Ken Fisher: Wo sind all die Helden hin?
Top-CEOs von heute sind nicht bejubelte Manager à la Jack Welch, Lee Iacocca oder Akio Morita. Das ist sogar gut für die Börsen.
Ken Fisher, US-Investmentberater und Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen.
VISIONÄRE. Wo sind all die (CEO-) Helden hin? In späten Bullenmärkten werden Unternehmensführer oft als fast unfehlbar bezeichnet. Die Fachleute verfallen den Ansichten von Visionären über eine weit entfernte Zukunft, die von den Unternehmen dieser CEOs dominiert wird. Derart romantische Geschichten sind jedoch versteckte Warnungen vor allzu großer Überschwänglichkeit. Die gute Nachricht: Es gibt derzeit fast keine Führungsikonen - ein Zeichen dafür, dass die Aktien dem euphorischen Hoch noch nicht zu nahe sind.
Visionäre CEOs können Aktienkurse tatsächlich stärken. Meist nicht die Legenden der alten Garde, sondern frische Gesichter, die überraschende Trendwenden überblicken. In Österreich hat beispielsweise Andreas Treichl, ehemaliger CEO der Erste Group, dieses Format. Er erkannte die Sättigung des österreichischen Finanzdienstleistungsmarkts. Also ergriff er jede Expansionsmöglichkeit außerhalb Österreichs.
So ermöglichte die Übernahme von GiroCredit der Erste Group den Vorstoß in den tschechischen Markt. Dies war die Grundlage für Treichls nächsten Schritt: die Expansion nach Osteuropa in den späten 1990er- und 2000er-Jahren, die ihm viel Lob einbrachte. Obwohl es der Erste Group in der Krise von 2008 besser erging als den meisten anderen, erreichte Treichl aber nie Heldenstatus. Was seine Amtszeit jedoch zeigte: Trifft eine kompetente Führungspersönlichkeit auf ein gutes Unternehmen mit vorübergehenden Problemen, glänzt die Aktie oft und der CEO wird zum Helden erkoren. Zu viele dieser Helden sind jedoch ein Warnzeichen für die letzten gierigen Atemzüge eines Bullenmarkts.
Nehmen wir die Hausse Mitte der 1980er-Jahre. Es regierten die Helden-CEOs wie der Chrysler-Chef Lee Iacocca. Der Sohn italienischer Einwanderer formte aus dem geretteten Autohersteller ein aufsteigendes Aktienunternehmen, das nebenbei Lamborghini übernahm. Die Experten liebten Iacocca.
Aber die CEO-Liebe galt nicht nur ihm. Sie erhielt am Gipfel des Bullenmarkts weiteren Auftrieb. Michael Eisner von Disney wurde Mitte der 1980er für seine Wende gefeiert. Japanische Wirtschaftsführer wie Akio Morita von Sony konnten nichts falsch machen. CEO-Recruiter wurden als "Königsmacher" bezeichnet, deren Mission es sei, bewährte Personen für freie Positionen zu suchen. Im Bullenmarkt Ende der 1990er konkurrierten Helden-CEOs mit Hollywoodstars.
Elon Musk hat glühende Fans, aber auch viele Kritiker.
Technologie-Berühmtheiten wie Bill Gates und Steve Jobs dienten später als Inspiration für Hollywoodfilme. Steve Case von America Online und Lou Gerstner von IBM wurden dafür gefeiert, keine Computercracks zu sein. Experten bezeichneten sie als vernünftige Außenseiter, die langfristige Denkansätze in die kurzsichtige Branche brachten. Als die Aktie von General Electric in die Höhe schnellte, wurde CEO Jack Welch oft als Manager des Jahrhunderts bezeichnet.
ANTIHELDEN. Heute jedoch gibt es keine Helden mehr. Die meisten Schlagzeilen erhalten betrügerische CEOs. Manche CEOs haben zwar Kultstatus, aber nicht so wie Schwarzenegger. Elon Musk kommt nah an ihn heran, aber ein Musk-Museum wird es so bald nicht geben. Er hat glühende Fans, aber auch viele Kritiker wie diejenigen, die ihn für den Kauf des Geldgrabs SolarCity verklagten.
Jeff Bezos? Er wird heute häufiger als Bösewicht denn als Held bezeichnet - fast 200.000 unterzeichneten die Petition, ihn nach seinem Raketenflug im All zu belassen. Aus Bernard Arnault, der über 30 Jahre die Luxusgüterwelt beherrschte und eines der größten Vermögen der Welt anhäufte, machen nur wenige einen Helden - stattdessen wird er als "Wolf in Cashmere" bezeichnet. Selbst der legendäre Warren Buffett kassiert Prügel für die schleppenden Aktien von Berkshire Hathaway. Richard Branson? Der Ruhm für den Vorsprung, vor Bezos im Weltraum zu sein, scheint schon wieder verblasst.
Das heißt nicht, dass es an CEO-Talenten mangelt. Es spiegelt lediglich eine - positive - Stimmung wider. Eine blinde CEO-Heldenverehrung hat den Beigeschmack von Euphorie. Wenn die Stimmung in Gier umschlägt, sehnen sich viele in der sogenannten Bestätigungstendenz nach positiven Geschichten, die ihren Enthusiasmus bestätigen.
Diese Visionen von Helden, die nichts Falsches tun können, treiben die Erwartungen so hoch, dass sie von niemandem mehr erfüllt werden können. Freuen Sie sich also, dass CEOs heute nicht mehr diesen Heldenstatus genießen. Das ist ein Zeichen, dass noch mehr Bullenmarkt vor uns liegt.