Private Banking: Investieren mit Weitblick
Auf welche Aktien und alternative Anlageformen Österreichs Private-Banking-Experten jetzt setzen und wie sie der Geldentwertung begegnen.
Es sind klare Anforderungen, die Private-Banking-Kunden an "ihre" Banken stellen. Konservativ genug soll das Vermögensmanagement sein, denn man will ja nicht Kopf und Kragen riskieren, und schließlich ist man ja kein Spekulant. Aber Rendite - die soll es schon geben. Die Inflation ist da die Untergrenze, das klare Ziel lautet: kontinuierlicher Vermögenszuwachs. Verluste werden nicht toleriert. Unter diesen Prämissen war das "Coronajahr" 2020 für die Privatbanken vermutlich eines der herausforderndsten überhaupt, und 2021 hat zumindest um nichts leichter begonnen. Aber was war die größte Herausforderung in der Coronakrise, und was ist vom zweiten Halbjahr zu erwarten?
"Die größte Herausforderung war sicher, ruhig zu bleiben und den Blick auf das Wesentliche nicht zu verlieren: dass die Märkte aufgrund eines exogenen Schocks auf Talfahrt geschickt wurden und es keine Krise der Finanzmärkte war. Dies haben wir auch unseren Kunden vermittelt", berichtet Wilhelm Celeda, CEO der Kathrein Privatbank. "Corona hatte den stärksten Kursverfall, gefolgt von der raschesten Erholung an den Märkten zur Folge, den ich je erlebt habe. Die Coronapandemie war somit ein Lackmustest für das Risikobewusstsein der Anleger: Wie reagiere ich wirklich, wenn die Märkte abstürzen?" Spätestens um den Jahreswechsel wurde jedenfalls so manchem Anleger, der in Panik größere Aktienpakete abgestoßen hatte, klar, dass seine Nerven nicht stark genug waren. "Insgesamt hat man gesehen, dass keine Reaktion die richtige Reaktion war", resümiert der Kathrein-Chef.
Sorge vor Geldentwertung
Tatsächlich erklommen die Aktienmärkte nach einem Crash noch nie so rasch wieder neue Höchststände. Doch inzwischen gehen die Sorgen der Anleger in eine andere Richtung. Nicht mehr die Pandemie ist das Schreckgespenst, sondern die Sorge vor Geldentwertung angesichts billionenschwerer, zentralbankfinanzierter Hilfsprogramme. "Aufkommende Inflationssorgen führten vor allem am Anleihenmarkt heuer zu Kursrückschlägen und somit zu negativen Entwicklungen. Diese wurden von den Aktienmärkten im Februar kurzfristig mit ebenfalls leichten Rückgängen beantwortet. Im weiteren Verlauf konnten die Aktienmärkte aber weiter zulegen, da die Notenbanken die Inflationssorgen bisher entkräften konnten", sagt Werner G. Zenz, Vorstandssprecher des Bankhauses Spängler.
Ganz entkräften konnten die Zentralbanken die Sorgen aber nicht. Es bleiben leise Zweifel: Kommt nicht doch eine Geldentwertung? Kurt Schappelwein, Head of Multi Asset Strategies bei Raiffeisen Capital Management, schließt das zumindest kurzfristig nicht aus: "Die Inflation wird zwar in den nächsten Wochen und Monaten ansteigen, wir rechnen aber nicht, dass das von Dauer sein wird. Spätestens nächstes Jahr wird sich eine Normalisierung einstellen, was den Notenbanken ermöglicht, ihre Niedrigzinspolitik beizubehalten."
Anleger beunruhigt eine mögliche Geldentwertung aber dennoch. Das bestätigt Maximilian Clary und Aldringen, Private Banking-Chef der Erste Group: "Das am meisten diskutierte Thema ist das Anziehen der Inflation. Wir sehen aktuell stark steigende Preise bei gewissen Rohstoffen und Halbfertigprodukten. Wir glauben aber nicht, dass wir in der Eurozone eine nachhaltige höhere Inflation als das Ziel von zwei Prozent der EZB sehen werden, solange der Arbeitsmarkt nicht voll anspringt." In jedem Fall seien Aktien in einem inflationären Umfeld aber besser als Anlage geeignet als Anleihen, "Vor allem gute Unternehmen mit starker Marke und Marktposition können Kostenerhöhungen über Preissteigerungen kompensieren", so Clary und Aldringen.
