Zeitenwende im Onlinetrading
Per Onlinetrading kann jedermann im Kaffeehaus mit Wertpapieren handeln. Der Markt erlebt derzeit einen Umbruch, dadurch entstehen neue Chancen.
Freiheit: Über Apps und mobile Websites werden Trades auf tablet oder Smartphone durchgeführt.
Die aktuellen Kurse am Tablet-PC checken, Aktien am Smartphone kaufen: Auch das Trading bleibt vom Internet nicht unberührt. Mit Hilfe von Onlinebrokern kann heutzutage jedermann mit Wertpapieren handeln - in der U-Bahn, am Arbeitsplatz oder im Kaffeehaus. Einer der größten Anbieter Österreichs für dieses Geschäft war bisher Brokerjet, ein Service der Erste Group. Doch das ändert sich nun: Brokerjet wird geschlossen, und 37.000 Kunden sollen zu George, dem Onlinebankingdienst der Erste Bank, wechseln.
Der Grund dafür ist laut Claudia Höller, Vorstandsmitglied der Erste Bank, dass neue rechtliche Veränderungen umfassende und teure Investitionen in das System erfordert hätten. Im Hinblick auf die bereits geplanten Erweiterungen der neuen Plattform George habe man daher die Entscheidung getroffen, keine doppelten Investitionen zu tätigen. "Unsere Strategie ist, alle Innovationsschritte in George zu integrieren", sagt Höller.
Bis die Kunden aber zu George wechseln, müssen sie sich noch gedulden. Denn der Wertpapierservice für das E-Banking-System der Erste Bank wird erst noch entwickelt und soll im Lauf des kommenden Jahres auf den Markt kommen. So lange steht den bestehenden Brokerjet-Kunden über die Plattform netbanking ein Service namens "Self Directed Investor" zur Verfügung. Wohlgemerkt: Diese Plattform dürfen nur die bestehenden Brokerjet-Kunden nutzen , eine für alle Kunden zugängliche Lösung wird es erst wieder über George geben. Während der Interimsphase werden keine neuen Kunden aufgenommen. "Aber natürlich glauben wir fest daran, dass dann das neue George Service so sexy sein wird, dass es viele neue Kunden anziehen wird", ist Höller überzeugt.

Claudia Höller, Vorstandsmitglied Erste Group: "Wir glauben fest daran, dass das neue George so sexy wird, dass es viele neue Kunden anziehen wird."
Konkurrenz in den Startlöchern
Die Erste Group gibt zwar nicht bekannt, wie viele Kunden nun den Anbieter wechseln - klar ist jedenfalls, dass die Konkurrenz nun die große Chance wittert. So etwa die Hello Bank, die vormals in Österreich als direktanlage.at agierte, rund 73.000 Kunden hat und nun Teil der BNP Paribas ist. Wer hier sein Depot überträgt, der bekommt 50 Euro bei der Depoteröffnung geschenkt, Übertragungsspesen werden bis zu 500 Euro übernommen, die Depotgebühr entfällt bis Ende 2016, Kauf-und Verkaufspesen kosten sechs Monate lang nur 2,95 Euro, auf die Ausgabeaufschläge bei Fonds gibt es sechs Monate lang 90 Prozent Rabatt.
Bei bankdirekt.at, einem Tochterunternehmen der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich, handeln Neukunden einen Monat lang Wertpapiere an allen Börsen und im außerbörslichen Direkthandel um nur einen Euro, auch hier gibt es bis Ende 2016 keine Depotgebühr, und Übertragungsspesen werden bis zu 500 Euro übernommen. Bankdirekt.at hat aktuell rund 19.000 Kunden, jeden Monat kommen 100 neue Kunden hinzu.
Wer sein Depot bis 31.12. bei der Easybank eröffnet, bekommt ebenfalls 500 Euro Spesen refundiert, und zahlt bis 31.3.2016 keine Depotgebühren. Und Neukunden bis 31.12. beim deutschen Anbieter Flatex, die drei Wertpapiertransaktionen im börslichen oder außerbörslichen Handel durchführen, bekommen hundert Euro als Dankeschön geschenkt.

