„Gute Wachstumsaktien verfügen über ökonomische Burggräben“
Franz Weis, Portfoliomanager für europäische Aktien bei Comgest, über Inflation, Gefahren und Chancen in einem turbulenten Umfeld.
TREND: Krieg, Inflation,Corona – die Zeiten für Anleger waren schon einmal einfacher. Was antworten Sie, wenn jemand zu Ihnen kommt und Sie fragt, ob er jetzt überhaupt investieren soll?
Franz Weis: Die Märkte bewegen sich aktuell alles andere als geradlinig, und Anleger befassen sich teils mit kurzfristigen Ereignissen und Erwartungen. Stilrotationen wie jene zugunsten von Value-Aktien sind Ausdruck dieser Spekulationen. Die Historie hat gezeigt, dass die Angst vor steigenden Zinsen kurzfristig immer Abschläge bei Growth-Titeln mit sich brachte. Anschließend folgte aber eine Erholung bei jenen Qualitätsunternehmen, die in der Lage waren, überdurchschnittliches Wachstum des Gewinns je Aktie über einen längeren Zeitraum zu generieren.
Die Unsicherheit an den Märkten hat vor allem Technologiewerte hart getroffen. Wie können Anleger jetzt unverhältnismäßige Risiken vermeiden?
Nachhaltiges Wachstum des Gewinns je Aktie führt zu überdurchschnittlichem Renditepotenzial bei unterdurchschnittlichem Risiko. Diese Titel heben sich in ihrer Branche durch konjunkturunabhängige Wachstumsstärke hervor. So etwas können nicht viele Unternehmen bieten. Daher bestehen unsere konzentrierten Portfolios durchschnittlich nur aus zirka 35 Positionen, die Ideen diversifizieren, ohne unsere Überzeugung zu verwässern.
Was unterscheidet „gute“ Wachstumsaktien von den weniger guten?
„Gute“ Wachstumsaktien verfügen über ökonomische Burggräben, die in der Regel mit Preissetzungsmacht und hohen Bruttomargen einhergehen. Wir selektieren gezielt Aktien mit starken ökonomischen Burggräben, von denen wir überzeugt sind, dass sie Gegenwind aus dem Umfeld überstehen können. Umgekehrt meiden wir Aktien, die sensibel auf makroökonomische Umstände reagieren und keine Burggräben aufweisen. Qualitätswachstumsunternehmen sind für uns Firmen, die über einen Anlagehorizont von fünf Jahren ein jährliches zweistelliges Wachstum des Gewinns je Aktie erwarten lassen.
Nach welchen Kriterien wählt Comgest jetzt Aktien aus?
Unser Prozess beginnt mit einer selektiven Vorauswahl von Unternehmen, die bereits bewährte und rentable Geschäftsmodelle vorweisen und unsere Qualitäts- und Wachstumskriterien erfüllen könnten. Die Bewertung basiert in der Regel auf konservativen, eigens erstellten Fünf Jahre-Prognosen für Gewinne und Dividenden. Wir investieren mit einem Anlagehorizont von drei bis fünf Jahren, nachdem wir uns eine umfassende Meinung über jedes ausgewählte Unternehmen gebildet haben. Unser Fokus liegt auf Qualität, und wir bauen unsere konzentrierten Portfolios von 25 bis 50 Aktien ausschließlich nach diesem Prinzip auf. Bei Comgest betrachten wir das absolute Risiko einer Investition – nicht in Bezug auf eine Benchmark.
Was zeichnet ein Unternehmen aus, das mit Inflation besser zurecht kommt als die Mitbewerber?
Unserer Meinung nach sind starke Bilanzen und Preissetzungsmacht in der Praxis zwei sehr gute Möglichkeiten, um mit Inflationsdruck umzugehen. Preissetzungsmacht ermöglicht es Unternehmen, steigende Kosten weiterzugeben. Ein Beispiel ist der globale Luxuskonzern Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH). Trotz Pandemie und wirtschaftlicher Turbulenzen erhöhte das Unternehmen die Preise für seine Markenprodukte 2020 um vier beziehungsweise fünf Prozent. Diese Preissetzungsmacht ist seit Langem etabliert: Louis Vuitton brachte 2009 eine Damenhandtasche für 400 Euro auf den Markt. Genau diese Tasche zählte 2021 zu den Verkaufsschlagern – mit einem Kaufpreis von 1.600 Euro.
Gibt es geografische Regionen oder Wirtschaftsbereiche, die Ihrer Meinung nach jetzt besonders interessant sind?
Als Bottom-up-Stock-Picker stellen wir unsere Portfolios unabhängig von Benchmarks, Regionen oder Branchenzugehörigkeit zusammen. Prinzipiell fokussieren wir in unserer ältesten Europa-Strategie, Comgest Growth Europe, verstärkt auf Large Caps. Beim Comgest Growth Europe Opportunities investieren wir über eine weitere Bandbreite von Marktkapitalisierungen auch in Unternehmen in einem früheren Entwicklungsstadium und mit leicht höherer Konjunktursensibilität. ASML, Novo Nordisk und Straumann sind drei Unternehmen, von deren Wachstumsaussichten wir langfristig überzeugt sind – auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
ZUR PERSON: FRANZ WEIS ist Portfoliomanager und Analyst für europäische Aktien sowie Geschäftsführer der Comgest-Gruppe und Mitglied des Executive und Investment Committees der Gruppe. Er wirkt bei den meisten europäischen Aktienstrategien von Comgest als Co-Leader mit.
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