Mattersburg-Bank - Einst Raiffeisen-Rebellenbank, jetzt der Ruin
Nach Auffliegen eines Bilanzskandals steht die Bank vor der Pleite und der Liquidation. Mit in den Abgrund werden verschiedene Unternehmen sowie der Fußball-Bundesligaklub SV Mattersburg gerissen.
Wien/Mattersburg. Das Burgenland wird wieder von einem Bankskandal gebeutelt. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hat eine vergleichsweise kleine Regionalbank über Nacht zugedreht. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet. Der Bankchef Martin Pucher ist zurückgetreten. Für Auszahlungen von Einlagen bis zu 100.000 Euro springt die Einlagensicherung ein. Mehr als 400 Mio. Euro an gedeckten Einlagen liegen in der von einem Bilanzskandal erschütterten Mattersburger Commerzialbank
Unter den ersten Großkunden, die um Dutzende Millionen bangen, ist etwa die Wiener Frequentis. Das brösenotierte Wiener Technologieunternehmen hält bei dem burgenländischen Geldhaus mit heutigem Tag Einlagen in Höhe von ungefähr 31 Mio. Euro. Der Aktienkurs von Frequentis [ISIN ATFREQUENT09] ist abgestürzt - die Papiere notierten am späten Nachmittag um rund 13,71 Prozent tiefer.
Auch die Energie Burgenland wird der Bilanzsskandal wohl einen einstelligen Millionenbetrag kosten. Der Energieversorger hat einen Teil der Taggelder bei der burgenländischen Commerzialbank Mattersburg veranlagt.
Bis 1995 war die aktuell tief in offenkundige Bilanzfälschungen verstrickte "Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG" eine regionale Raika im Burgenland. Damals hieß sie Raiffeisenbank Schattendorf und war in einer Gruppe einer Handvoll von Raiffeisen-Rebellen, die sich mit dem Giebelkreuz-Sektor angelegt hatten und sich absetzten.
Mit dem damaligen Austritt bei Raiffeisen wurde die Bank zur Commerzbank Mattersburg-Burgenland AG. Initiator der Ablösung und Mitbegründer des Neustarts damals war Martin Pucher, der bis zuletzt im Bundesland äußerst gut vernetzt war und vor allem als einflussreicher Fußball-Gönner gilt. Pucher ist gestern, Dienstag, nach Vorliegen der Ergebnisse einer Bankprüfung als langjähriger Chef der Bank abgetreten und steht auch davor, seinen Posten als Präsident des Bundesligavereins SV Mattersburg abzugeben.
Millionenschäden
Ein Regierungskommissär wurde nun eingesetzt. Zuletzt wurde die Bilanzsumme mit etwas mehr als 800 Mio. Euro angegeben. Der Kommissär muss jetzt, zumal die Bilanzen nicht stimmen dürften, zunächst einen Status erstellen lassen, also die Lage der Bank und die Höhe der Schäden erheben lassen, die auf hohe Millionensummen geschätzt werden.
Der Verdacht der Bilanzfälschung und der Untreue steht im Raum. Von einem Riesen-Betrug und mutmaßlichen Fantasiekrediten hat am Mittwoch sogar Burgenlands Landeshauptmann gesprochen. Die Bank wird liquidiert.
Die Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG gehört zu knapp 80 Prozent einer Kreditgenossenschaft, sie hat neben der Zentrale in Mattersburg acht weitere Filialen im Burgenland. Sie befinden sich in Hirm, Loipersbach, Krensdorf, Draßburg, Zemendorf, Baumgarten, Schattendorf und Forchtenstein und damit allesamt im Bezirk Mattersburg. Mehr als 50 Mitarbeiter sind bei der Bank beschäftigt.
Die Commerzialbank trat in Mattersburg immer wieder als Investor auf. Auch an einem derzeit laufenden großen Umbauprojekt ist sie federführend beteiligt: Um rund 30 Mio. Euro soll ein neuer Rathausplatz entstehen. Der Großteil des Geldes für dieses geplante "Impulszentrum" sollte von der Bank kommen. Pucher hatte bereits in den späten 1990er-Jahren die Idee zu dem Projekt und ist auch Grundstückseigentümer.
Pucher will beim SV Mattersburg "umgehend eine geordnete Übergabe sicherstellen", teilten seine Anwälte mit. Er ist seit 1988 Obmann des Vereins. Unter ihm schafften es die Mattersburger 2003 erstmals in die Bundesliga. Auch bei der Fußballakademie Burgenland ist die Bank ein wichtiger Sponsor.
Pucher war zudem von 2006 bis 2009 auch vier Jahre Präsident der Bundesliga, führte den Verein von 1988 an von der fünften in die oberste heimische Spielklasse auf. Die Commerzialbank fungiert bis heute als wesentlicher Sponsor des Vereins.
Dem Verein droht nun ein Zwangsabstieg. Auch auf die Fußballakademie mit ihrer Nachwuchsabteilung wird der Binazskandal des Präsidenten Auswirkungen haben. Sie soll allerdings in anderer Form erhalten bleiben. Die 'Gremien der Bundesliga beraten derweil verschiedene Szenarien.