Investorenlegende Fisher: "Facebook kann die Finanzwelt verändern"
US-Investor und trend-Kolumnist Ken Fisher über die zukünftige Kursentwicklung an den Börsen, die Macht der Internetgiganten und die Chancen der Facebook-Währung Libra.
Ken Fisher - US-Investmentberater und Autor
trend:
Welche Folgen wird die Senkung der Leitzinsen, die die US Notenbank noch für heuer in Aussicht gestellt hat, auf die Märkte haben?
Ken Fisher:
Zunächst einmal: Es wird weniger Kapital aus Europa oder Asien in die USA fließen. Denn bislang konnten große Unternehmen oder institutionelle Investoren den Unterschied zwischen den höheren Zinsen in Amerika und den niedrigen Zinsen in ihren Heimatländern für Arbitragegeschäfte nutzen. Sie haben sich billiges Geld geliehen und dafür in den USA höhere Zinsen kassiert. Das wird jetzt zurückgehen.
Präsident Trump wollte aber eine Zinssenkung.
Fisher:
Ja - und diesen Wunsch wird ihm die Fed nun bald erfüllen. Man sieht: Die Fed ist nicht so mächtig, wie manche denken.
Aber den Börsen gefallen niedrige Zinsen.
Fisher:
Aber noch wichtiger für die Börsen ist Wachstum. Es geht nicht so sehr darum, ob das Wachstum besonders groß ist. Solange die Gewinne wachsen, werden auch die Kurse steigen. Auch in Europa. Selbst wenn die Lokomotive Deutschland schwächelt und Italien ein Sorgenpatient ist, wird es auch in Europa Wachstum geben. Der Bullenmarkt wird weitergehen.
Wie lange?
Fisher:
Zumindest solange es genug Wachstum gibt. Man sieht bei diesem Bullenmarkt ein klares Muster: Nach einem Höchststand folgt ein Abschwung. Darauf steigen die Märkte wieder im gleichen Ausmaß wie der Rückgang. Wenn das Hoch wieder erreicht ist, folgt ein neuerlicher kleiner Abschwung. Doch danach folgt wieder eine längere, anhaltende Wachstumsphase.
Die größten Treiber für Wachstum sind Technologiewerte. Ist deren Bewertung trotz der Korrektur nicht immer noch überzogen?
Fisher:
Es gibt viele Aktien in dem Bereich. Nehmen wir einmal Facebook und Google, also Alphabet. Die beiden Unternehmen werden meist gleich behandelt. Das sind sie aber nicht. Niemand auf der Welt wird je bereit sein, für die Suche über Google etwas zu bezahlen. Also wird sich Google weiterhin stets nur über Anzeigen finanzieren. Die Menschen wollen Google, brauchen Google und werden es immer nutzen. Google ist ein unverzichtbarer Teil unseres Lebens geworden. Das sieht man auch am Aktienkurs.
Aber die Politik will Google an die Kandare nehmen.
Fisher:
Die Ankündigung, den Konzern zu zerschlagen oder ihn dazu zu zwingen, für die Suche Gebühren zu verlangen, wird nicht funktionieren. Niemals.
Und bei Facebook?
Fisher:
Bei Facebook ist das schon wieder anders. Facebooks Geschäftsmodell basiert nur auf Daten. Und solange Facebook nicht nur Versprechen abgibt, mit Daten rechtmäßig umzugehen, wird es keine gröberen Probleme geben. Aber Facebook muss mit Daten Geld verdienen.
Die Politiker nützen manchmal auch Facebook, wie wir beim Trump-Wahlkampf gesehen haben.
Fisher:
(Lacht.) Aber sie müssen natürlich in der Öffentlichkeit dagegen vorgehen. Ich glaube, der Kampf zwischen Facebook und der Politik wird so ausgehen: Facebook wird irgendeine Form von Abgaben an Staaten zahlen und versprechen, dass es mit Daten sorgsam umgeht. Dann können sich die Politiker einen Sieg auf die Brust heften, und hinter den Türen wird alles so weitergehen wie bisher.
Sie glauben wirklich, dass das so einfach gehen wird?
Fisher:
Nehmen wir das Beispiel von Walmart. Dem größten US-Einzelhändler wurde vorgeworfen, durch Tochtergesellschaften in Brasilien, Indien und Mexiko Regierungsbeamten bestochen zu haben. Das führte auch zu einem Rechtsstreit mit der Börsenaufsicht. Walmart zahlte vor wenigen Tagen 280 Millionen US-Dollar, um ein weiteres Vorgehen der SEC und der Regierung zu beenden. Die Politiker heften sich einen Sieg auf die Fahnen und Walmart lacht, weil es den Betrag schon vor zwei Jahren in den Bilanzen zurückgestellt hat.
