In der Nacht von Montag auf Dienstag haben sich Griechenlands wichtigste Geldgeber in Berlin getroffen, um die weitere Vorgehensweise in der Schuldenkrise zu debattieren - vorerst aber ohne Ergebnis, wie es scheint. Allerdings sollen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EZB-Präsident Mario Draghi und IWF-Chefin Christine Lagarde vereinbart haben, "mit großer Intensität" weiter nach einer Lösung zu suchen. Beraten wurde Agenturberichten zufolge auch über ein mögliches letztes Kompromissangebot.
Ziel des Treffens war es, eine gemeinsame Haltung in den weiteren Gesprächen mit Athen abzustecken. Die griechische Regierung ringt seit Monaten mit den internationalen Geldgebern um Reformzusagen, die den Weg freimachen sollen für kurzfristige Hilfszahlungen von 7,2 Milliarden Euro.
Das Land muss am 5. Juni eine Kreditrate von rund 300 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) begleichen, wenige Tage später stehen weitere Zahlungen an. Sollte sich bis zum Wochenende keine Einigung erzielen lassen, dürfte Griechenland auch Thema auf dem G7-Gipfel im bayerischen Elmau werden.
Überblick: Griechenlands Deadlines
- JUNI:
1,5 Milliarden Euro an den IWF, zahlbar in vier Tranchen:
5. Juni: 298 Millionen Euro
12. Juni: 335,2 Millionen Euro
16. Juni: 558,8 Millionen Euro
19. Juni: 335,2 Millionen Euro - JULI:
13. Juli: 447 Millionen Euro an den IWF
3,5 Milliarden Euro Zinsen und Tilgung für Staatsanleihen, die im Bestand der Europäischen Zentralbank (EZB) sind. - AUGUST:
3,2 Milliarden für die EZB
165 Millionen Zinsen an den IWF - Weiters:
Im Mai hatte Griechenland zur Rückzahlung von 750 Millionen Euro an den IWF auch auf 650 Millionen von einem eigenen IWF-Konto zurückgegriffen. Unklar ist, wann dieses Geld wieder auf das Konto eingezahlt werden muss. - Im Rahmen des im Mai 2010 vereinbarten ersten Hilfspakets wurden Kredite in Höhe von 73 Milliarden Euro ausbezahlt, davon 20,1 Milliarden Euro vom IWF und 52,9 Milliarden Euro bilateral von den anderen Mitgliedsstaaten der Euro-Zone. Die Rückzahlung der Kredite beginnt erst 2020 und läuft bis 2041.
- Das zweite Hilfsprogramm vom Februar 2012 hat einen Gesamtumfang von 172,4 Milliarden Euro. Davon steuert der Euro-Rettungsfonds EFSF 144,6 Milliarden Euro bei, der IWF 27,8 Milliarden Euro. Bis auf 1,8 Milliarden Euro des EFSF und 16 Milliarden Euro des IWF wurde es bereits ausbezahlt. Die Rückzahlung der EFSF-Kredite beginnt 2023 mit einer ersten Rate von 2,373 Milliarden Euro. Die letzte Rate von 3,6 Milliarden Euro muss Griechenland im Jahr 2057 bezahlen.
- Anders als bei den direkten Krediten der Euro-Partner und des EFSF müssen die IWF-Darlehen bereits getilgt werden. In diesem Jahr sind 8,567 Milliarden Euro fällig. Die letzte Rate von 55 Millionen Euro muss 2024 an den IWF überwiesen werden.Darüber hinaus muss Griechenland Zins und Tilgung für seine umlaufenden Staatsanleihen bezahlen, die sich in privaten Händen, aber auch bei der Europäischen Zentralbank (EZB) befinden. Insgesamt hat das Land 320 Milliarden Euro Schulden, davon gut 240 Milliarden Euro bei der Euro-Zone und beim IWF.
Athen bleibt hart
Ein wenig herrscht in Athen nun Ratlosigkeit, weil niemand dort Genaueres von einem vermeintlich letzten Angebot der Gläubiger weiß. Parallel zum Treffen in Berlin war in Athen am späten Montagabend Regierungschef Alexis Tsipras mit seinen wichtigsten Mitarbeitern und Beratern zusammengekommen. Und die Kompromissbereitschaft der Griechen ist weiterhin nicht sonderlich groß.
