Credit Suisse-Pleite: Panik als größte Sorge

Wifo-Ökonom Thomas Url sieht nach den Problemen bei mehreren US-Banken sowie der Schweizer Credit Suisse (CS) keine großen Lücken in der Regulierung. DIW-Präsident Fratzscher sieht Panik als größtes Risiko.

Der Fall der Credit Suisse wirft Fragen auf: Wie sicher ist das Bankensystem?

Der Fall der Credit Suisse wirft Fragen auf: Wie sicher ist das Bankensystem?

Der Wifo-Ökonom Thomas Url sieht nach den Problemen bei mehreren US-Banken sowie der Schweizer Credit Suisse (CS) keine großen Lücken in der Regulierung. "Worunter die Credit Suisse im Augenblick gelitten hat, worunter auch die Silicon Valley Bank (SVB) leidet, das ist eine Grundeigenschaft des Bankgeschäftes", so Url. Kurzfristig abziehbaren Einlagen stünden längerfristige Investments und Kredite gegenüber, was im Falle eines Bank-Runs zu Liquiditätsproblemen führe.

Der Ökonom greift eine Idee auf, die schon im Rahmen des Regulierungspakets Basel 3 aufgekommen sei aber nicht umgesetzt wurde: Banken könnten zu Quoten an längerfristig gebundenen Einlagen verpflichtet werden - ein Teil der Einlagen kann somit im Fall einer Panik nicht sofort abgezogen werden.

Die Krise um die Schweizer Großbank Credit Suisse und die Pleite der kalifornischen Silicon Valley Bank kann nach den Worten von DIW-Präsident Marcel Fratzscher auf Europas Konjunktur durchschlagen. "Niemand kann zu diesem Zeitpunkt ausschließen, dass es auch in Deutschland und Europa zu einer Bankenkrise mit signifikanten Kosten für Wachstum und Wohlstand kommen wird", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der Nachrichtenagentur Reuters.

Risiko der Panik

"Finanzkrisen sind per Definition kaum vorhersehbar", so der DIW-Präsident. Allerdings seien die systemischen Risiken im Finanzsystem heute deutlich geringer als nach der Lehmann-Pleite im September 2008. Viele Finanzinstitutionen hätten mehr Eigenkapital und Absicherungen. "Meine größte Sorge heute ist, dass es zu einer Panik in den Kapitalmärkten und bei Anlegern und Sparern kommt, da niemand weiß, welche Banken noch in Schieflage geraten könnten", warnte Fratzscher. "Eine solche Panik könnte zu sogenannten selbsterfüllenden Erwartungen führen. Dies bedeutet, dass die Sorge um die Liquidität von Banken die Existenz von solchen Banken gefährdet, die ansonsten solvent wären."

Der Fall von Credit Suisse (CS) zeige deutlich, dass auch große, systemrelevante Banken in Schieflage geraten können. "Daher sollte auch kein deutscher Finanzminister leichtfertig Entwarnung geben, da er ansonsten im besten Falle seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt", sagte der DIW-Chef. Die Politik müsse offen und ehrlich kommunizieren - ohne Probleme klein zu reden, aber auch ohne weitere Ängste zu schüren. "Die Bundesregierung und allen voran Bundeskanzler und Finanzminister müssen nun eine schwierige Abwägung treffen und einerseits offen und ehrlich Probleme ansprechen und andererseits glaubwürdig versichern, dass sie alles Notwendige zur Beruhigung tun werden", sagte Fratzscher.

Riskante EZB-Zinspolitik

Es gebe bereits jetzt Anzeichen für erhebliche Verluste bei Finanzinstitutionen auch in Deutschland, wie die Abschreibungen der Sparkassen in den vergangenen Wochen zeigten. Die Verluste dürften sich mit jedem Zinsanstieg der Europäischen Zentralbank (EZB) verschärfen. "Daher halte ich die Zinserhöhung der EZB vom vergangenen Donnerstag im besten Fall für eine riskante Entscheidung und im negativen Fall für einen schwerwiegenden Fehler." Es werde sich diese Woche zeigen, ob die US-Notenbank Fed der Zinserhöhung der EZB folgen oder mit Fokus auf Finanzstabilität dies nicht tun werde.

"Die EZB befindet sich in einem schwierigen Dilemma, da sie einerseits die Inflation mit Zinserhöhungen in den Griff bekommen muss und andererseits Zinserhöhungen die Finanzstabilität schwächen", sagte Fratzscher. "Eine Eskalation der Situation und eine Bankenkrise sind zurzeit die größte Gefahr für die Preisstabilität in Deutschland und Europa und könnten die Wirtschaft empfindlich schwächen und die Arbeitslosigkeit erhöhen, weil sie die Kreditvergabe an Unternehmen noch stärker beeinträchtigen würden."

Der Fall der Credit Suisse

Die Credit Suisse hatte zuletzt unter erheblichem Vertrauensverlust der Anleger gelitten. Der Aktienkurs war auf ein Rekordtief gefallen, nachdem der größte Investor der Bank die Bereitstellung von weiterem Kapital ausgeschlossen hatte und das Institut weiter mit Geldabflüssen zu kämpfen hatte. Nach Verhandlungen am Wochenende soll die UBS die CS nun für drei Milliarden Schweizer Franken (3,04 Mrd. Euro) übernehmen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt die Übernahme mit einer Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken (rund 101 Mrd. Euro) an beide Banken.

Ein definitives Ende der aktuellen Bankenkrise sieht Wifo-Ökonom Url noch nicht, die "Schweizer Angelegenheit" sei aber wohl erledigt. Url rechnet aber damit, dass in den USA noch einige Institute durch abströmende Einlagen in eine Liquiditätskrise kommen werden.

Interessant für den europäischen Bankenmarkt werde wie die neue Riesenbank UBS ihr Geschäft ausrichten werde. Die UBS ist aktuell stark auf das Verwalten großer Vermögen spezialisiert, während die CS stark im Investment-Banking involviert war. Wird letzteres aufgegeben, werde es interessant, welche anderen Akteure diese Lücke füllen werden, sagt Url. Die UBS könnte zugleich ihre Vormachtstellung in der Vermögensverwaltung weiter ausbauen und von Skalenerträgen profitieren. Die Größe könne aber auch Nachteile für die UBS mit sich bringen, da es immer schwieriger werde, mit dem eigenen Portfolio über dem Gesamtmarkt zu liegen.

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