Börsen im Hoch: Aktien sind wieder teurer als vor der Krise
Die Börsen sind seit dem Tief wieder zweistellig im Plus, die Gewinnprognosen der Unternehmen wurden dagegen in zweistelliger Höhe revidiert. Womit viele Aktien bereits wieder teurer sind als vor der Krise. Wo die Risiken für einen Crash am höchsten sind, wann ein solcher droht und warum sich bei Firmenkrediten steigende Konditionen erwartet werden.
Nach dem Crash ist vor dem Crash. Nach den Kurssprüngen droht der nächste Downturn, wenn auch erst in einigen Wochen.
Der Geldrausch der Notenbanken und Staaten, die Milliarden in die Hand nehmen, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, sind das neue Opium der Finanzmärkte. Viele Börsen wie das US-Börsenbarometer S&P haben seit dem Absturz der Börsen Kursgewinne in zweistelliger Höhe verbucht und sind wieder auf oder über Vorkrisenniveau. Nur bei deutlich schlechteren Gewinnaussichten. Der deutsche Aktienindex DAX ist alleine im vergangenen Monat um fast 20 Prozent gestiegen, der österreichische ATX um rund 13 Prozent. Nur bei den Asienbörsen wie dem Shanghai Stock Exchange geht die Entwicklung in die andere Richtung. In drei Monaten hat die Börse um rund 14 Prozent eingebüßt. Das Verhältnis von Chance und Risiko bei Aktien schätzt Investor David Tepper mittlerweile als das schlechteste seit Jahren ein. Vor allem die Bewertungen an der US-Techbörse Nasdaq hält er mittlerweile für "verrückt". Den S&P hält er um mehr als 20 Prozent überbewertet.
Anleger schenken den schwachen Wirtschaftsdaten keine Beachtung mehr
Die Zuversicht der Anleger erstaunt auch Georg Graf von Wallwitz, Fondsmanager der Phaidros Funds bei Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement im jüngsten Börsenblatt: "Die Anleger schenken den schwachen Wirtschaftsdaten keine Beachtung mehr.“ Offenbar würden die Anleger bereits über den konjunkturellen Rückgang hinwegblicken. Mark Dowding, Chefinvestor bei BlueBay Asset Management: "Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass Anleger derzeit vom Wunschdenken getrieben werden."
Nur um die Jahrtausendwende waren die Bewertungen noch höher
In den vergangenen Wochen sind die Bewertungen zahlreicher Indizes durch die Decke gegangen. So liegt beim Dax der langjährigen Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre bei einem KGV von 14,8. Jetzt beträgt die Bewertung 20. Nur um die Jahrtausendwende waren die Bewertungen noch höher. Damals wurden die Dax-Konzerne mit dem 30fachen ihrer erwarteten Jahresgewinne gehandelt.

Das Verhältnis Kurse zu Gewinne ist stark gestiegen. Mit 20 ist das KGV im Dax deutlich über jenem der letzten Jahre, beim S&P mit 25 ebenso. Erst 2022 dürfte die hohe Bewertung wieder zurückgehen, so die Prognose der DZ Bank.
Gewinnprognosen deutlich reduziert
Der Weltaktienindex MSCI hat sich seit dem Kurseinbruch im Februar und März bereits zwei Drittel des Rückgangs wieder aufgeholt. Gleichzeitig reduzierten die Analysten ihre Gewinnprognosen um rund 25 Prozent. „Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist in Dimensionen vorgedrungen, die zuletzt zu Zeiten der Technologieblase registriert wurden“, so Börsenexperte Wallwitz. Aktien sind damit auch teurer als vor der Krise.
Casino Royal am Beispiel von Boeing und Hertz
Anleger kann derzeit jedoch nichts von ihrem Kaufwahn abhalten. So stieg alleine gestern die Aktie von Boeing um zwölf Prozent, wegen einer einzigen Kaufempfehlung. Das obwohl kein Mensch weiß, wann die Luftfahrtbranche wieder auf die Beine kommt. Bis die Branche sich dann auch noch neue Flieger leisten kann, eine Maschine kostet wie Lufthanse-Chef Carsten Spohr gestern anlässlich der Präsentation des Rettungspakets erklärt, 150 Millionen Euro. Das will erst einmal verdient werden. Genauso unerklärlich die Kursentwicklung von Hertz. Der US-Autovermieter ist pleite. Die Coronakrise und die damit verbundenen ökonomischen Folgen haben die Nachfrage nach Mietwagen heftig getroffen. "Die Gesamtauswirkungen der Covid-19-Krise haben unsere Einnahmen vernichtet", stand im Insolvenzantrag. Die Schulden: Fast 15 Milliarden Dollar. Und was macht die Aktien? Sie ist in den vergangenen vier Wochen um 70 Prozent gestiegen. Das könnte man getrost als Casino Royal bezeichnen.
