Schwarze Tage bei Kika/Leiner-Mutter Steinhoff - Aktie kollabiert
Nach dem Rücktritt des Konzernchefs Markus Jooste wegen mutmaßlicher Bilanzfälschungen ist die Aktie des Möbelkonzerns Steinhoff, zu dem auch die österreichische Kika/Leiner-Gruppe gehört, im freien Fall. Seit Wochenbeginn wurden elf Milliarden Euro Börsenwert vernichtet.
Steinhoff Int. Holdings Gründer Bruno Steinhoff bei der Aufnahme des Möbelkonzerns an die Frankfurter Börse im Dezember 2015.
Die Nerven der Anleger bei der Kika/Leiner-Mutter Steinhoff liegen wegen der mutmaßlichen Bilanzfälschungen und dem dem Rücktritt des Konzernchefs Markus Jooste blank. Nach dem Kurssturz am Mittwoch von 63 Prozent rutschte die Steinhoff-Aktie (NL0011375019) am Donnerstag bis zum Börsenschluss auf nur noch 59 Cent ab. Der nach Ikea weltweit zweitgrößte Möbelhändler hat somit seit Wochenbeginn 83 Prozent und mehr als elf Milliarden Euro an Börsenwert verloren, ist nur noch ein Penny-Stock. Gegenüber Jahresbeginn liegt der Verlust bei 88 Prozent. "Die Aktie will aktuell keiner mehr haben, alle wollen raus", erklärte deutscher Aktienhändler der Agentur Reuters.

Steinhoff-Aktie (ISIN NL0011375019); Stand vom 7.12.2017: 0,77 Euro. Für aktuelle Kursinformationen klicken Sie bitte auf den Chart.
Der 1964 vom mittlerweile 79-jährigen deutschen Unternehmer Bruno Steinhoff gegründete Konzern beschäftigt aktuell etwa 106.000 Mitarbeiter auf fünf Kontinenten. Zum Steinhoff Konzern gehören eine Reihe großer Möbelhersteller und Möbelhändler, die Familie Steinhoff zählt zu den vermögendsten Deutschlands. Sie hält fünf Prozent an der Holding, besitzt große Ländereien und ist außerdem im Biogas- und Pflegegeschäft aktiv. Der Konzern hat zuletzt einen Umsatz von 13,4 Milliarden Euro erwirtschaftet und dabei einen Nettogewinn von 1,22 Milliarden Euro erzielt. Der Rechtssitz ist in Amsterdam, das operativen Hauptquartier in Kapstadt, Südafrika, wohin der Firmengründer ausgewandert war.
2013: Kika-Leiner-Übernahme
In Deutschland ist Steinhoff vor allem durch die Poco-Möbelhäuser bekannt, in Österreich mischt der Konzern seit dem Jahr 2013 groß mit: Im Juni 2013 übernahm der Steinhoff-Konzern die bis dahin von der Familie Koch geführte Kika-Leiner Gruppe zu 100 Prozent, samt aller Niederlassungen im Ausland. Der kolportierte Kaufpreis lag damals jenseits von 500 Millionen Euro. Paul Koch, der die Leitung des Famileingeschäfts im Jahr 2008 im Alter von nur 30 Jahren übernommen hatte, wurde blieb nach der Übernahme zunächst noch CEO der österreichischen Gruppe, im März 2014 war das aber auch Geschichte. Die Beziehung es Enkels des Firmengründers mit dem neuen Eigentümer mündete in einen langen Gerichtsstreit
Bei Kika/Leiner waren die Geschäfte vor dem Verkauf nicht gut gelaufen. Die Expansion nach Kroatien belastete das Geschäft ebenso wie der teure Umbau der Filialen in Österreich. Für 2012/13 musste Kika einen Verlust von elf Millionen Euro hinnehmen, bei Leiner brach das Ergebnis von fast 14 auf 5,4 Millionen Euro ein. Mit Steinhoff sollte die Vision von der europaweit bekannten Möbel-Gruppe Kika/Leiner wieder aufleben. Man wollte Synergien beim Einkauf nutzen, so die Kosten reduzieren und die Expansion wieder vorantreiben.
