Große Probleme ortet der Europäische Rechnungshof bei der gemeinsamen Bankenaufsicht im Euroraum. Wegen Personalmängeln wird ein großer Teil der Vor-Ort-Prüfungen nach wie vor von nationalen Aufsichtsbehörden übernommen - anstatt wie vorgesehen von Beamten der Europäischen Zentralbank. (EZB)
Nur zwölf Prozent der im Jahr 2015 (bis Oktober) durchgeführten Prüfungen, wurden von Beamten der EZB geleitet. 92 Prozent des eingesetzten Personals kam von den nationalen Aufsichtsbehörden. „So einen niedrigen Wert haben wir nicht erwartet“, sagt Neven Mates, Autor des Rechnungshof-Berichts vor Journalisten in Brüssel. Damit könne nicht sichergestellt werden, dass die Absicht der Gesetzgeber für eine gemeinsame Bankenaufsicht tatsächlich erfüllt werde.
Die Erklärungen für das fehlende Personal liefert der Bericht des Rechnungshofs gleich mit. „Die EZB hat sich bei der Ermittlung des Personalbedarfs an den alten nationalen Systemen orientiert“, sagt Mates. Es sei nicht bedacht worden, dass diese nicht funktioniert hätten. Aber auch die Regierungen der Mitgliedsstaaten sieht der Rechnungshof-Prüfer in der Pflicht: Offensichtlich würden der EZB die notwendigen Ressourcen fehlen.
Genau darauf verweist auch die EZB in ihrer bereits im Bericht enthaltenen Stellungnahme zu den Empfehlungen des Rechnungshofs: „Die gegenwärtige Personalsituation erlaubt es der EZB nicht, an allen Prüfungen teilzunehmen, die sie leiten sollte.“
Die gemeinsame Bankenaufsicht
Unter dem Eindruck der Finanzkrise einigten sich die EU-Staaten 2012 auf eine gemeinsame Bankenaufsicht (Single-Supervisory-Mechanism, SSM). Für die Länder des Euroraums ist der SSM verpflichtend, andere Mitgliedsstaaten können freiwillig beitreten.
Seit der Aktivierung des SSM Ende 2014 ist die EZB für die Aufsicht über 129 Großbanken verantwortlich. In Österreich gehören dazu etwa die Erste Gruppe, Bank Austria und Bawag. Kleinere Banken werden weiterhin von den nationalen Behörden beaufsichtigt. Zumindest für diese rasche Umsetzung der Pläne findet der Rechnungshof lobende Worte.
Mangelnde Transparenz
Neben dem Personal fehlt es der EZB laut dem Rechnungshof auch an Transparenz. Die Zentralbank habe die Herausgabe eines Großteils der für die Prüfung notwendigen Dokumente verweigert, so Mates. Darunter etwa das „Supervisory Manual“, also das Handbuch für die Aufsichtstätigkeiten im Rahmen des SSM, oder die Sitzungsprotokolle des Aufsichtsrats.
Die Zentralbank argumentiert dabei mit dem eingeschränkten Mandat des Rechnungshofs. Tatsächlich könnte durch die Reform eine rechtliche Lücke entstanden sein, da die Mandate der in der Vergangenheit verantwortlichen nationalen Aufsichtsbehörden nicht durch eine Entsprechung auf EU-Ebene ersetzt wurden. Die Prüfer des Rechnungshofs wollen nun weitere Schritte prüfen, um doch noch Zugang zu den verweigerten Dokumenten zu erhalten.
Der Bericht geht nun an das Europäische Parlament und den Europäischen Rat. Bis Ende 2016 wird auch das Ergebnis einer Evaluierung des SSM durch die Europäische Kommission erwartet.
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