Und Sie meinen, so wird es bei Facebook auch sein?
Fisher:
Es ist immer dasselbe Spiel: Ein Unternehmen zahlt an die Regierung, um ungestört weiter agieren zu können. Und die Regierung kann öffentlich einen Sieg verkünden. Unternehmen wie Facebook oder Google ist das egal. Sie machen so viel Gewinn, dass sie sich das leicht leisten können.
Wenn die Facebook-Währung Libra den Menschen Vorteile bringt, dann werden sie damit auch bezahlen.
Wird die Ankündigung von Facebook, eine eigene Währung schaffen zu wollen, den Bogen nicht überspannen?
Fisher:
Das kann man noch nicht sagen. Es ist auf jeden Fall eine wirklich große Sache, die man nicht unterschätzen sollte. Natürlich war der Zeitpunkt der Ankündigung gut gewählt, um der Aktie wieder Schwung zu geben. Aber das Projekt hat durchaus Chancen. Facebook bringt mit seinem Konsortium von 28 Partnern aus der Finanzwirtschaft auch eine starke Lobby ins Spiel. Mastercard, Visa, PayPal oder Uber machen das mit konkreten Überlegungen. Ich sehe schon die Möglichkeit, dass Libra in einigen Jahren tatsächlich unter Facebook-Usern als Währung benutzt werden kann.
Wenn die Ankündigung kein Marketinggag für die Aktie sein soll, wovon wird es abhängen, ob Libra tatsächlich als Währung anerkannt wird?
Fisher:
Libra ist als stabile Währung konzipiert, deren Wert an einen fixen Währungskorb gebunden ist. Wenn das funktioniert, werden Visa oder Mastercard dabeibleiben, wenn nicht, sind sie schnell wieder weg. Es wird alles davon abhängen, die Institutionen zu überzeugen, dass Libra tatsächlich eine stabile Währung sein kann. Gelingt das nicht, wird sie bei der Securities and Exchange Commission keine Chancen haben.
Wie ist die Haltung der US-Börsenaufsicht SEC dazu?
Fisher:
Von den fünf Kommissaren der SEC gibt es nur einen, der eine positive Einstellung zu der Kryptowelt hat. Die anderen vier sind streng dagegen. Das heißt nicht, dass Facebook mit Libra keine Chancen hat, aber es wird sehr schwierig werden, zu beweisen, dass die Währung wirklich stabil ist und amerikanische Investoren damit nicht ihr Hemd verlieren. Es wird also ein langer Weg für Facebook, bis Libra Realität wird. Aber wenn es gelingt, kann Facebook damit die Finanzwelt verändern.
Inwiefern?
Fisher:
Wenn User akzeptieren, mit Facebook statt mit einer herkömmlichen Kreditkarte oder über das Bankkonto zu bezahlen. Libra ist dann einfach ein digitaler Ersatz für eine Kreditkarte oder das Bankkonto. Bezahlen geht damit schneller, als wenn man extra zu einer Karte greifen muss.
Aber die Menschen sind zunehmend skeptisch bezüglich des Umgangs mit ihren Daten. Und da allen voran gegenüber Facebook.
Fisher:
Ja, das ist jetzt so. Natürlich ganz besonders, wenn es um Daten aus dem Bankkonto geht. Aber in Zukunft könnte es Konsumenten mit unterschiedlicher Einstellung geben. Es wird die geben, die ihre Daten absolut geschützt haben wollen. Und es wird solche geben, die sagen, ich habe kein Problem damit, wenn meine Daten weitergegeben werden, wenn ich dafür Leistungen oder Produkte billiger angeboten bekommen. Ob ich sie kaufe oder nicht, entscheide immer noch ich selber. Und wenn Libra ihnen diese Vorteile bringt, werden sie damit auch bezahlen.
Zur Person
Ken Fisher zählt zu den einflussreichsten amerikanischen Personen der Finanzwelt. Sein Investmentunternehmen Fisher Investments verwaltet rund 107 Milliarden US-Dollar. Mit Grüner Fisher ist er auch in Europa als Vermögensverwalter präsent. Sein Privatvermögen wird auf 3,9 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Das Interview ist der trend-Ausgabe 26/2019 vom 28. Juni 2019 entnommen.