Ken Fisher: Eine klassische Korrektur

Gastkommentar. Anleger fürchten, dass der Krieg in der Ukraine zu einem Bärenmarkt führt. Die Sorgen scheinen unbegründet.

Ken Fisher, US-Investmentberater und Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen.

Ken Fisher, US-Investmentberater und Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen.

ANGST VOR BÄRENMARKT. Nach dem turbulenten Jänner und Februar schürt nun der Einmarsch Russlands in die Ukraine die Angst vor einem ausgewachsenen Bärenmarkt. Steigende Öl- und Gaspreise, Angst vor Rezession und die Sorge um Ausweitung des Krieges dominieren die Schlagzeilen. Aber seien Sie unbesorgt: Der Krieg wird diesen Bullenmarkt nicht stoppen. Es handelt sich um eine klassische Korrektur, nicht um einen Bärenmarkt.

Korrekturen, also rasche Rückgänge um zehn bis 20 Prozent vom globalen Börsenhoch, haben eine lange Geschichte. Sie kommen und gehen schnell. Danach erklimmen die Märkte meist rasch neue Höhen. Es sind schreckliche Taten, über die wir lesen. Aber die Erfahrung zeigt, dass Börsen emotionslos reagieren.

Ja, europäische Aktien sind stärker im Kurs gefallen. Nicht aber die globalen. Der ATX brach um mehr als 25 Prozent ein, aber kleinere Teilmärkte fallen bei Korrekturen schon einmal um 20 Prozent. Ein Grund mehr, global zu investieren - wie bereits im Mai 2021 geschrieben. Für Österreich ist das Russlandrisiko aufgrund der Nähe größer - und das schürt Ängste.

Dieser Krieg ist eine Tragödie - schrecklich für alle Betroffenen. Aber die Märkte werden auch hier kühl-rational reagieren. Jetzt sind die Sorgen groß, aber es gibt auch Chancen auf eine Erholung. Und wenn es zu einem Waffenstillstand kommt, werden die Börsen wieder steigen.

Viele leiten aus der russischen Invasion die Angst ab, China könnte in Taiwan einmarschieren oder der Iran könnte Israel angreifen. Das ist Psychologie und Spekulation aus der "Korrektur" heraus. Jede Korrektur löst die Überlegung aus, dass es "dieses Mal anders sein könnte", eben besonders schlimm. Aber es ist gar nicht so anders. Nur ein Krieg hat seit Beginn der soliden Datenauswertung im Jahr 1925 einen Bärenmarkt ausgelöst: der Zweite Weltkrieg. Dieser war vollständig global! Der Krieg in der Ukraine ist regional - auch wenn er weltweite Folgen hat.

Dieser Krieg wird sich nicht ausweiten. Die Ukraine ist nicht in der NATO. Dennoch ist die NATO ein Schutzschild. Ein Einmarsch Russlands in ein NATO-Land oder ein Schlag Chinas gegen Taiwan würde den Aggressoren aber weitaus mehr schaden als nützen. Putins Einmarsch in die Ukraine war unklug. Aber er ist nicht lebensmüde. Und China? Wo sind die Hinweise darauf, dass Xi Putins Fehler wiederholen könnte?

Keine globale Rezession

Sanktionen treiben noch keine globale Rezession voran. Sie sind über Länder, die zum Handel mit den Pariastaaten bereit sind, leicht zu umgehen - zu etwas höheren Transport- und Vermittlungskosten. Russland hat wirtschaftlich wenig Bedeutung - weniger noch als Südkorea.

Es ist technologisch rückständig, stagnierend und auf Rohstoffexporte angewiesen. Die im Ausland gehaltenen russischen Staats- und Unternehmensschulden belaufen sich auf insgesamt 73 Milliarden Euro. Ausfälle sind also nicht so schlimm. Der Anteil Österreichs daran beläuft sich auf gerade mal 0,6 Prozent des BIP. Die Situation wird also übertrieben.

Die stärkste wirtschaftliche Waffe Russlands ist Öl. Die G7-Staatschefs wissen das, daher gibt es bislang auch keine Sanktionen auf Öl und Gas. Einige Unternehmen verzichten von selbst auf russisches Öl, um ihr Risikopotenzial zu senken. Das wirkt sich jedoch nur darauf aus, wer mit wem handelt. Ist das Öl erst einmal auf einem Schiff, sind die Mehrkosten für einen Kauf z. B. von China gering.

Die globale BIP-Prognose des Internationalen Währungsfonds für 2022 geht von 4,4 Prozent Wachstum aus. Es könnte auch weitaus weniger sein. Dann müssten der Wirtschaft durch den Krieg aber vier Billionen Euro verloren gehen, um in diesem Jahr eine Rezession auszulösen. So groß sind die wirtschaftlichen Folgen des Krieges nicht.

Europa legte in Q4 trotz der Omikron-Beschränkungen zu. Der Aufschwung der europäischen Wirtschaft nach Omikron dürfte den Folgen des Ukraine-Krieges entgegenwirken.

Umfragen unter Anlegern zeigen überall erhöhte Angst, die höchste seit Langem, vergleichbar mit 2009. Das ist verständlich. Lassen Sie sich von Putin aber nicht aus dem Konzept bringen. Wie Warren Buffett sagte: "Der Aktienmarkt ist ein Instrument, um Geld von den Ungeduldigen auf die Geduldigen zu übertragen." Warten Sie also ab. Es bleibt bei einer klassischen Korrektur. Und die Aktienkurse werden bald wieder höher sein. Korrekturen belohnen stets die Geduldigen.



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