Schweigen ist Gold

Um die Goldbestände der Oesterreichischen Nationalbank werden viele Geheimnisse gemacht. Dabei ist es unter Experten strittig, ob man diese Reserven überhaupt noch braucht.

Schweigen ist Gold

So viel weiß man: Es sind 280 Tonnen Gold, die die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) besitzt. Also pro Österreicher in etwa 35 Gramm, Handelspreis: rund 1.500 Euro. Wert dieser Reserven insgesamt: rund 12 Milliarden Euro. Aber da beginnt die Geheimniskrämerei: Wie viel Gold wo lagert? Kein Kommentar, heißt es vonseiten der OeNB. Wann es das letzte Mal gewogen wurde? "Kontrollen finden regelmäßig statt“, sagt OeNB-Sprecher Christian Gutlederer ausweichend. Wie viel davon verliehen wurde? Keine Angabe.

Wenn es um die Goldreserven des Landes geht, agiert nicht nur die OeNB nach dem Motto "Schweigen ist Gold“. Auch in Deutschland und in der Schweiz gab es bisher kaum offizielle Informationen zu diesem Thema. Über Jahre hat das die Gerüchte und Verschwörungstheorien genährt. Ob das Gold überhaupt noch vorhanden sei, wurde gefragt. Ob es noch in der geforderten Qualität vorliege oder die Barren mittlerweile mit Wolframdraht gefüllt seien. Auch warum das Gold zum Großteil im Ausland lagert und ob es angesichts der Krise nicht sicherer wäre, das Edelmetall zurück ins eigene Land zu holen, wird immer wieder diskutiert. Ein wesentlicher Punkt wurde weniger ausführlich debattiert: Wozu brauchen EU-Staaten ihr Gold überhaupt noch?

In Deutschland prüft jetzt der Rechnungshof die Bestände, um die Bevölkerung zu beruhigen. In Österreich könnte das demnächst ebenfalls kommen.

Vier Lagerorte

So viel ist sicher: Österreichs Gold hat sich nicht in Wolfram und schon gar nicht in Luft aufgelöst. Die 280 Tonnen lagern zum größten Teil bei der Bank of England in London. Weitere Bestände sind in Basel und Zürich untergebracht, ein kleinerer Teil befindet sich in Wien. Und die OeNB bestätigt gegenüber FORMAT auch: Ein Teil des Edelmetalls ist verliehen, um Zinsen zu kassieren, denn sonst wirft das Gold als gebundener Vermögenswert ja nichts ab - es kann nur im Wert steigen, was in den vergangenen Jahren ja der Fall war. Über die Höhe der Zinseinnahmen schweigt die Nationalbank aber wiederum.

Einer, den diese Verschwiegenheit stört, ist der FPÖ-Abgeordnete Gerhard Deimek. Mit Abgeordneten der SVP in der Schweiz und der CSU in Deutschland hat er sich deshalb informell zusammengeschlossen. Das Ziel: Licht ins Dunkel zu bringen und Druck aufzubauen. "Notenbanken in Belgien, den Niederlanden und Spanien sind viel transparenter“, sagt Deimek. Er hat unter anderem die Petition "Rettet unser österreichisches Gold“ ins Leben gerufen, die auf Facebook immerhin 318 "Gefällt mir“ verzeichnet und von knapp 1.800 Personen ganz real unterstützt wird. Eines der Anliegen ist, dass Gold ausschließlich in Österreich gelagert wird - nach dem Motto "Unser Gold für unsere Leute“. Vor allem mit dem Standort London ist Deimek gar nicht glücklich.

Laut Notenbank ist es aber sinnvoll, die Goldreserven an den großen Handelsplätzen aufzubewahren. Denn nur so könne Gold auch wieder zu Geld gemacht werden, sollte das einmal notwendig sein. "Denn in erster Linie ist Gold nur noch ein Investment“, sagt ein heimischer Notenbanker.

Was diese Anlage von anderen unterscheidet, ist der hohe symbolische Wert. Gold steht für Sicherheit. Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) wurden zur Euro-Einführung 502 Tonnen Gold deponiert, 22 Tonnen stammen aus den österreichischen Beständen. Rein theoretisch könnte man sie dafür nutzen, um bei einem starken Verfall des Euro gemeinsam mit den nationalen Notenbanken zu intervenieren. Aber auch wenn die 17 Notenbanken der Euroländer zusammen über mehr als 10.000 Tonnen Gold - und damit mehr als die USA - verfügen, kommt man damit im Ernstfall nicht weit: Den 450 Milliarden Euro, die der Schatz derzeit wert ist, stehen beispielsweise 34 Billionen Euro Bilanzsumme aller Eurobanken gegenüber. Als Absicherung einer Währung hat Gold längst ausgedient.

