Die Bankenpleite im Silicon Valley
Unser "Korrespondent" in Kalifornien, der Wiener Wirtschaftsanwalt ROBIN LUMSDEN, war live vor Ort, als die Start-up-Bank des Silicon Valley über den Jordan ging. Er analysiert, was das für Tech- Investoren bedeutet und wie hoch der Preis der Zinserhöhungen nach den Jahren der lockeren Geldpolitik Jahre noch sein wird.
Autor Robin Lumsden vor Bank: Leitet der Untergang der Silicon Valley Bank die nächste Phase ein?
Wieder einige Wochen in den USA, nicht nur an der Stanford University. Gerade rechtzeitig, um die Pleite der Silicon Valley-Bank (SVB), die zweitgrößte seit 2008, hautnah mitzuerleben und mich beruflich damit auseinanderzusetzen.
Die Bank borgte sich kurzfristig fälliges Geld aus, um es langfristig zu investieren, das ist immer sehr riskant und führte zu Engpässen. Sehr ungeschickt und ohne notwendigen Kontext kommunizierte die Bank in weiterer Folge, dass sie frisches Kapital benötigt, das hat sich dann als "nicht nachvollziehbare Information" über Social Media herumgesprochen. Die Tech-Millionäre des Silicon Valley entzogen der Bank sofort ihre Einlagen, und das Liquiditätsproblem wurde plötzlich zum Existenzproblem.
Einige meiner Mandanten sind große Venture-Capital-Fonds, also Fonds, die von Investoren Risikokapital einsammeln, um es breit gestreut in Startups zu investieren. Die österreichischen und europäischen Fonds haben deren Geld nicht selbst bei der Silicon Valley Bank angelegt, wohl aber einige der Start-ups, in welche investiert wurde.
Relativ rasch war klar, dass diese Einlagen bis 250.000 Dollar gesichert wären. Eine Regelung, die es auch in Österreich gibt - allerdings sind bei uns nur Einlagen bis 100.000 Euro automatisch gesichert.
Die reichen "Dörfer"
Wie ich hier wiederholt publiziert habe, ist auch das Silicon Valley - primär Palo Alto, umgeben von meinen beiden Unis Stanford und Berkeley - ein "Dorf", aber ein wichtiges "Dorf" mit unheimlich viel Geld. Die Silicon Valley Bank war ein Symbol einer Bank mit interessant leichtem Zugang für die lokalen Start-ups geworden.
Gleich nach Auffliegen des Skandals suchte ich auch den Kontakt mit den auf Banken-Bail-outs (Schuldübernahme) fokussierten Professoren beider Unis. Ergebnis: Ich konnte "vor dem Markt und den Medien" meinen Mandanten die gute Nachricht übermitteln, dass ihre Einlagen nicht nur bis zur gesetzlichen Grenze von 250.000 US-Dollar von den "Feds" (dem Bund) gesichert seien, sondern ihre gesamten Einlagen. Solche Informationen früher zu haben, ist vorteilhaft und hilft.
Die Silicon Valley Bank war ein Symbol: eine Bank mit leichtem Zugang zu Geld für die vielen lokalen Start-ups.
Die US-Banken werden für vieles kritisiert - oft zu Recht, oft unberechtigt. In Krisenzeiten sind die Amerikaner uns aber immer wieder mit ihrer Entscheidungsgeschwindigkeit überlegen. Binnen weniger Tage wurde das Risiko der Silicon Valley Bank analysiert und pragmatisch entschieden, ohne den Markt länger zu verunsichern.
Meine Ökonomie-Professoren kamen rasch zum zentralen Befund: "Es wird wohl billiger, der Bank und deren Kunden jetzt zu helfen, als all die Folgeprobleme bei Insolvenzen zu akzeptieren." Keine Frage: Für den Wirtschaftsstandort Silicon Valley und den gesamten US-Markt ist dieser Bail-out ("aus der Patsche helfen") ein Segen.
