Den Tod finanziell überleben
Vermögen richtig vererben will gelernt sein, damit der zu Lebzeiten erworbene Wohlstand für die Nachkommen erhalten bleibt. Da gibt es einiges zu beachten.
HANDLUNGSFÄHIG. Hermann Wonnebauer, CEO der Zürcher Kantonalbank Österreich, rät zu einem Vermögensverwaltungsvertrag.
Es ist ein Thema, mit dem sich kaum jemand gern beschäftigt: Die eigene Endlichkeit wird verdrängt, ignoriert, in eine ferne Zukunft projiziert. Sicher, man weiß es ohnedies – irgendwann ist es soweit. Aber bis dahin ist ja noch viel Zeit. Und was, wenn nicht?
Verkehrsunfall, Herzinfarkt, Schlaganfall. „Für die Familie bedeutet das Trauer und Leid. Aber auch die Frage: Was geschieht mit dem Vermögen?“ Hermann Wonnebauer, Vorstandsvorsitzender der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, spricht ein heikles Thema an: „Ich begleite seit rund vier Jahrzehnten Kunden im Private Banking. Ich habe in dieser Zeit natürlich auch gesehen, dass Anleger sterben, die zu Lebzeiten extrem erfolgreich mit ihrem Vermögen umgegangen sind. Aber wenn man nicht vorgesorgt hat, besteht die Gefahr, dass so manches Vermögen verloren geht.“
Dabei könnte man einfach vorsorgen. „Jeder sollte sich einmal die Zeit nehmen, in aller Ruhe darüber nachzudenken: Was passiert, wenn ich plötzlich nicht mehr da bin? Welche Informationen sind dann nötig?“ Am einfachsten ist die Sache bei liquidem Vermögen, das in Wertpapieren angelegt ist. „Da empfehlen wir, unbedingt einen Vermögensverwaltungsvertrag abzuschließen. Der erlischt nicht mit dem Tod, sondern läuft weiter. Die Bank kann dann auch in schwierigen Zeiten handeln und so Schaden abwenden.“ Andernfalls müssen die Erben möglicherweise zusehen, wie Wertpapiervermögen in Baisse-Zeiten dahinschmelzen wie Schnee in der Sonne. Solange die Verlassenschaft nicht abgehandelt ist, sind Orders nur unter höchst komplizierten Bedingungen möglich.
Immobilienstreit.
Heikel kann die Vererbung von Immobilien werden. „Die Finca in Spanien, die Wohnung in Italien sind ja schnell gekauft. Über die Konsequenzen für Erben denkt aber kaum jemand nach“, so Wonnebauer. Was in Österreich meist problemlos über die Bühne geht, kann jenseits der Grenzen teuer werden. „Da gilt dann möglicherweise EU-Erbschaftsrecht, da kommen vielleicht ausländische Gesetze zur Anwendung, die dann nicht wie in Österreich auf Einheitswerte abstellen, sondern auf den Verkehrswert. Und wenn dann vielleicht 30 Prozent Erbschaftssteuer anfallen, ist das schon eine böse Überraschung.“ Die Vermeidung solcher Belastungen ist zwar schwierig, über Beteiligungsmodelle aber unter bestimmten Bedingungen möglich – allerdings nur, solange der Erblasser noch lebt. Doch auch das Vererben von Immobilien im Inland kann Probleme bereiten. „Am günstigsten kommt man in Österreich zu einer Immobilie, wenn sich die Erben darum streiten“, weiß Wonnebauer. Hier sind klare Lösungen zu Lebzeiten gefragt. „Ich empfehle jedenfalls, einen ‚Nach mir‘-Ordner anzulegen. Da sollen alle Vermögenswerte aufgeführt werden, ebenso Handlungsanweisungen, an wen man sich wenden soll, und überhaupt alles, was für die Erben wichtig ist“, so Wonnebauer.
Dazu zählen auch Verfügungsrechte und Zugangsdaten. Nur dann können die Erben entscheiden, wie mit kostenpflichtigen Newslettern oder Podcasts – die ja Werte darstellen – verfahren werden soll. Ein Spezialthema stellen die Kryptowährungen dar. „Ich bin mir sicher, kaum jemand denkt darüber nach, was mit dem Bitcoin-Guthaben passiert, wenn er stirbt“, sagt der Banker. Der Betrag liegt in einem Wallet, und selbst wenn die Erben dieses ausfindig machen – ohne Zugangscode läuft da nichts. Echte Katastrophen drohen bei Unternehmen, in denen der Eigentümer auch gleich die Rolle des CEO ausübt. Wenn es den Businessplan nur in dessen Kopf gibt, ist die Insolvenz nicht mehr fern.
Es gibt ein Wiener Sprichwort, das gern hervorgekramt wird, wenn jemand allzu überheblich agiert. Es lautet: „Es sind schon Hausherren gestorben.“ Das ist durchaus wörtlich zu nehmen.
„Ich rechne nicht mit einem Crash“
Christian Nemeth, Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank, über Chancen und Risiken an den Börsen, die Rückkehr zu normalen Bewertungen und Konkurrenz für die Aktien.
TREND: Ihr Vorstandsbereich Asset Management beschert Ihnen derzeit wahrscheinlich einiges Kopfzerbrechen. Wenn man sich so umsieht – kann man Anlegern im derzeitigen Umfeld überhaupt etwas empfehlen? Gehen einem da nicht die Ideen aus?
