Die Erwartung einer Rezession schwächt sie zugleich
Rezession! Überall in den Schlagzeilen prangt der drohende globale Abschwung. Prognosen meinen, dass er – ob schwach oder heftig – die seit September anhaltende ATX-Rally ausbremst. Aber: Gefahr erkannt - Gefahr gebannt!
Ken Fisher, US-Investmentberater und Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen.
Gerade die weit verbreitete Sorge ist der Grund, warum Sie sich nicht zu sorgen brauchen. Wenn sie nämlich zuschlagen sollte, dann ist diese Rezession die am längsten erwartete, die es jemals gegeben hätte – was ihre Auswirkungen zugleich schwächen und Aktien ankurbeln würde.
In den 50 Jahren, in denen ich mit Geld arbeite, waren Rezessionen stets überraschende Schocks. Nun erwarten aber seit Mitte 2022 fast alle – auch die OeNB – von Steyr bis Seattle eine Rezession. In den USA befindet sich laut Federal Reserve in Philadelphia ihre Wahrscheinlichkeit auf einem Rekordhoch.
Klingt beängstigend! Aber auch CEOs weltweit erwarten eine baldige Rezession, wie im Januar geschrieben. Und CEOs sind nicht dumm. Überlegen Sie, was diese bisher unternommen haben, um Wachstumsausgaben zu streichen und Kosten zu senken. Seit 2022 wurden weltweit über 400.000 Menschen entlassen. Sie sehen das in Österreich an Unternehmen wie GoStudent und BitPanda. Entlassungen und Sparsamkeit führen dazu, dass vier US-Tech-Riesen gerade zusammengenommen 10,7 Mrd. Euro ausgeben, um künftig Kosten zu reduzieren.
Die Schlankheitskuren
Wie eine EY-Umfrage zeigt, denkt indessen ein Drittel der CEOs weltweit über Einstellungsstopps nach. In Österreich erreichten die offenen Stellen 2022 ein Rekordhoch, das im Q4 wieder schrumpfte. In der Eurozone sanken Neuanstellungen schon in Q3 2022, für das die letzten aktuellen Daten vorliegen. In den USA befindet sich die Zahl der offenen Stellen 7 Prozent unter dem Märzhoch. Die Neuanstellungen sanken seit Februar um 11 Prozent. EY zufolge ersetzte über die Hälfte der CEOs im asiatisch-pazifischen Raum Neuanstellungen durch kostengünstigeres Schulen bestehender Mitarbeiter.
Stellenkürzungen sind für die Betroffenen hart. Sie zeigen jedoch, dass die Unternehmen schlank und sparsam werden – was die Auswirkungen einer Rezession bremst. Laut World Federation of Advertisers hat global fast ein Drittel der Unternehmen die Werbebudgets zusammengestrichen; 75 Prozent überprüfen ihre Ausgaben. Die Unternehmen verstärken den Rechnungseinzug und bremsen bei Investitionen, um jeden Euro zu sparen.
Das ist für die Zeit vor einem Abschwung untypisch. In Q4 2007, also vor der weltweiten Rezession, stieg der Index für den Konjunkturausblick des amerikanischen Business Roundtable. Der Eurostat-Vertrauensindikator für die österreichische Industrie war bis Mai 2008 positiv. Und dieses Mal? Ist er seit August negativ. Dem Schock ist längst die Kraft ausgegangen.
Das Zurechtstutzen
Rezessionen gibt es, um vorausgegangene Exzesse zurechtzustutzen. Viele Unternehmen machen genau das seit Monaten. Was bleibt noch übrig? Ein wenig, vielleicht. Aber die massenhaften Vorkehrungen machen 2023 einen leichten – oder gar keinen – Rückgang wahrscheinlicher als einen aktienvernichtenden Schock. Antizipation bedeutet Schadensbegrenzung! Dies wird gestützt durch das in Q4 annualisiert um 0,5 Prozent verbesserte BIP-Wachstum in der Eurozone und die 2,9 Prozent in Amerika.
Und wenn die Rezession kommt? Aktien steigen in der Regel lange vor dem Ende einer Kontraktion. Die bessere Zukunft, in die schlankere Unternehmen starten, wird vom Markt eingepreist. Betrachtet man die lange Geschichte des S&P 500, so endeten seit 1925 in den USA 9 von 10 durch Rezessionen begründete Bärenmärkte noch bevor der Abschwung vorbei war. Die mittlere Vorlaufzeit: 6 Monate. Das erleben wir vermutlich gerade.
Sie hatten das schon einmal. Nach dem 18. März 2020 hob der ATX von seinem Tiefststand ab, obwohl das BIP im Q2 um 11,3 Prozent gegenüber dem vorangegangenen Quartal fiel. Nach dem tiefsten Stand österreichischer Aktien in der Finanzkrise, am 9. März 2009, erholte sich das österreichische BIP nicht vor Q3. Und aktuell? Ob Rezession oder nicht, die monatelangen Sparmaßnahmen deuten darauf hin, dass 2023 hohe Gewinne bevorstehen.
Auf die Rezession vorbereitet zu sein heißt, dass ein Abschwung die Märkte nicht umwerfen wird – nicht in Österreich, Europa oder weltweit. Halten Sie jetzt Aktien. Seien Sie optimistisch!