"Systemische Manipulation" der britischen Gaspreise? Aufsicht ermittelt

Sie sollen Gaspreise im Großhandel manipuliert haben. Diesen Vorwürfen gehen laut Medienberichten Finanzaufsicht (Financial Services Authority/FSA) und die Energieregulierungsbehörde Ofgem nach. Die Unternehmen weisen die Vorwürfe zurück.

"Systemische Manipulation" der britischen Gaspreise? Aufsicht ermittelt

Ein Energiehändler behaupte, die Preise am britischen Gasmarkt würden "systematisch manipuliert", seine Enthüllungen, die er jetzt in der britischen Zeitung "Guardian" veröffentlichte, seien politischer Sprengstoff für eine gesamte Branche, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" (Mittwochausgabe). Der sogenannte "Whistleblower" sei Mitarbeiter von ICIS Heren, einer Agentur, die für Großkunden tägliche Richtpreise für Lieferverträge ermittle. Nach Meinung des Informanten seien diese Preise durch illegale Absprachen auf Kosten von vielen Millionen Endverbrauchern verfälscht worden.

Ein sehr wichtiger Preis, der in der Branche als Orientierungswert gelte, sei Ende September offenbar genau zu dem Zeitpunkt heftig ausgeschlagen, zu dem die Konditionen zahlreicher langfristiger Lieferverträge festgelegt worden seien, heißt es im "Handelsblatt" (Mittwochausgabe). Im Visier der Behörden stünden alle sechs großen britischen Gasversorger, darunter auch die Töchter der deutschen Versorger RWE und E.ON.

Die Vorwürfe werden von den Unternehmen zurückgewiesen. "Wir zeichnen jede Transaktion auf und kommen damit allen europäischen Transparenzvorschriften nach", so die RWE laut "Handelsblatt". E.ON erklärt der "Süddeutschen Zeitung" zufolge, man habe eine der strengsten Überwachungssysteme in der Industrie und sei zuversichtlich, das "alle unsere Kollegen immer korrekt gehandelt" haben.

ICIS Heren hat laut Reuters selbst eine "ungewöhnliche Handelsaktivität" an die Behörden gemeldet und zwar einige Wochen bevor der Energiehändler an die FSA herangetreten sei, bezugnehmend auf Transaktionen am 28. September, dem Ende des Gas-Finanzjahres und einer sensiblen Periode für den Gashandel. Viele Verträge bauen auf diesem Preis auf.

375 Milliarden Euro-Markt

Es gehe um einen Markt mit einem Volumen von etwa 300 Mrd. Pfund (375 Mrd. Euro), dessen Preise auch für Gesamteuropa richtungsweisend seien, so die "Süddeutsche Zeitung". Der britische Energieminister Ed Davey erkläre, er sei "aufs Höchste alarmiert und bin in Kontakt mit den Ermittlungsbehörden, den Vorwürfen auf den Grund zu gehen." Laut Medienberichten werden bereits Vergleiche mit der Affäre um den Interbankenzinssatz Libor gezogen.

Für E-Control-Vorstand Walter Boltz zeigt der Fall - die Behörden untersuchten konkret, ob Ende September die Gaspreise durch Energieunternehmen künstlich gesenkt worden seien um von der Preisdifferenz zu profitierten - "deutlich, wie wichtig die derzeitigen Anstrengungen der EU sind, Marktmanipulation und Insiderhandel auf den Energiemärkten zu unterbinden“. Es gebe keinen veröffentlichten Preisindex.

Seit Dezember vergangenen Jahres sei die EU-Verordnung über die „Integrität und Transparenz des Energiemarkts“ (REMIT) in Kraft, heißt es in einer Aussendung der E-Control. Insiderhandel und Marktmanipulation im gesamten Großhandel für Strom und Gas seien seither erstmals verboten.

Verankerung in nationalen Gesetzen

„Jene Mitgliedstaaten, die entsprechende Vollzugsermächtigungen für ihre Regulatoren noch nicht in nationalen Gesetzen verankert haben, sollten dies schleunigst tun“, fordert Boltz, der auch Vizepräsident von ACER (Agentur für die Zusammenarbeit der europäischen Energieregulierungsbehörden) ist. Österreich hat ebenso wie England noch nicht umgesetzt. Um derartige Praktiken wie in England in Zukunft systemisch aufdecken zu können, benötige die Agentur aber ausreichende finanzielle Ressourcen. „Die EU ist daher aufgefordert, zusätzliche Mittel für ACER zur Verfügung zu stellen“, verlangt Boltz.

In Österreich wird Gas am Hub Baumgarten gehandelt, wo es ebenfalls Preisreporter gebe. Ein großer Teil der österreichischen Gasmengen geht aber über ölpreisgebundene Langfrist-Lieferverträge mit den großen Gaskonzernen.

Auch die Preisfindung an den Ölmärkten sei im Visier von Aufsichtsbehörden, so die "Süddeutsche". Ein Vorstoß der International Organisation of Securities Commissions (Iosco) - eine Art Dachverband der nationalen Finanzaufsichtsbehörden - für größere Transparenz stoße jedoch auf Widerstand der Branche.