Sanierungsfall Vorsorge: Kapitalgarantie kann sich als Renditefresser erweisen
Die Reform der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge soll in zwei Monaten auf dem Tisch liegen. FORMAT analysiert, was auf 1,3 Millionen Österreicher zukommt, die auf die private Zusatzpension ansparen.
Lange Zeit war die Anfang 2003 gestartete staatlich geförderte Zukunftsvorsorge ein richtiger Verkaufsschlager. Bis Ende des Vorjahres haben sich bereits mehr als 1,3 Millionen Österreicher mittels der geförderten Privatvorsorge dazu entschlossen, sich beim Aufbau ihrer Pension ein zusätzliches Standbein zu schaffen (siehe Grafiken zur Anzahl der Vorsorge-Verträge sowie zu Prämien und Nettomittelfluesse ) . Das Grundprinzip des Modells ist einfach. Der Bürger zahlt Beiträge in einen Fonds oder eine spezielle Versicherungspolizze ein. Der Staat fördert die mit einer Kapitalgarantie versehenen Einzahlungen, die im laufenden Jahr maximal 2.214 Euro betragen können, mit jährlichen Prämien. Heuer werden 9,5 Prozent Zuschuss boniert. Das eingezahlte Geld wird nach bestimmten Anlagerichtlinien investiert. Auf Aktien unterentwickelter Märkte, dazu werden die Wiener Börse und osteuropäische Aktienmärkte gezählt, kommen derzeit zumindest 40 Prozent der Veranlagung. Der Rest des Geldes wird in Anleihen gelegt.
Einbruch der Erträge
Nach dem Absturz der heimischen Börse und dem Kursrutsch osteuropäischer Aktien sind die Erträge der Vorsorgeprodukte dramatisch eingebrochen. Das treibt Anbietern und Anlegern nun die Schweißperlen auf die Stirn. Zwischen Anfang 2003 und Sommer 2004 liefen die Produkte der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge dank des Börsenbooms mit bis zu plus 25 Prozent noch erstklassig. Ernüchterung folgte auf dem Fuß. Laut Zahlen der Kontrollbank liegen die Zukunftsvorsorgefonds per Ende April auf Jahressicht im Schnitt um 14,5 Prozent unter Wasser. Und selbst in der Börsenrally seit Anfang März wurde so gut wie kein Boden gutgemacht, weil die Manager der Zukunftsvorsorgeprodukte den Aktienanteil nicht rechtzeitig aufstockten. Stattdessen blieben sie in der sicheren Ecke. Es ist nämlich erlaubt, den Aktienanteil durch Futures-Kontrakte abzusichern, was dazu führt, dass sich in manchen Depots statt der Quote von 40 Prozent nur noch rund drei Prozent Dividendenwerte finden. Ein Brancheninsider: Hinter den Produkten der Zukunftsvorsorge stehen Banken als Garantiegeber. Bei den Risikomanagern der Institute geht jetzt die Angst um, dass die Einlösung der Garantiezusagen in Zukunft noch sehr teuer werden könnte. Deswegen müssen die Geldverwalter bei Aktien auf der Bremse stehen.
Renditefresser Kapitalgarantie
In Zeiten wenig schwankender Börsen verursacht die Kapitalgarantie bei den Produkten der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge rund ein Prozent an jährlichen Kosten. Wenn es wie seit Ausbruch der Finanzkrise an den Aktienmärkten zu heftigen Auf-und-ab-Bewegungen kommt, steigen die Garantiekosten jedoch sprunghaft auf bis zu drei Prozent pro Jahr an. Richard Schenz, Kapitalmarktbeauftragter der Bundesregierung: Wer heute für sein 5-jähriges Enkelkind in ein Zukunftsvorsorgeprodukt anspart, muss sich darüber im Klaren sein, dass die Garantie bis zum Pensionsantritt des Enkels ein Vermögen kostet. So viel Kapital kann nicht einmal vernichtet werden, wenn die Aktienkurse in Zukunft abermals dramatisch einbrechen sollten. Deswegen hält der Experte die Einführung einer zweiten Variante der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge, die keine Kapitalgarantie bietet, für überlegenswert. Schenz: Betont Sicherheitsbewusste sollen weiterhin zum Modell mit Kapitalgarantie greifen können. Viele Menschen steigen deshalb nicht in die private Vorsorge ein, weil sie wissen, dass die Garantie eine Kostenfalle ist. Ähnlich wie Schenz ortet Heinrich Schaller, Chef der Wiener Börse, breite Akzeptanz für ein Modell ohne Garantie. Schaller: Wir fordern die garantielose Variante bereits seit etwa drei Jahren, weil vor allem jüngere Menschen aus Performancegründen gerne das höhere Risiko eines Produkts ohne Garantie in Kauf nehmen würden. Auch aufseiten der Fondsanbieter wird die verpflichtende Garantie sehr kritisch beäugt. Mathias Bauer, Chef der Raiffeisen-Fondsgesellschaft RCM: Die Garantieverpflichtung schränkt den Handlungsspielraum unserer Fondsmanager zulasten der Performance stark ein.
