Finanzexperte Max Otte: „Umdenken ist nötig“

Uni-Professor und Investor Max Otte über Krisenherde, Börsenszenarien, Deflationsgefahr und Strategien für die Geldanlage.

Finanzexperte Max Otte: „Umdenken ist nötig“

FORMAT: Geopolitische Risiken trüben die Stimmung der Anleger. Welche Auswirkungen können Krisenherde auf die Finanzmärkte haben?
Max Otte: Die Lage ist sehr besorgniserregend. Der Westen geht im Ukraine-Konflikt unglaublich forsch vor. Das könnte man schon als Aggression bezeichnen. Nun herrscht Wirtschaftskrieg, der mit Sanktionen gegen Russland eingeleitet wurde. Betroffen sind vor allem Österreich und Deutschland. Die Amerikaner können sich zurücklehnen. Sanktionen können der US-Wirtschaft im Zweifelsfall nur nutzen.

FORMAT: Was sind die Folgen für Gesamteuropa?
Max Otte: Ziel ist, die Wirtschaftsverbindungen von Mittel- und Westeuropa zu Russland zu kappen und damit die amerikanische Einflusssphäre zu stärken. Der ehemalige Sicherheitsberater Zbigniew Brzeziński hat 1996 in "The Great Chessboard“ den Fahrplan dazu geschrieben. Das transatlantische Freihandelsabkommen kommt noch dazu. Damit wird Europa seinen letzten Politikbereich mit eigenständigen Gestaltungsmöglichkeiten aufgeben. Europa wird zur Verfügungsmasse für andere. So haben sich das die Gründerväter nicht vorgestellt. So schlecht steht Europa nicht da. Nach den schlimmsten Verwerfungen der Finanzkrise hat die Konjunktur angezogen, die Börsenkurse sind gestiegen. Aber die Euro-Politik war katastrophal, man hat sich totgespart. England und die USA haben das besser gemacht.

FORMAT: Was bedeutet das für die Börsen, welchen Verlauf halten Sie für möglich?
Max Otte: Gemessen an der Bewertung gibt es noch viele Kaufchancen. Das gilt gerade auch für Österreichs Börse. Ich halte zwei Szenarien für möglich. Es gibt viele Anzeichen, dass wir sieben Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise auf einen neuen Kulminationspunkt zugehen und die Lage wirklich hässlich wird. Es ist aber ebenso möglich, dass die Phase des Weiterwurstelns andauert.

FORMAT: Was ist nötig, damit Ihr Negativszenario nicht Realität wird?
Max Otte: Ich hoffe, dass ein Umdenken einsetzt. Sicher ist Präsident Putin ein Machtmensch. Häufig wird aber übersehen, dass Wladimir Putin jahrelang mit Engelszungen für mehr Kooperationsbereitschaft in Westeuropa geworben hat. Putin werden nicht erst jetzt viele Türen vor der Nase zugeschlagen. Diese Abgrenzungspolitik schadet vor allem Europa - und besonders Österreich und Deutschland. Und eine Schwächung Kontinentaleuropas sieht man vielleicht in Washington gar nicht so ungern.

FORMAT: Die Angst vor Deflation ist wieder gestiegen. Zu Recht?
Max Otte: Die Sorgen sind berechtigt. Das gilt nicht nur für Mitteleuropa, sondern für die ganze Welt. Wenn Deflation Realität wird, haben wir ein Problem. Dann ist wieder eine große Krise da, ein Szenario wie zu Zeiten der großen Depression wahrscheinlich. Die Notenbanken können dagegen nichts mehr tun. Die Wirkung ihrer Instrumente ist ausgereizt.

FORMAT: Was legen Sie Investoren in diesem schwierigen Umfeld nahe?
Max Otte: Eine neue große Krise war für mich bis vor einiger Zeit nicht wahrscheinlich. Aber in den vergangenen Wochen hat sich vieles zugespitzt. Man muss die ganzen Gefahren mit einer gewissen Portion Gottvertrauen hinnehmen und weiter in Aktien investiert sein. Zusätzlich sollten Investoren Festgeld und Edelmetalle halten. Europäische Aktien sind anhand fundamentaler Kriterien noch nicht überbewertet. Unter Aktien sind Blue Chips eine gute Wahl. Für Privatanleger eignen sich dividendenstarke europäische Papiere. Es kommen Papiere der Versicherer Allianz, Münchner Rück, AXA und Zurich ebenso in Frage wie Aktien der Energiekonzerne Total, Eni, Enel oder OMV aus Österreich. Diese Aktien eignen sich für Anleger, die nach langfristigen Investments suchen.


In den vergangenen Wochen hat sich die Lage zugespitzt. Eine neue große Krise ist möglich.

FORMAT: Die Renditen sicherer Staatsanleihen sind kürzlich weiter gefallen. Wie sollen und können Investoren darauf reagieren?
Max Otte: Die extrem geringen Renditen sind eine Folge der massiven Staatseingriffe. Festgeld führt zu Vermögensvernichtung, Anleihen und Lebensversicherungen ebenso. Der Immobilienkauf aus Gründen der Geldanlage ist kaum sinnvoll, Immobilien sind schon zu teuer geworden.

FORMAT: Wie investieren Sie Ihr eigenes Geld?
Max Otte: Mehr als die Hälfte steckt in meinen eigenen Unternehmen, wie es sich für einen Mittelständler gehört. Von dem Vermögen, das für Veranlagung zur Verfügung steht, entfallen rund 60 Prozent auf mein Wertpapierdepot. Etwa 30 Prozent halte ich in Immobilien abzüglich Hypothekarkredite. Der Anteil von Veranlagungen in Kunst liegt bei rund fünf Prozent. Ebenso fünf Prozent halte ich in physischem Gold.

FORMAT: Sie fungieren neben Ihrer Tätigkeit als Uni-Professor auch als Manager des Aktienfonds PI Global Value Fund. Welche Aktien sind im Fonds hoch gewichtet?
Max Otte: Vor rund einem Jahr kamen Goldminenaktien in den Fonds, weil die Kurse historische Tiefs erreicht hatten und weil ich glaube, dass der Goldpreis nicht ewig so tief bleiben wird. Zu den top Positionen zählen auch Papiere von IBM und Microsoft sowie des Stromkonzerns Verbund. Kürzlich habe ich Papiere des deutschen Schmierstoffherstellers Fuchs Petrolub gekauft und in die Aktie von Fiat investiert. Das Management ist sehr gut, die Aktie sehr billig. Aber die Autobranche birgt natürlich Risiken.

Zur Person

Max Otte, 49, studierte an der Universität zu Köln, der American University Washington D.C. und der Princeton University. Ab Herbst 1998 fungierte Otte als Assistenzprofessor an der Boston University und als Professor an der FH Worms. Seit 2011 ist Otte, der auch als Fondsmanager aktiv ist, als Professor an der Karl-Franzens-Universität Graz tätig.