Sie könnte bei einer heißgelaufenen Konjunktur zu einem Inflationsschock führen."

Wachstum über dem Trend

Ein wesentlich optimistischeres Bild zeichnet Tilmann Galler, Marktstratege bei JP Morgan Asset Management, der für einen Vortrag in Wien war und trend.at für ein Gespräch zur Verfügung stand. Er sieht das Umfeld für weiteres Wachstum und Kurszuwächse positiver. Er glaubt, zwar auch, dass viele positive Szenarien bereits eingepreist sind. Die Steuerreform würde die Investitionen aber dennoch merklich ankurbeln und die Steuersenkungen für Private den Konsum merklich stützten. Laut seinen Prognosen wird das US-BIP heuer dadurch um 0,5 Prozent steigen.

Geringer Inflationsdruck

Die Inflation zeigt nach Einschätzung von JP-Morgan Experten Tilmann allerdings wenig Anzeichen eines Anstiegs. In die USA stieg diese zwar bereits höher als in vielen anderen Industrienationen und betrug zuletzt 2,2 Prozent. „Der Druck auf die Inflation bleibt aber moderat“, so Tilmann. Davon geht auch Nordea aus. Demnach dürfte die Kerninflation nur leicht anziehen.

In den nächsten 18 bis 24 Monaten alles im grünen Bereich

Neben der Zinsentwicklung und weiter steigender Unternehmensgewinne deuten nach Einschätzung von JP Morgan auch die hohe Zahl der Beschäftigten in den USA daraufhin, dass sich die Volkswirtschaft in einem sehr späten Zyklus befindet. Was allerdings für Anleger noch längst nicht bedenklich sei. „Mit all den Indikatoren im ‚grünen Bereich‘ wie Konsumentenvertrauen, Arbeitslosigkeit und hohe Gewinne ist es nicht zu erwarten, dass es in den nächsten 18 bis 24 Monaten eine Rezession geben sollte – so sollte auch das Kapitalmarktumfeld weiterhin gute Chancen bieten“, resümiert auch Portfoliomanager Preussner.

Hohe Gewinne beflügeln Kursphantasie

Besonders die hohe Gewinndynamik in die USA beflügelt die Phantasie der Asset Manager von JP Morgan. Die Gewinnentwicklung der US-Firmen ist weltweit auch weitaus am stärksten ausgeprägt, gefolgt von Japan, den Emerging Markets und weit abgeschlagen Europa, das gerade erst seit dem Vorjahr beginnt, wieder Gewinnzuwächse zu verbuchen.
Kein Land weist dementsprechend auch so hohe Aktien- Bewertungen wie die USA auf. Die Gewinne der Unternehmen werden laut den Konsensus-Schätzungen auch weiter steigen, wie auch die jüngsten Gewinnrevisionen zeigen. JPMorgen sieht auch deshalb aufgrund der hohen Bewertungen keinen Grund zur Sorge. „Das Gewinnmomentum ist weiterhin äußerst hoch“, so die Begründung Preussners. Für den S & P 500 erwartet er beispielsweise ein Gewinnwachstum von 13 Prozent, das durch den Steuereffekt eventuell sogar noch etwas höher ausfallen könne.
„Das beflügelt uns auch weiterhin für US-Aktien positiv gestimmt zu sein“. Und gemessen an der sogenannten Forward P/E-Ratio, also das durchschnittliche Kurs-Gewinnverhältnis der letzten 25 Jahre, seien die Bewertungen von US-Aktien nicht stark überzogen. So lag der 25-Jahresdurchschnitt bei 16, der aktuelle nach bei 18,2. "Die Kurse sind somit, gemessen am hohen Gewinnwachstum, nicht überzogen", so Christian Preussner, JPMorgan Portfoliomanager für US-Aktien.

Zwar ist auch der Nordea-Ökonom für US-Aktien weiterhin optimistisch, aber im 3. und 4. Quartal 2018 könnte der Zenit bei den Kursen erreicht sein. "Monetäre Straffungen werden das Wachstum im zweiten Halbjahr dämpfen."

Empfehlung für Banken, zyklische Konsumgüter, aber auch Value-Titel

Allerdings sei es laut JP Morgan sinnvoll, selektiv zu investieren, da beispielsweise viele IT-Werte oder der Gesundheitssektor im letzten Jahr bereits sehr gut gelaufen sind. Im Fokus stehen vielmehr Finanzwerte – und dabei nicht nur Banken, sondern auch Versicherungsgesellschaften oder Asset Manager sowie zyklische Konsumgüterhersteller. Nach einem starken „Growth“-Jahr 2017 sollten nach Einschätzung von Preussner in diesem Jahr insbesondere konservative „Value“-Titel aufholen. Und da Small Caps, also Aktien kleinerer Unternehmen, recht teuer scheinen, setzt der Experte stärker auf Mid- und Large Caps. „Mit einer aktiven Strategie lässt sich also vom spätzyklischen US-Markt profitieren“, so Preussner.

3,5 Prozent Zinsen als kritische Marke

Einen Schwenk der Anleger von Aktien in Anleihen erwartet JPMorgan erst ab dem Zeitpunkt, an dem die Leitzinsen auf 3,5 Prozent und höher steigen. Laut einer Umfrage des Finanzdienstleisters Bloomberg rechnen die befragten Experten bis 2021 nur mit einem US-Zinsanstieg auf zwei Prozent. Derzeit ist das Zinsniveau auf 1,5 Prozent. „Angesichts der geldpolitischen Wende wird es jedoch an den Börsen zu höheren Kursschwankungen kommen“, räumt der JPMorgan-Aktienexperte ein.

High-Yield-Anleihen: Kaufen! Verkaufen!

JPMorgan-Profi Tilman setzt auf High-Yield-Anleihen, Nordea-Mann Bahrke warnt davor. Tilmanns Begründung für seine positive Empfehlung: „Bei steigendem Wachstum und Aktien, profitieren auch dieserisikoreichere Anleihen“. Zudem hätten viele Firmen in der langen Niedrigzinsphase Schulden abgebaut. Bahrke rät von dieser Anlageklasse wiederum ab, da diese hochriskanten Anleihen, vor allem jene mit schlechter Bonität, von steigenden Zinsen als erster negativ betroffen sein würden. "Dieses Segment dürfte als erstes den geldpolitischen Gegenwind zu spüren bekommen", so sein Argument. Zudem sehe er bei Risikoaufschlägen für High Yield erste Zeichen einer Bodenbildung.

Ist Mitte nächsten Jahres die Party vorbei?

Insgesamt könnte starke Konjunkturzyklus könnte nach Einschätzung von JP Morgan noch bis Ende 2019 anhalten. Rund ein halbes Jahr vor dem Beginn eines Abschwungs geben im Schnitt auch die Kurse dauerhaft nach. Zu diesem Zeitpunkt könnte auch der Effekt des sinkenden Geldmengenwachstums, ausgelöst durch eine vielfach restriktivere Geldpolitik seine Wirkung entfalten und so dem Kapitalmarkt Liquidität in größerem Umfang entziehen.

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Kommentar
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