Umbruch am Markt
Doch das Ende von Brokerjet ist nicht der einzige Faktor, der die Umwälzungen in der Branche bestimmt. So hat etwa im Dezember 2014 die französische Großbank BNP Paribas die deutsche DAB Bank, Mutter von direktanlage.at, übernommen. Im Juli gab das Unternehmen daraufhin bekannt, dass direktanlage.at in Hello Bank umbenannt wird. So heißt auch im Heimatmarkt der Franzosen seit 2013 das Internet-Banking-Konzept der BNP Paribas. Der seit 1. Juli zurückgekehrte Vorstandvorsitzende der Hellobank BNP Paribas Austria AG, Ernst Huber, wandelt das Institut nun in eine Vollbank um - inklusive Girokonto, Sparbuch, Kreditkarten und Finanzierungen.
Zugleich werden die bankdirekt.at AG und die Privat Bank AG der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich in die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich Aktiengesellschaft fusioniert. Hier wird ähnlich argumentiert wie bei Brokerjet: Als Teil des Konzerns der Raiffeisen Landesbank OÖ unterliegt die bankdirekt.at AG künftig allen regulatorischen Auflagen einer von der Europäischen Zentralbank geprüften Bank.
Bei der Erfüllung der Aufgaben im Zusammenhang mit diesen regulatorischen Auflagen wurde die bankdirekt.at AG bisher von der Raiffeisen Landesbank OÖ serviciert, aufgrund der weiter verschärften Rahmenbedingungen müsste diese Infrastruktur von bankdirekt.at parallel nochmals neu aufgebaut werden. Auch hier gibt es also eine Verschmelzung, um Doppelgleisigkeiten und hohe interne Kosten zu vermeiden. Bankdirekt.at wird künftig als eigenständiger Geschäftsbereich der RLB OÖ geführt. Die Marke bankdirekt.at, die Produkte, die Konditionen und Ansprechpartner bleiben dabei unverändert, heißt es vom Unternehmen.
Kampfpreise
Vor einem Jahr sorgte außerdem der niederländische Onlinebroker Degiro für Aufsehen, als er mit Kampfpreisen in den hiesigen Markt drängte. So gibt es bei Degiro zum Beispiel keine Depotgebühren, während Kunden der Hello Bank und der easybank bei einem 20.000 Euro schweren Depot mit vier Aktien 20 Euro Gebühren für Depotführung zahlen. Kostenlos ist die Depotführung auch beim deutschen Anbieter Flatex. Bei Brokerjet war die Depotführung ebenfalls gratis -was George in Zukunft für Trader kosten soll, gibt die Erste Bank aus Wettbewerbsgründen nicht bekannt. Verschwiegen gibt sich die Erste Group hier in Hinblick auf die Depotführung ebenso wie auf die Transaktionsgebühren, die für jeden einzelnen Trade anfallen.
Für eine Transaktion an der Börse Wien oder auf Xetra Frankfurt bezahlen Degiro-Kunden pro Trade zwei Euro plus 0,02 Prozent des Transaktionsvolumens. Eine Order an der Börse Wien um 5.000 Euro kostet somit bei Degiro drei Euro, während nach Eigenangabe der Unternehmen auf Anfrage von FORMAT die gleiche Order bei der Hello Bank 15,20 Euro und bei der easybank 14 Euro kostet. Bei Flatex kostet eine Order an der Börse Wien vier Euro, eine Oder in Deutschland kommt auf 14 Euro.
Das besondere Angebot von Flatex: Ausgesuchte Wertpapiere, darunter fast 2.000 Fonds, können ab 1.000 Euro Ordervolumen vollkommen gebührenfrei gehandelt werden, die Ordergebühr übernimmt in diesen Fällen der jeweilige Emittent.

Komfort und Vielfalt
Doch Geld ist nicht alles, es kommt auch auf Transparenz, Service, die Vielfalt des Angebots und die technischen Möglichkeiten an. Hier stellte sich direktanlage.at, das Vorläuferinstitut der Hello Bank, im Mai dieses Jahres in einer Studie der Gesellschaft für Verbraucherstudien (ÖGVS) als Gesamtsieger heraus. Vor allem punktete das Unternehmen bei Angebotsvielfalt, Komfort und Transparenz, während Degiro die besten Konditionen hatte. Die bankdirekt.at AG zeichnete sich durch besonders guten Kundendienst aus. In einem Test der Zeitschrift "Konsument" aus dem Jahr 2014 ging wiederum der deutsche Anbieter Flatex als Testsieger hervor, er erreichte 100 Prozent der möglichen Punkte.