Konjunktur im April am Tiefpunkt
Die historisch starke Erholung erfolgte, obwohl die globale Wirtschaft in diesem Jahr so stark schrumpfen zu droht, wie seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr. Der Monat April markiert dabei den konjunkturellen Tiefpunkt. Wenn die Konsumenten mittlerweile vielfach auch wieder optimistischer in die Zukunft blicken, beginnen doch viele Länder die strengen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu lockern. Kursanstiege in diesem Ausmaß rechtfertigen diese, nach Ansicht vieler Experten, dennoch nicht. "Eine wirtschaftliche Erholung erwarten wir im 2. Halbjahr, wenn die Prognose auch mit vielen Unsicherheiten behaftet ist“, gibt Georg Graf von Wallwitz, Fondsmanager der Phaidros Funds bei Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement im jüngsten Börsenblatt einen positiven Ausblick für die Ökonomie.
Leicht steigende Zinsen prognostiziert
Höhere KGVs lassen sich nur zum Teil mit der expansiven Geldpolitik und den damit verbundenen niedrigeren Zinsen rechtfertigen. Ein zusätzliches Kaufargument liefern die im Zuge der enorm expansiven Geldpolitik nochmals gesunkenen Renditen bei Anleihen. Die magereren oder nicht vorhanden Renditen bei Anleihen lassen Aktien zudem immer noch vergleichsweise attraktiv erscheinen. Sollte sich die Konjunktur, wie von Wallwitz erwartet, ab der zweiten Jahreshälfte erholen, sei allerdings wieder mit leicht steigenden Zinsen zu rechnen. „Zudem wird das Gewinnniveau von vor der Pandemie so schnell nicht wieder erreicht werden und auch bei den Dividendenzahlungen Enttäuschungen lauern, könnte die Attraktivität von Anleihen wieder steigen“, prognostiziert der Vermögensverwalter. Insgesamt spricht dies für wieder sinkende KGV.
Größere Risiken in der Eurozone
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie lassen nicht nur die Gewinne einbrechen. Die meisten Unternehmen wagen derzeit auch keine Ausblicke in die Zukunft. „Wir sehen auch keine Aktienregionen im Vorteil, die die geringsten Gewinneinbußen erwarten lassen“, urteilt Wallwitz. „Wirtschaftspolitisch und strukturell sehen wir für die Eurozone die größten Risiken, denn die höhere Verschuldung der Unternehmen und Staaten dürfte die Solidarität der Währungsgemeinschaft weiter auf die Probe stellen“, so der Fondsmanager weiter. Doch für den Fall, dass es an den Börsen wieder deutlich bergab geht, besteht dennoch Hoffnung für Anleger. "Der Wille der Notenbank zu intervenieren, wird sich verstärken, wenn die Märkte besonders schwach sind", glaubt Dowding von BlueBay Asset Management und Spezialist für Anleihen. "Wenn Anleger sich aber auch auf ein gefährliches Terrain begeben, sobald sie davon ausgehen, dass Fed und EZB die Märkte dauerhaft kompromisslos unterstützen können", warnt der Manager.
In den Schwellenländern werde sich die Konjunktur zwar deutlich besser entwickeln als in den Industriestaaten. Für die Aktienmärkte sind aber die globale Investorenstimmung und die Dollar-Entwicklung entscheidend. Das hat sich auch bisher gezeigt, weshalb viele asiatische Aktienindizes seit Februar noch immer im Minus sind. Der Gegenwind von diesen Fronten dürfte anhalten. Aufgrund der Gewinnerwartungen und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen setzt man bei Eyb & Wallwitz auf US-Aktien.
Banken könnten Konditionen für Kredite erhöhen
In der zweiten Hälfte des vergangenen Monats entwickelten sich die Finanzdienstleister und die zyklischen Sektoren deutlich besser als die defensiven. Investoren setzten auf einen kräftigen konjunkturellen Aufschwung in den kommenden Monaten. Auch wir gehen von einer Erholung in der zweiten Jahreshälfte aus, bleiben bei einigen Zyklikern und den Finanzdienstleistern aber vorsichtig. Der wirtschaftliche Schock der vergangenen Monate dürfte bald zu einem Anstieg der Insolvenzen von Unternehmen führen und damit die Banken belasten. Zudem zeichnet sich ab, dass Banken ihre Kreditkonditionen weiter verschärfen werden.
Die Kreditnachfrage sollte demnach tendenziell sinken. Außerdem profitieren Banken von der Differenz zwischen lang- und kurzfristigen Zinsen. Je größer sie ist, also je steiler die Zinsstrukturkurve, desto besser. Auch bei den zyklischen Industriewerten rechnen wir nur mit vorübergehendem Rückenwind. Der globale Einbruch der Kapazitätsauslastungen und Gewinne dürfte die Investitionstätigkeit dämpfen. Dagegen sollte der Technologiesektor allerdings weiter vom gegenwärtigen Digitalisierungsschub profitieren.