CHRISTIAN NEMETH: Kurzfristig ist die Stimmung natürlich beeinträchtigt durch die Inflationsdebatte, die Zinsanhebungen, die Pandemie und natürlich den Krieg in der Ukraine. Dass das alles zusammenfällt, ist schon problematisch. Aber langfristig betrachtet werden die Aktienmärkte ihre Bedeutung nicht verlieren. Was die Stimmung besonders trübt, ist dass wir – nicht zuletzt wegen der starken Wirtschaftsleistung – schon seit dem Sommer mit steigenden und die Erwartungen regelmäßig übertreffenden Inflationszahlen konfrontiert sind. Die Energiepreise haben ja schon im vergangenen Jahr die Hälfte der Preisanstiege ausgemacht.
Ist die Energie also der aktuell wichtigste Preistreiber?
Nicht mehr ausschließlich. Am US-Arbeitsmarkt ist Vollbeschäftigung erreicht, in Europa hinken wir im Zyklus zwar hinterher, aber auch hier übersteigt die Nachfrage nach Arbeitskräften das Angebot. Das Wachstum ist nicht so stark, und das bringt die EZB in eine schwierigere Position als die FED. Europa ist stärker abhängig von Rohstoffimporten und näher am Konflikt.
Daher hat die US-Notenbank ja auch kürzlich die Zinsen um 0,5 Prozentpunkte erhöht – mit den entsprechenden negativen Reaktionen an den Börsen.
Also, da war die Reaktion der Märkte schon etwas überraschend. Immerhin waren ja auch 0,75 Prozentpunkte im Gespräch. Aber innerhalb weniger Stunden ist es sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen zu markanten Kursverlusten gekommen. Die Anleiherenditen sind deutlich über drei Prozent angestiegen – da fragt man sich schon, warum der Markt eine so aggressive FED-Politik einpreist. Gegen steigende Rohstoffpreise helfen ja auch Zinserhöhungen nicht.
Weil Sie die hohen Renditen der US-Treasuries ansprechen – bedeuten die drei Prozent nicht auch eine ziemliche Konkurrenz für Aktien?
Genau das sehen wir ja gerade. Werte, die mit Technologie zu tun haben, die wachstumsorientiert sind, werden wegen des höheren Diskontsatzes abgestraft, es rücken eher die valueorientierten Aktien in den Vordergrund. Für Aktien gilt das TINA- Argument – „There is no alternative“ – eben nicht mehr. Aber andererseits ist es gar nicht so schlecht, wenn wir wieder in ein normales Fahrwasser zurückkehren und sich die Bewertungen im Normalbereich einpendeln. Dann kommen wir wieder dort hin, wo wir vor zehn bis 15 Jahren waren – dass Aktien das Potenzial in einem Portfolio bilden und Anleihen das stabilisierende Element.
Welche Aktien stehen denn bei Ihren Investmentüberlegungen derzeit im Vordergrund?
Zumindest kurzfristig ist die extreme Dominanz der Wachstumsaktien gegenüber dem Value-Bereich ausgesetzt. Im vergangenen Jahr haben wir da ja schon drei Rotationen gesehen, aber es hat sich dann doch nicht gelohnt, auf Value zu setzen und Growth unterzugewichten. Seit November – seit die Zinsen so nach oben gegangen sind – hat sich das geändert. Derzeit geht der Trend eher in Richtung Dienstleister, Real Economy, wo nicht nur alles virtuell geschieht. Zu Beginn der Pandemie haben die Gaming-Aktien profitiert, Cybersecurity, jeder hat einen Laptop gebraucht, und jetzt schlägt das Pendel wieder in die andere Richtung aus. Aber man darf Technologie nicht abschreiben – dass sich diese Bewertungseuphorie fortsetzt, ist unrealistisch.
Welche Regionen gefallen Ihnen da besonders gut? Und wie gewichten Sie in Ihrer Allokation Aktien und Anleihen?
Wir haben uns dafür entschieden, die neutrale Quote beizubehalten, sind aber defensiver, was den Stilmix betrifft. Wir haben die wachstumsorientierten Titel reduziert. Aufgrund der geografischen Entfernung zum Konflikt bevorzugen wir Amerika. Auf der Anleihenseite haben wir Staatsanleihen deutlich untergewichtet und die Dauer deutlich verkürzt.
Aus dem Gesagten schließe ich, dass Sie zumindest in der unmittelbaren Zukunft nicht mit einem Crash an den Börsen rechnen.
Stimmt, damit rechne ich nicht. Was mich aber trotzdem etwas wundert, ist, dass die Stimmung so angeschlagen ist. Die realen Zahlen sind bei Weitem nicht so negativ, und ich glaube, dass in der Wirtschaft einiges Potenzial steckt. Es wäre keineswegs verwunderlich, wenn es auf tieferem Niveau wieder Interesse gibt, einzusteigen.
ZUR PERSON. Christian Nemeth ist Chief Investment Officer und Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich. Er war zwischen 1995 und 2000 in der CA und der Capital Invest als Analyst und im Fondsmanagement tätig und wechselte über Sal. Oppenheim 2016 zur Zürcher Kantonalbank Österreich.
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