Daraus wurde nichts. Steinhoff scheiterte an der Zusammenlegung der beiden Marken, die dem Interims-Chef Hermann Wieser zur Aufgabe gestellt worden war. Man musste schmerzlich erkennen, dass die Zielgruppen nicht zusammenpassten und die gemeinsame Vermarktung nicht funktionierte. Wiesers Nachfolger und der aktuelle Geschäftsführer Gunnar George verabschiedete sich von dieser Strategie und dem Ziel, die Nummer Eins im österreichischen Möbelhandel zu werden. In einem trend-Interview 2015 gestand er ein: "Erfolgreich sind wir, wenn wir keine Marktanteile verlieren."
Drohendes Fiasko
Das Weihnachtsgeschäft ist auch im Möbelhandel das mit Abstand wichtigste des Jahres, und dass der Absturz des Konzerns an der Börse gerade in dieser Zeit so rasant schnell geht muss George wohl beunruhigen. Das schlimmste für ihn wäre in dieser Situation wohl, wenn die Unruhe auf Lieferanten abfärbt.
Das im ganzen Konzern zu verhindern ist Aufgabe von Aufsichtsratschef Christoffel Wiese, der den Konzern nun übergangsweise leiten soll. Der 76-jährige Multimilliardär ist mit rund 23 Prozent größter Einzelaktionär von Steinhoff, gefolgt von Public Investment Corp mit 8,5 Prozent und Coronation Fund Managers mit 5,2 Prozent. Auch eine unabhängige Prüfung soll erfolgen - doch die kann sich dahinziehen.
Wiese hat bereits angekündigt, durch den Verkauf von Randgeschäften die Liquidität des Konzerns aufpolstern zu wollen. Es gebe bereits Interessenbekundungen. Die angepeilten Verkäufe könnten mindestens eine Milliarde Euro in einbringen. Außerdem soll die afrikanische Tochter Star ihre Schulden beim Mutterkonzern refinanzieren, was eine zusätzliche Milliarde einbringen kann. Ob bei den anstehenden auch die Kika/Leiner-Gruppe zur Disposition stehen kann ist noch nicht absehbar. Möglich erscheint derzeit jedenfalls vieles. Wichtig ist zunächst ein Treffen mit potenziellen Kreditgebern zur weiteren Unternehmensfinanzierung. Dabei soll eine Kreditlinie über 2,9 Milliarden Euro sowie ein Kredit über vier Milliarden Dollar, den Steinhoff für die Übernahme des US-Unternehmens Mattress Firm aufgenommen hatte, verhandelt werden.
90 Prozent Wertverlust
Für Steinhoff ist es so oder so ein Tiefpunkt in der Firmengeschichte. Im August 2016 hatten die Aktien bei 6,16 Euro ein Rekordhoch erreicht, galten einst als Anwärter auf einen Platz im Leitindex Dax. Gemessen an den alten Höchstständen haben Aktionäre einen Kursverlust von rund 90 Prozent in den Büchern stehen. Das ursprünglich aus Westerstede bei Bremen stammende Unternehmen ist auch an der südafrikanischen Börse gelistet. Am 7. Dezember fielen sie an der Börse in Johannesburg um 30 Prozent.
Das Management des Konzerns werde zunehmend zur Belastung, sagte Fondsmanager Michael Treherne vom Vermögensverwalter Vestact. "Einer der Gründe in Steinhoff investiert zu sein, war bisher eigentlich, dass sie das Wertpotenzial gut ausschöpfen konnten."
Von der Krise bei Steinhoff ist auch die Europäische Zentralbank (EZB) über ihr Wertpapier-Kaufprogramm betroffen. Der EZB-Website zufolge ist sie im Besitz einer Anleihe der europäischen Tochter von Steinhoff mit Fälligkeit im Jahr 2025 und einem Zins von 1,875 Prozent. Das Volumen bei der Ausgabe des Papiers belief sich auf 800 Millionen Euro. Mit welchem Betrag die EZB investiert ist, ist nicht bekannt. Den Regularien der EZB entsprechend liegt der höchstmögliche Anteil der Steinhoff-Papiere, am Firmenanleihen-Besitz der EZB bei etwa 0,4 Prozent.