Inflation steigt: Geld schützen
Auf etwas höhere Inflationszahlen als im vergangenen Jahr sollten sich Anleger jedenfalls einstellen, und zwar aus drei Gründen: Erstens gibt es einen Basiseffekt. Nach dem Jahr 2020 mit extrem niedriger Geldentwertung machen sich Preisanhebungen heuer stärker bemerkbar. Zweitens wollen Unternehmen, die 2020 mit teils dramatischen Umsatzrückgängen zu kämpfen hatten, Verlorenes rasch wieder aufholen - nicht nur in der Gastronomie sind Preissteigerungen bemerkbar. Drittens gibt es unübersehbare Produktionsengpässe, und zwar keineswegs nur bei Baumaterial, das teils im zweistelligen Bereich teurer wurde. Auch Chips sind knapp, und der Ölpreis zählt ebenfalls zu den Inflationstreibern.
Wie können sich Anleger davor schützen? Friedrich Strasser, Vorstand und CIO der Gutmann Bank: "Wir setzen auf zwei Komponenten: Bei den Anleihen investieren wir einen signifikanten Anteil in inflationsgebundene Papiere. Hier werden Zinsen und Tilgung an die Inflation angepasst, der zusätzliche Wertverlust bei höherer Inflation also eins zu eins ausgeglichen. Bei den Aktien versuchen wir, in Unternehmen zu investieren, die durch ihre Produkte über eine gewisse Preissetzungsmacht verfügen, in der Tendenz also auch von höherer Inflation profitieren."
Am Aktienmarkt wird die Luft dünn
Wobei die Luft bei Aktien aber langsam dünner wird. Nach dem fulminanten Anstieg im vergangenen Jahr sind zahlreiche Werte schon einigermaßen teuer geworden. Vor allem bei den Pandemie-Profiteuren wie Amazon &Co. sind immer wieder Gewinnmitnahmen und damit verbundene Kursrücksetzer zu registrieren. Zumindest ein Teil der erfreulichen Meldungen über Konjunkturaufschwung und Gewinnwachstum ist in den Kursen bereits berücksichtigt. So setzen die Vermögensverwalter zunehmend auf klassische zyklische Werte aus der Konsum- und Investitionsgüterindustrie, aber auch der lang zurückgebliebene Finanzsektor erfreut sich steigender Beliebtheit bei den Anlegern.
Allerdings: Aktieninvestments ohne Risiko gibt es nicht. Was ist die größte Gefahr?"Ein rascher Anstieg der Finanzierungskosten, also der Renditen langer Anleihen, ist für das Gesamtportfolio die größte Gefahr, denn das kann Aktien und Anleihen gleichzeitig und stark nach unten drücken. Gerade weil wir das noch nicht sehen, sind wir weiter positiv auf Aktien. Ein langsamer Anstieg der Renditen ist zwar nicht gut für die Anleiheperformance, wird aber der allgemein guten Börsenstimmung nicht schaden", so Strasser.
Gold und andere Assets
Für Stefan Walde, Leiter des Asset Managements der Hypo Tirol Bank, sollten Anleger jedenfalls aber auch "Solides" berücksichtigen: "Eine langfristige Beimischung von Gold ist sinnvoll. Es bieten sich Produkte an, welche die Entwicklung des Goldpreises darstellen und dabei mit physischem Gold hinterlegt sind. In der Hypo Tirol Bank ist es auch möglich, Gold am Depot darzustellen. Hier können Goldbarren oder Münzen gekauft und durch die Bank verwahrt werden. Die Wertentwicklung ist am eigenen Wertpapierdepot ersichtlich." Anleger sollten hier aber auch auf den steuerlichen Aspekt achten: "Unter Berücksichtigung der steuerlichen Rahmenbedingungen sind physische Goldinvestments in Form von Münzen und Barren in vielen Fällen am geeignetsten", rät Nils Kottke, Vorstandsmitglied des Bankhauses Spängler.
Und worin sehen die Profis derzeit die größte Gefahr? Für Jens-David Lehnen, Bereichsleiter im Private Banking der Raiffeisenlandsbank Niederösterreich-Wien, ist das klar: "Die größte Gefahr für Anleger ist, derzeit kein Anleger zu sein. Anhaltende Nullzinspolitik, steigende Inflationsraten und eine zunehmende Lebenserwartung bei überschaubaren Pensionserwartungen, sofern kein privates Zutun erfolgt, kann niemand mehr ignorieren."
Jede Geldanlage sollte daher zumindest zu einem Teil in Aktien erfolgen, um langfristig Vermögen aufbauen zu können. Lehnen: "Gerne in Kombination mit einem monatlichen Ansparplan, der das Risiko des Zeitpunkts der Geldanlage über die zunehmende Laufzeit immer weiter reduziert." Wirklich sicher ist derzeit nämlich nur eines: Wer gar nicht investiert und stattdessen Cash oder "sichere" Anleihen hält, verliert jedes Jahr einige Prozent an Kaufkraft.
Der Artikel ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 25. Juni 2021 entnommen.