"Es gibt keinen Spielraum für mehr Kompromisse", sagte etwa Arbeitsminister Panos Skourletis am Dienstag dem Sender Skai TV. "Wir warten darauf, dass die andere Seite ihrer Verantwortung nachkommt." Tsipras selbst erklärte zu den Verhandlungen, dass es bis jetzt noch keine Einigung gebe, "liegt nicht an der angeblich unversöhnlichen, kompromisslosen und unverständlichen Haltung Griechenlands". Es liege vielmehr "an dem Beharren einiger institutioneller Akteure auf absurden Vorschlägen und einer völligen Gleichgültigkeit gegenüber der jüngsten demokratischen Entscheidung des griechischen Volkes", schrieb er in einem Gastbeitrag für die französische Zeitung "Le Monde".
Einem Bericht der "Welt" zufolge geht Athen jedoch bereits auf seine Gläubiger zu: Wie die Zeitung unter Berufung auf das Umfeld von Verhandlungsteilnehmern berichtete, signalisierte Tsipras, auch über Pensionskürzungen und ein späteres Pensionseintrittsalter sprechen zu wollen. Einen konkreten Vorschlag gebe es aber noch nicht.
Euro und Griechenbonds auf Talfahrt
Die Athener Regierung feilscht seit Monaten mit den europäischen Geldgebern um die Auflagen für dringend benötigte Finanzhilfen - bislang ohne Erfolg. "Weitere Kredite für Griechenland ohne gleichzeitige politische Turbulenzen werden immer unwahrscheinlicher", warnte Devisenstratege Hamish Pepper von der Barclays Bank. Dies sei auch ein Grund für die aktuelle Schwäche des Euro. Dieser verbilligte sich um einen knappen US-Cent auf 1,0907 Dollar.
"Die Grexit-Angst geht um," konstatierte LBBW-Analyst Wolfgang Albrecht. Die Regierung in Athen feilscht seit Monaten mit ihren Euro-Partnern um eine Lösung der Schuldenprobleme. Ohne Einigung auf Reformen als Gegenleistung für weitere Finanzhilfen drohen die Zahlungsunfähigkeit und das Ausscheiden aus der Euro-Zone. Am Freitag muss Griechenland eine IWF-Kredittranche bedienen, deshalb setzt Athen auf eine Einigung vor diesem Datum.
Auch mit der griechischen Industrie geht es weiter bergab. Sie ist im Mai den neunten Monat in Folge geschrumpft. Die Betriebe sammelten weniger Aufträge ein, drosselten die Produktion und strichen unter dem Strich Jobs. Vor allem die Nachfrage aus dem Ausland ist gesunken. "Insgesamt spüren die griechischen Industriefirmen Druck an allen Fronten", sagte Markit-Ökonom Phil Smith. "Deshalb haben sie wieder in den Sparmodus zurückgeschaltet und den zweiten Monat in Folge Jobs abgebaut."
Anleger werden immer unsicherer
Auch an den internationalen Börsen sorgt der steigende Druck auf Griechenland für Unruhe. "Die Anleger werden immer unsicherer, ob Griechenland die Rate am Freitag zahlen kann", sagte Finanzmarkt-Experte Nick Stamenkovic vom Brokerhaus RIA Capital Markets. "Je näher dieser Termin rückt, desto nervöser werden sie." Zum Wochenende sind 298 Millionen Euro eines Kredits des Internationalen Währungsfonds (IWF) fällig. Bis zum Monatsende muss die Athener Regierung rund 1,5 Milliarden für den Schuldendienst aufbringen.
Der Dax pendelte daher zum Wochenauftakt mehrfach um seinen Schlusskurs und verabschiedete sich mit einem Plus von 0,2 Prozent bei 11.436,05 Punkten in den Feierabend. Der EuroStoxx50 gewann 0,1 Prozent auf 3.575,04 Zähler. An der Wall Street notierten Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 jeweils knapp im Minus.
Wahrscheinlichkeit einer US-Zinserhöhung steigt
Verstärkt wurde der Druck auf die Gemeinschaftswährung am Nachmittag (MESZ) von starken US-Konjunkturdaten. Sie gaben den Spekulationen auf eine nahende Zinserhöhung der Notenbank Fed neue Nahrung und damit der US-Währung Auftrieb.
Der Preis der Angst: Anleihenrendite griechischer Papiere bei 25 Prozent
Wegen der Zitterpartie um Griechenland warfen Anleger auch die Anleihen des Mittelmeer-Anrainers aus ihren Depots. Die Kurse griechischer Papiere gerieten unter Druck, die Renditen zogen an. Dies trieb etwa die Rendite der zweijährigen Titel um etwa eineinhalb Prozentpunkte in die Höhe auf 25,069 Prozent. Einige Investoren nahmen daraufhin Kurs auf sichere Häfen. Der Bund-Future, der auf der zehnjährigen Bundesanleihe basiert, stieg daraufhin um bis zu 36 Ticks auf 155,79 Zähler.