"Man muss Stiftungen wieder Leben einhauchen"

Heinrich Weninger, Leiter von Family Konsult der Kathrein Privatbank, fordert zum 30-jährigen Bestehen der Privatstiftungen in Österreich vor allem die Möglichkeit zur Adaptierung der Stiftungsurkunden, um diese Rechtsform für aktuelle wirtschaftliche Gegebenheiten wieder fit zu machen.

"Man muss Stiftungen wieder Leben einhauchen"

Heinrich Weninger, Leiter von Family Konsult der Kathrein Privatbank sowie Vizepräsident des Österreichischen Stiftungsverbands.

trend: Es wird wieder über eine Vermögenssteuer diskutiert. Fürchten Sie, dass das auch Stiftungen betreffen könnte?
Heinrich Weninger: Natürlich ist das nicht auszuschließen. Auch wenn Stiftungen nach ihrem 30-jährigen Bestehen mittlerweile genauso besteuert werden wie jede andere Rechtsform. Daher freut es uns nicht, wenn wieder eine Rute im Fenster steht.

Ursprünglich wurden Stiftungen extra mit dem Aspekt eines steuerlichen Vorteils ausgestattet, um Vermögen in Österreich zu halten.
Das ist längst vorbei. Eine Privatstiftung bietet heute keinen steuerlichen Vorteil mehr. Im Gegenteil. Mit der Stiftungseingangssteuer gibt es zu Beginn die Hürde von 2,5 Prozent dafür, dass man eine Stiftung überhaupt gründen darf. Und wenn man raus will, muss man von der Zuwachsdifferenz 27,5 Prozent Kapitalertragsteuer bezahlen. Das ist eine sehr große Hürde, um aus einer Stiftung auszusteigen, weil altes Stiftungsvermögen wie Liegenschaften oder Beteiligungen in den vergangenen 30 Jahren stark an Wert zugenommen hat. Durch diesen sogenannten Mausefalleneffekt ist man oftmals in der Stiftung quasi eingesperrt.

Die Zahl der Privatstiftungen in Österreich ist aber dennoch von rund 3.300 im Jahr 2011 auf ca. 2.980 zurückgegangen. Wo liegen da die Ursachen?
Es gibt eine erkleckliche Zahl an Stiftern, die mit der Situation unzufrieden sind. Natürlich muss man zwischen jenen unterscheiden, die eine Stiftung eher aus steuerrechtlichen, und jenen, die sie aus zivilrechtlichen Gründen gegründet haben. Die zivilrechtlichen Gründe wie Zusammenhalt von Vermögen oder Verhinderung von Erbteilungen etwa bei Unternehmensbeteiligungen in einer Familie sprechen auch heute noch klar für die Stiftung. Den früher sehr interessanten steuerrechtlichen Vorteilen einer Stiftung, dem steuerfreien Thesaurieren von Gewinnen über viele Jahre, ist sukzessive ein Riegel vorgeschoben worden, und Stiftungen werden mittlerweile wie jede Kapitalgesellschaft besteuert.

Was raten Sie jemandem auf die Frage, ob er sein Vermögen jetzt in eine Privatstiftung einbringen soll?
Das ist aufgrund des rechtlich unsicheren Umfelds nur individuell zu beurteilen. Man weiß auch nicht, welche steuerlichen Belastungen noch auf Stiftungen zukommen. Letztendlich hängt es von der Frage ab, was ich meinen Kindern zumuten kann und will. Kann ich ihnen mein Vermögen vererben, oder ist es nicht besser, ich bringe es in eine Stiftung ein und löse es so von meinen Nachkommen, die dann von den Erträgen der Stiftung profitieren sollen?

Der Stiftungsverband lobbyiert aber bei den Politikern, um doch wieder Änderungen zu erreichen.
Unsere Wünsche auf eine steuerliche Verbesserung sind sehr leise geworden. Wir haben genug Realitätssinn, um zu erkennen, dass das in Zeiten wie diesen nicht geht. Es verwundert uns aber, dass die Wünsche nach rein zivilrechtlichen Änderungen auch nicht wirklich behandelt werden.

Die da wären?
Keine großen Sachen, die in der Öffentlichkeit spürbar wären, aber die Stiftung wieder attraktiv machen würden. Nur zwei Beispiele: Manchmal weichen die Interessen der Stiftungsfamilie von jenen des vor vielen Jahren bestellten Stiftungsvorstands ab. Sie sind ihm aber ausgeliefert. Der Beirat, der eine Art Kontrollorgan für den Stiftungsvorstand darstellt und in dem auch Mitglieder der Stifterfamilie vertreten sind, sollte daher mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden, um eine zeitgemäße Vertretung der Interessen der Stifterfamilie ausüben zu können.

