Nigeria wird zum großen Verlierer in Afrika
Wenn es um Boomländer in Afrika geht, wird gerne Nigeria genannt. Doch der westafrikanische Staat könnte die besten Tage bereits hinter sich haben, wenn er nicht mit dem Wandel im Ölgeschäft Schritt hält.

Eine schwindende Nachfrage aus den USA, die zunehmende Konkurrenz auf dem eigenen Kontinent sowie Probleme durch Kriminalität, Korruption und politische Instabilität bringen das Land am Golf von Guinea in die Bredouille.
Vor allem die Bestrebungen der USA, mit Hilfe der Förderung von Schieferöl und -gas unabhängig von Energie-Importen zu werden, setzt die Nigerianer unter Zugzwang. Derzeit exportiert das Land mit rund 700.000 Barrel pro Tag ein Drittel seines Öls in die USA. Die Liefermengen liegen auf dem tiefsten Stand seit 20 Jahren. Die nigerianischen Exporteure verkaufen den Rohstoff schon aktuell mit einem Abschlag von 40 Cent zum offiziellen Preis. Die abnehmenden Importe der USA treffen allerdings auch andere Förderländer in Afrika, darunter Algerien und Angola.
Nigeria leidet unter einer ganzen Reihe von Problemen, dazu gehört nicht zuletzt die Konjunkturabschwächung. Im vergangenen Jahr wuchs die nach Südafrika zweitgrößte Volkswirtschaft des Kontinents nur noch um 6,6 Prozent. 2011 waren es noch 7,4 Prozent. Neben der nachlassenden Öl-Nachfrage aus den Industrieländern, die unter anderem aus der Euro-Schuldenkrise resultiert, sorgt der Aufstand islamistischer Rebellen im Norden Nigerias unter Investoren für Verunsicherung. Zudem verliert der Staat pro Jahr sechs Milliarden Dollar durch den Diebstahl von Öl. Im Nigerdelta wird immer wieder etwas vom Schwarzen Gold abgezweigt. Ferner machen Piraten zunehmend die Küste des Landes unsicher. Die großen Ölkonzerne beklagen sich, dass ihre laufenden Kosten, auch bedingt durch Sicherheitsmaßnahmen, in Nigeria zu den höchsten weltweit zählen. Bei der Verteilung der Einnahmen aus dem Ölgeschäft gehen viele Nigerianer leer aus. Das jährliche Durchschnittseinkommen betrug 2011 laut Weltbank lediglich 1200 Dollar, die Lebenserwartung lag bei 55 Jahren.
Ostafrika holt auf
Nigeria droht bei der Ölförderung den Vorsprung gegenüber anderen afrikanischen Ländern zu verlieren. Südlich der Sahara hat es in den vergangenen fünf Jahren rund 70 große Öl-Funde gegeben, die meisten davon in den ostafrikanischen Staaten Tansania, Uganda und Mosambik. "Es ist ein großes Thema, dass die Öl- und Gaswirtschaft aus Ostafrika ein immer ernstzunehmenderer Konkurrent wird", sagt Kayode Akindele vom Finanzberater 46 Parallels in Lagos. Vor allem die geografische Nähe zu den ölhungrigen, aufstrebenden Staaten in Asien sei ein Vorteil für diese Länder. Händlern zufolge bevorzugen viele asiatische Raffinerien zudem leichtere Ölsorten, die eher in Libyen oder Australien zu finden seien. Vor allem China könnte künftig in einem Markt mit mehr Anbietern und weniger Abnehmern wählerischer werden.
"Nigeria muss mehr dafür tun, um vom wachsenden Markt in Asien zu profitieren", fordert Akindele. Der Staat kann auf das Ölgeschäft nicht verzichten: 80 Prozent der Regierungseinnahmen und 95 Prozent der Einkünfte aus Devisengeschäften basieren auf dem Ölhandel. Den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt hat allerdings nicht der Ölsektor, sondern die Landwirtschaft mit 40 Prozent.
Nach Ansicht von Duncan Clarke, Ölexperte für Afrika bei Global Pacific & Partners, hat sich Nigerias Elite zu lange auf den Einnahmen aus dem Ölgeschäft ausgeruht: "Nigeria hat viele Probleme im Ölsektor. Über viele Jahre hinweg wurden Wachstums- und Produktionsziele verfehlt, während die Konkurrenz weltweit härter geworden ist", sagt Clarke. "Die hohen Ölpreise haben Nigeria lange Zeit abgeschirmt, aber das wird womöglich nicht für immer so bleiben."