Konsequenterweise haben sich daher viele Notenbanken in den vergangenen 25 Jahren von Teilen ihrer Goldreserven getrennt. 1988 gehörten der OeNB etwa noch 657 Tonnen, angesammelt wurden die Barren nach dem Zweiten Weltkrieg. Rund 350 Tonnen (heutiger Wert: 15 Milliarden Euro) wurden nach und nach verkauft - und halfen zum Beispiel dem ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser, sein angebliches Nulldefizit zu präsentieren. Seit fünf Jahren ist der Bestand stabil, es gibt momentan keine weiteren Verkaufspläne. Ganz in die Karten schauen lässt sich die OeNB aber nicht. "Jede Aussage würde am Markt zu Reaktionen führen“, erklärt Sprecher Gutlederer.

Gold als Reserve der Vergangenheit

"Im Prinzip ist Gold als Währungsreserve für Nationalbanken überflüssig geworden“, meint Gustav Horn, der Leiter des gewerkschaftsnahen deutschen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Er spricht sich dafür aus, nationale Goldreserven zu verkaufen, wenn die konjunkturelle Lage schwächer wird. "Dieses Geld käme zusätzlich und nicht aus den Budgets. Man könnte starke Konjunkturimpulse setzen“, sagt Horn. Er weiß aber auch, dass sich wegen der Symbolik die Regierungen davor hüten werden.

Goldreserven sind historisch entstanden, zur Unterlegung von an sich wertlosen Banknoten. Mit der großen Finanzkrise der 1930er-Jahre verlor der "Goldstandard“ aber an Bedeutung. Für viele Ökonomen war die Bindung der Währungen an das Gold einer der Hauptgründe, warum sich die Weltwirtschaft nicht aus der Depression befreien konnte: Denn die Regierungen konnten kein Geld drucken, ohne es mit Gold zu hinterlegen. Wollten sie Konjunkturprogramme starten, mussten sie gleichzeitig Einsparungen treffen, um mehr Gold zu kaufen. Ein Teufelskreis, vor dem Experten heute warnen, wenn die Idee einer Goldbindung von Krisen-Propheten wieder aufgebracht wird.

"Es gibt in der ökonomischen Debatte keinen größeren Stuss“, meint der Buchautor und Kommentator Wolfgang Münchau. "Hinter dem Goldwahn steckt eine unausgesprochene Ideologie, die eine Rückkehr in eine vorindustrielle, vordemokratische Welt propagiert.“ Dementsprechend kommen die Vorschläge meist von Rechten. Aber anders als in früheren Jahrhunderten gibt es heute viele technische Alternativen, um ein stabiles Zahlungsmittel zu erzeugen.

Dass der Preis von Gold steigt, hat andere Gründe. "In der Finanzkrise wurde Gold von institutionellen und privaten Investoren wiederentdeckt“, sagt Manuel Schuster, Analyst bei der Raiffeisen Bank International. Manche sehen in Gold - nicht ganz zu Unrecht - eine stabile Anlage. Denn im Gegensatz zum Papiergeld ist Gold nicht beliebig vermehrbar und bietet dadurch Inflationsschutz. Allerdings kann der Wert schnell sinken, wenn sich die Konjunktur nachhaltig erholt.

Vor allem für die Krisenstaaten Spanien, Italien und Griechenland wird jetzt zunehmend öfter diskutiert, ob sie nicht ihr Gold einsetzen sollten, um schneller aus der Krise zu kommen. Vor allem Italien und Portugal verfügen über große Goldreserven. Sie könnten damit einen Teil ihrer Staatsanleihen garantieren, wodurch für solche Papiere deutlich niedrigere Zinsen fällig wären. Konkrete Pläne gibt es aber nicht.

Österreich, wo die Anleihezinsen ohnehin niedrig sind, könnte mit Gold sogar direkt Staatsschulden abbauen. Aber so wertvoll der Schatz ist: Die Schulden der Republik würden dann statt 228 "nur“ mehr 216 Milliarden ausmachen.