Ken Fisher: Die Börsen sind noch nicht überteuert

Gastkommentar: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis sagt viel zu wenig über die richtige Bewertung von Aktien aus.

Ken Fisher ist einer der erfolgreichsten Investmentberater der USA und Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen.

Ken Fisher ist einer der erfolgreichsten Investmentberater der USA und Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen.

Überteuerte Märkte

Sind Aktien überbewertet? Ja, sagen der IWF und die meisten Beobachter. Sobald die Anleger wieder zu Verstand kämen, würden die Aktien ins Straucheln geraten. Da sich die österreichischen Aktien meist mit dem Weltmarkt bewegen, würde das den ATX treffen. Seit Jahrzehnten beschäftige ich mich jedoch ebenfalls mit Aktienbewertungen, und sie sagen nichts voraus. Weder in den USA, in Österreich noch sonst wo - zu keiner Zeit.

Wenn also die Fachleute Aktien als "überbewertet" bezeichnen, beziehen sie sich auf Messwerte, die Aktienkurse mit der zugrundeliegenden Unternehmensgröße oder dem wahrgenommenen objektiven Wert vergleichen. Der gebräuchlichste Wert ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV oder Kurs durch Gewinn). Nachlaufende KGV rechnen mit dem Vorjahresgewinn, während Forward-KGV die Gewinnprognosen des Folgejahres einbeziehen.


Ich habe Lichtjahre damit verbracht, KGV zu studieren.

Der IWF verwendete das Verhältnis der Aktienkurse zu den "beizulegenden Zeitwerten" - eine Schätzung, zu welchem Preis ein Unternehmen an ein anderes verkauft werden könnte. In den 1980er-Jahren trat ich für das Priceto-Sales (P/S) ein. Mein Buch "Super Stocks" untermauerte das 1984. Nichts davon taugt jedoch zur Prognose künftiger Kurse.

Jahrelange Untersuchungen

Ich habe Lichtjahre damit verbracht, KGV auf alle möglichen Arten zu studieren. Die Ergebnisse sämtlicher Rechenspiele stimmten letztendlich mit der historischen Tendenz für Aktien überein, zwei Drittel der betrachteten Zeit zu steigen. Das ergibt aber keine verlässlichen Kauf- oder Verkaufssignale.

In den ganzen 145 Jahren von 1873 bis 2018 sagte kein KGV jemals etwas über das des Folgejahres aus. Das wissen wir aufgrund einer komplexen Routinestatistik, dem Bestimmtheitsmaß oder R 2. Damit wird überprüft, ob ein wiederkehrendes Phänomen ein anderes verursachen kann. R 2 gibt eine Nullkorrelation oder -kausalität zwischen KGV und Renditen über ein, drei und fünf Jahre an.

Warum sagt das KGV nichts voraus? Zum einen, weil es vergangene Kurse verwendet. Aktien korrelieren nicht seriell - eine Kursbewegung sagt nichts über die nächste aus. Aktien preisen zudem bekannte Informationen ein. Das P/S funktionierte eine Zeit lang in den 1980ern, als ich es quasi allein verwendete. Nach meinem Buch nutzten es haufenweise Anleger, Finanz-Professoren lehrten, die Aktien preisten das P/S ein.

Nutzt man das KGV jedoch anders als die anderen, kann es helfen - indem man es umgekehrt und den Gewinn durch den Kurs teilt. Dadurch erhält man die Gewinnrendite des Marktes. Das ist im Grunde die Rendite, die Sie nach Steuern ewig erhalten würden, wenn der Aktienmarkt ein Unternehmen wäre, das Ihnen gehörte und die Erträge nie wachsen würden.

Attraktive Austro-Stocks

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob Aktien einen guten Wert haben, vergleichen Sie die Gewinnrendite mit den Zinsen langfristiger Anleihen. Die aktuelle Gewinnrendite der globalen Aktien beträgt 5,7 Prozent, die durchschnittliche Rendite von Unternehmensanleihen liegt hingegen bei kläglichen 2,29 Prozent vor Steuern. Das macht Aktien trotz ihres überdurchschnittlichen KGV zu einem klugen Kauf. Österreichische Aktien sind mit ihrer Gewinnrendite von 10,1 Prozent attraktiv.

Außerdem werden die Gewinne schließlich im Laufe der Zeit wachsen. Unternehmen greifen den Technologiewandel und Innovationen auf. Neue Erfindungen sind neue Quellen für Unternehmensgewinne. Überlegen Sie, wie viele Produkte einen einfachen Mikrochip verwenden. Firmen finden ständig neue Wege, technologische Entwicklungen mit Basisprodukten und -leistungen zu kombinieren. Selbst die europäischen Klimapläne, die von vielen als unternehmensfeindlich betrachtet werden, eröffnen vermutlich neue Felder für Innovation und Profit.

Durch den Besitz von Aktien gehört Ihnen auch diese grenzenlose Zukunft. Wenn Sie zur Finanzierung Ihrer Rente langfristiges Wachstum brauchen, sind Aktien der sicherste Weg. Die Gewinnrenditen sprechen davon, dass diese Zukunft heute ein Schnäppchen ist.


Zur Person

Ken Fisher ist einer der erfolgreichsten Investmentberater der USA und Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen.


Die Gastkommentar ist der trend.PREMIUM-Ausgabe 51-52/2019 vom 20. Dezember 2019 entnommen.

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