Senkung der Aktienquote
Während trotz der kritischen Stimmen eine garantielose Variante wahrscheinlich nicht Teil der nahenden Reform sein dürfte, gilt es als so gut wie sicher, dass eine Reduktion der Aktienquote kommen wird. Manfred Baumgartl, Chef der Allianz Versicherung: Derzeit sind mindestens 40 Prozent des Geldes verpflichtend in Aktien zu investieren. Ich gehe davon aus, dass die untere Grenze in Zukunft bei 25 Prozent liegen wird. Kapitalmarktbeauftragter Schenz: 30 Prozent Aktien wären sinnvoll. Wenn man sich in den Verhandlungen aber auf 25 Prozent einigt, wie es sich die Versicherungsbranche wünscht, kann ich damit auch noch leben. Zusätzlich mehren sich bereits die Stimmen, die eine Verbreiterung des Anlageuniversums für sinnvoll halten. RCM-Chef Bauer: Bislang durften nur Aktien aus Österreich und von osteuropäischen Börsen gekauft werden. Dabei handelt es sich im internationalen Vergleich durchwegs um geringkapitalisierte Papiere, deren Kurse in guten Phasen zwar besonders stark steigen, in Abschwungphasen aber extrem leiden. Um die Schwankungen des Aktienanteils zu reduzieren, schlägt Bauer vor, bei den Zukunftsvorsorgefonds auch Investments in Aktien großer europäischer Konzerne zuzulassen.
Anpassung spaltet Experten
Relativ wenig Harmonie herrscht unter den Experten bei der Frage, wie der Aktienanteil mit steigendem Lebensalter angepasst werden soll. Schenz: Luxemburg hat ein Vorsorgesystem, bei dem die Dividendenwerte in mehreren Stufen verringert werden. Das Modell funktioniert ausgezeichnet. Man könnte das Prinzip ohne Probleme auch in Österreich einsetzen. Günter Geyer, Chef der Wiener Städtische Versichtung und Präsident des Versicherungsverbandes, schlägt vor, das Ablaufmanagement der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge möglichst flexibel zu gestalten. Geyer: Der Aktienanteil soll mit einem Lebenszyklusmodell in Stufen reduzierbar sein. Wenn ein 60-Jähriger nur noch ein Prozent Aktienquote haben will, soll das möglich sein. Wer möchte, soll aber auch eine höhere Quote beibehalten können. Das sollen sich Kunden aussuchen können. Kapitalmarktbeauftragter Schenz: Ich erwarte, dass die Reform vorsieht, dass der Aktienanteil ab dem Alter von 50 Jahren halbiert wird. Wenn also ein verpflichtender Anteil von 25 Prozent beschlossen wird, haben Anleger, die älter als 50 Jahre sind, nur noch ein Achtel des Angesparten in Aktien investiert. Einen Alternativvorschlag hat Allianz-Vorstand Baumgartl: Wenn man zulässt, dass das Angesparte bereits zehn Jahre vor Ende der Laufzeit in eine Pensionszusatzversicherung übertragen wird, ist der Absicherung des Vermögens genüge getan.
Bezüglich der seit Jahren von Branchenvertretern geforderten Möglichkeit, auch mittels Einmalerlag in die Zukunftsvorsorge einzusteigen, zeichnet sich bislang keine Lösung ab. Eines ist jedoch laut Schenz klar: Die staatliche Prämie steht bei der Reform der Zukunftsvorsorge nicht zur Diskussion.
Von Robert Winter