Und das Zweite?
Jedes Auto, das zehn, 15 Jahre als ist, wird einmal in der Werkstatt runderneuert. Eine Stiftung ist aber einzementiert. Die Stiftungsurkunde kann oftmals nicht mehr geändert werden. Und zum 30-jährigen Gesetzesjubiläum wäre es wohl angebracht, ein Zeitfenster zu ermöglichen, in dem - natürlich mit Zustimmung des Gerichts - Stiftungsurkunden auf einen aktuellen Stand gebracht werden könnten. Insbesondere für jene Stiftungen, bei denen der Stifter schon verstorben ist oder das Änderungsrecht nicht ausreichend vorgesehen war.

Würde das nicht dem Grundgedanken einer Privatstiftung widersprechen?
Nein, denn es geht nicht darum, Wege aus der Stiftung zu finden, sondern sie wieder zeitgemäß zu gestalten. Eine Adaption der Stiftungsurkunde würde ihr Fortleben sichern. Und es würde den Geist, neue Stiftungen zu gründen, auch wieder antreiben.

Welchen Vorteil würde die Möglichkeit einer einmaligen Adaption der Stiftungsurkunde für die Veranlagung des Stiftungsvermögens bringen?
Eigennützige Privatstiftungen haben grundsätzlich keine Beschränkungen bei der Veranlagungsstrategie. Vor 20,30 Jahren herrschten an den Kapitalmärkten aber andere Zeiten, und so wurde oft die Veranlagung in mündelsichere Papieren in der Stiftungsurkunde festgelegt. Damit war es aber in den vergangenen Jahren sehr schwer, die Zuwendungen für die Begünstigten zu verdienen. Denn die sollten ja meist aus den Erträgen kommen, um das Stammvermögen zu bewahren. Stiftungen, die die Versorgung von Familienangehörigen, aber auch Drittbegünstigten zum Zweck haben, haben so Probleme bekommen. Eine Änderung der Stiftungsurkunde würde hier helfen, denn eine Beschränkung auf mündelsichere Veranlagung ist im Jahr 2023 nicht mehr zeitgemäß.

Dennoch haben Stiftungen zum Teil noch immer das Image der Geldverstecke der Reichen. Leisten Stiftungen zu wenig für die Allgemeinheit?
Viele Privatstiftungen wären daran interessiert, auch etwas zum Gemeinwohl beizutragen. Die steuerliche Abzugsfähigkeit ist bei Stiftungen aber schlechter geregelt als bei Privaten und Unternehmen. Begünstigte gemeinnützige Zuwendungen aus Stiftungen werden so fast unmöglich gemacht. Es wäre für den Staat und für die Öffentlichkeit eine sinnvolle Sache, Privatstiftungen hier vergleichbare Regelungen für Spendenabzug zu ermöglichen.

Könnten Stiftungen mit ihrem Vermögen nicht auch in der Wirtschaft direkt etwas bewegen?
Von den rund 60 bis 70 Milliarden an heimischem Stiftungsvermögen entfallen etwa zwei Drittel auf Beteiligungen an österreichischen Unternehmen. Dadurch sind nach unseren Schätzungen etwa 250.000 Arbeitsplätze gesichert. Stiftungen sind ein wesentlicher österreichischer Kerneigentümer an Betrieben, an denen nicht mit Anteilen herumjongliert wird und bei denen keine Hire-and-fire-Mentalität herrscht.

Und wie sieht es mit Neugründungen, mit Start-ups aus?
Natürlich könnte Stiftungsvermögen auch in junge Unternehmen, die sich mit neuen Technologien beschäftigen, fließen. Aber das führt uns wieder zum Wunsch nach einer Änderung der Stiftungsurkunde. Vor 25,30 Jahren gab es noch keine Startup-Szene. Daher wurde die Möglichkeit, zumindest einen gewissen Anteil in junge aufstrebende Unternehmen zu investieren, darin auch nicht festgehalten. Mit einer Änderung von Stiftungsurkunden könnten sich viel mehr Chancen einer aktiven Teilnahme von Privatstiftungen am Wirtschaftsleben ergeben.

Das würde Stiftungen für jüngere Generationen wieder attraktiver machen?
Der Generationenwechsel ist bei Privatstiftungen ein ganz wichtiges Thema. Dazu kommen noch die umfassenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Änderungen wie die Globalisierung, die es vor 30 Jahren in dieser Art nicht gab. Daher ist auf allen Ebenen Handlungsbedarf gegeben, um die Stiftungsurkunde an diese Gegebenheiten anpassen zu können. Damit könnte den 3.000 Privatstiftungen in Österreich wieder Leben eingehaucht werden.

Zur Person

Heinrich Weninger ist Leiter von Family Konsult der Kathrein Privatbank. Darüber hinaus ist er Vizepräsident des Österreichischen Stiftungsverbands.

Der Jurist mit Schwerpunkt auf Gesellschafts-, Stiftungs-und Steuerrecht ist außerdem Autor des Buchs "Vermögen richtig weitergeben"(Verlag Manz).


Der Artikel ist der trend.PREMIUM Ausgabe vom 10. März 2023 entnommen.

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