Mit der Note "Gut" wurden in der ÖGVS-Studie direktanlage.at, Brokerjet, Flatex und Bankdirekt.at bewertet, die Note "Befriedigend" gab es für easybank, Degiro, Generali und boerselive.at, den Onlineservice der Raiffeisenbankengruppe Oberösterreich - wobei Generali und boerse-live.at nicht mit den reinen Onlinebrokern vergleichbar sind, sondern das Trading an ihr klassisches Direktkunden-Geschäft inklusive Beratungsleistung koppeln. Kunden müssen ihre persönlichen Präferenzen abwägen: Die reinen Onlinebroker haben bessere Konditionen als die Filialbanken, dafür muss man hier auf Beratung verzichten.
Börse in der Hosentasche
Entscheidend für viele moderne Trader ist aber wohl auch, ob sie unterwegs via App auf ihr Depot zugreifen und traden können. Brokerjet ermöglichte dies für das iPhone und Smartphones mit dem Betriebssystem Android. Für George gibt es schon jetzt Apps für Android und iPhone -es ist also davon auszugehen, dass dies auch für Trader angeboten wird.
Die Hello Bank bietet mit der Hello-Markets-App für Android und iPhone verschiedene Markt-und Kursinformationen inklusive Möglichkeit zum Anlegen von Alerts und Watchlists sowie Option zum Analysieren der Aktien mittels Charttechnik. Die Erteilung von Orders erfolgt aber nicht über die App, sondern über das Finanzportal der Hello Bank, das komplett "responsive" ist: Das bedeutet, dass die Website sich immer an das Format des jeweiligen Bildschirms anpasst, egal ob PC, Tablet oder Smartphone.
Mit der App von bankdirekt.at für iPhone und Android können Kunden Wertpapiertransaktionen tätigen, Kontoinformationen abfragen oder Überweisungen durchführen. Außerdem können Zahlscheine eingescannt werden. Zusätzlich sind aktuelle Aktionen, Kontaktdaten, Bankomaten-Suche, Sperr-Hotline und vieles mehr verfügbar - eine eierlegende Wollmilchsau, quasi.
Das Wertpapierportal boerse-live.at steht als Website in PC-Version zur Verfügung. Die damit verbundene Abwicklungsplattform Raiffeisen ELBA-Internet steht für Kunden sowohl als App (für Smartphones und Tablets optimiert) sowie auch in mobiler und als PC-Version zur Verfügung.
Auch von Flatex gibt es Apps für Android und iPhone inklusive Watchlist, Musterdepot, News und Realtimekurse sowie Möglichkeit zum Wertpapier- und CFD-Handel; zudem bieten die Deutschen eine mobile Website. Die easybank bietet ähnlich wie Raiffeisen eine App für Android und iPhone, über die allerlei Bankgeschäfte rund um die Uhr abgewickelt werden können, inklusive Depotansicht; eine mobile Website gibt es bei easybank nicht. Keine Apps für Tablet-PCs und Smartphones gibt es zurzeit bei Degiro, nach Angabe des Unternehmens sind diese aber in Entwicklung. Unter der Webadresse m.degiro.nl gibt es allerdings eine mobile Website.
Fazit
Es hängt von den persönlichen Präferenzen ab, welchem Onlinebroker man sein Vertrauen schenkt. Wer auf guten Service und Beratung Wert legt, ist in den Händen klassischer Filialbanken wie etwa der Raiffeisen noch immer am besten aufgehoben. Mit guten Konditionen punkten hingegen ausländische Anbieter, wie etwa Degiro oder Flatex. Die Hello Bank wiederum hat allgemein ein Paket geschnürt, bei dem man durch ein vielfältiges Angebot, mobile Apps und günstigere Konditionen als die Filialbanken punktet. Attraktive Lockangebote bieten derzeit so gut wie alle Anbieter anlässlich des Brokerjet-Aus. Wer allerdings noch nicht tradet und sich noch gedulden kann, der kann auch auf den Start des Onlinebroker-Angebots von George warten: Wer weiß, welches Ass die Erste Bank hier noch aus dem Ärmel zaubert.