Die großen Fragezeichen
Ein einfacher Tipp für die Zukunft: Bitte nur einen Teil in Cash halten (bei mehreren Banken!) und den Rest in gerne kurzfristig liquiden, aber historisch sicheren US-Staatsanleihen anlegen.
Dennoch bleiben Fragezeichen. Große sogar. Larry Fink, Mitgründer und Chef von Blackrock, dem größten Vermögensverwalter der Welt, skizziert in seinem natürlich auch hier heftig diskutierten jährlichen Brief an die Investoren weitere Gefahren, die im Finanzsystem vorhanden sein könnten: "Fallen jetzt die Dominosteine?" Die drastischen Leitzinserhöhungen der Zentralbanken im vergangenen Jahr seien deren erster gewesen: "Dies ist ein Preis, den wir für die jahrelange lockere Geldpolitik zahlen."
Der Untergang der SVB könnte laut Fink eine nächste Phase einleiten. Die amerikanischen Aufsichtsbehörden hätten zwar durch entschlossenes Handeln unmittelbare Ansteckungsgefahren abgewehrt, aber die Märkte blieben nervös. Es scheine unvermeidlich, dass einige Banken nun ihre Kreditvergabe zurückfahren müssten, um ihre Bilanzen zu stützen.
Insgesamt aber sei das Finanzsystem besser aufgestellt als in der Finanzkrise 2008, so Fink. Doch den politischen Entscheidungsträgern und Regulierungsbehörden stünden weniger geld- und fiskalpolitische Instrumente zur Verfügung, um die derzeitige Krise zu bewältigen. Tatsächlich würden eine erneute Lockerung der Geldpolitik - etwa durch umfangreiche staatliche Stützungsprogramme - die Inflation wieder aufflammen lassen. Umgekehrt: Eine zu starke Straffung der Geldpolitik könnte die Wirtschaft in eine gefährliche Schieflage bringen.
Bald schien auch der zweite Dominostein in Gefahr: die First Republic Bank, eine private Regionalbank. Rasch wurden Erinnerungen an die Folgen der Lehman-Pleite vor 15 Jahren zitiert. Aber fast ebenso schnell reagierten zum Unterschied zur damaligen Bankenpleite das US-System: US-Börsen haben am 16. März mit deutlichen Gewinnen geschlossen.
Dazu hat auch der Entschluss mehrerer US-Banken beigetragen: Die First Republic bekommt von elf Großbanken eine Finanzspritze von 30 Milliarden Dollar. "Diese Maßnahme durch Amerikas größte Banken spiegelt deren Vertrauen in Banken jeder Größe wider", erklärten die Geldhäuser, unter ihnen Bank of America, Citigroup und JPMorgan Chase. Ebenso groß offenbar die Zuversicht der US-Investoren: Bank-Aktien legten vorerst wieder zu. Selbst die Credit-Suisse-Krise führte vorerst zu keinem Totalabsturz von Banktiteln.
POST SCRIPTUM: Vergleichsweise erholsam lief dagegen eine Visite aus Wien ab: Ministerin Susanne Raab besuchte mich am Stanford Campus wie schon einige Politiker aller Parteien zuvor.
Es ist mein patriotisches Interesse, das geballte objektive Wissen dieser Uni auch österreichischen Entscheidungsträgern zumindest symbolisch zu vermitteln. Wissenschaft sei eine wichtige Beurteilungstangente für die Politik, beide Systeme können nur voneinander lernen, so mein Professor Greg LaBlanc, welcher unter anderem Finanzwirtschaft, Strategie, Innovation in Stanford lehrt.
Zum Abschluss des Besuchs von Susanne Raab erkundeten wir auf Fahrrädern noch den riesigen Stanford-Campus.
DER AUTOR
Robin Lumsden ist Wirtschaftsanwalt in Wien, New York und Washington. Zwei Jahre verbrachte er an der US-Eliteuniversität Stanford. Seine Arbeit als Anwalt und die dort gewonnenen Erfahrungen verarbeitet er jetzt in seiner Kolumne.
Diese Kolumne ist der trend. edition+ Ausgabe vom März 2023 entnommen.
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