Was EZB-Chef Mario Draghi zu sagen hat...
Die Europäische Zentralbank hat am Donnerstag den Leitzins unverändert auf einem Rekordtief belassen. Investoren hoffen nun auf eine Zusicherung des EZB-Präsidenten Mario Draghi, dass die Währungshüter des Euroraums keinerlei Pläne haben, den gegenwärtigen akkommodierenden Kurs zu beenden. Die Wünsche der Investoren konnte Draghi dann auch erfüllen. Er schließ sogar eine weitere Zinssenkung nicht aus.

Der EZB-Rat hat auf seiner Sitzung in Frankfurt am Donnerstag den Hauptrefinanzierungssatz den zweiten Monat in Folge bei 0,5 Prozent belassen, nachdem er ihn im Mai um einen viertel Prozentpunkt reduziert hatte. In einer Bloomberg-Umfrage hatten 61 von 62 Ökonomen unveränderte Zinsen prognostiziert, nur Morgan Stanley hatte als einziges Institut eine Senkung erwartet.
Nachdem die zehnjährigen portugiesischen Anleiherenditen am Mittwoch aufgrund der Regierungskrise erstmals seit November über acht Prozent gestiegen sind und die Federal Reserve eine mögliche Reduzierung der geldpolitischen Impulse signalisierte, hoffen Investoren auf eine Zusicherung des EZB-Präsidenten, dass die Währungshüter des Euroraums keinerlei Pläne haben, den gegenwärtigen akkommodierenden Kurs zu beenden. Einige Ökonomen erwarten, dass Draghi sogar einen Schritt weiter gehen und sich zur Tendenz der Zinsen äußern wird.
Die EZB hat den Einlagensatz unverändert bei null und den Spitzenrefinanzierungssatz bei ein Prozent gehalten. Die Bank of England hat ihr Bondkaufziel bei 375 Mrd. Pfund (440 Mrd. Euro) und den Leitzins bei 0,5 Prozent belassen. Sie schrieb jedoch in einer Erklärung, dass die beträchtliche Aufwärtsbewegung der Marktzinsen auf dem Konjunkturausblick laste.
Bloß nicht das Inflationsziel gefährden
Vor knapp einem Jahr hatte Draghi den Anstieg der Fremdkapitalkosten mit der Zusicherung gestoppt, er werde alles Notwendige tun, um den Euro zu bewahren. Nun signalisieren Bondinvestoren, dass mehr nötig ist, in Worten, wenn nicht in Taten. Der EZB-Chef benutzte im März eine Art der Erwartungslenkung, als er erstmals sagte, dass die Geldpolitik so lange akkommodierend bleiben wird wie nötig. Da einige Konjunkturindikatoren eine Verbesserung zeigen, besteht die Herausforderung für ihn nun darin, eine Zusicherung abzugeben, dass die Notenbank die Zinsen weiterhin niedrig halten wird, ohne das Inflationsziel zu gefährden oder sich in eine Ecke zu manövrieren.
Eine weitere Lenkung der Erwartungen dürfte der EZB helfen, zu vermeiden, dass die Marktzinsen in den 17 Euroraum-Ländern auf ein Niveau steigen, das eine Überwindung der bisher längsten Rezession des Währungsraums verhindert.
Draghi wird die Pressekonferenz nutzen, um den Banken und den Märkten zu versichern, dass es einen Konsens hinsichtlich einer akkommodierenden Politik gibt, sagt Christian Schulz, Ökonom bei Berenberg Bank in London. Er wird alles Mögliche bieten, um zu signalisieren, dass die EZB die Zinsen so lange wie nötig sehr niedrig, das Liquiditätsangebot großzügig und die OMT-Zusicherung glaubwürdig halten wird.
OMT, oder geldpolitische Outright-Geschäfte, bezeichnet die bisher noch nicht in Anspruch genommene Zusicherung der EZB, Anleihen von krisengeplagten Ländern im Euroraum, die sich zu einem Reformprogramm verpflichten, aufzukaufen. Seit der Bekanntgabe des OMT-Programms im September hat es die Fremdkapitalkosten von hoch verschuldeten Ländern eingedämmt.
Offen für alle möglichen Optionen
Draghi erklärte am 26. Juni in Paris, dass er gegenüber allen möglichen Instrumenten offen eingestellt sei. Im vergangenen Monat sagte er, dass die Optionen unter anderem beinhalten, Banken für die Hinterlegung von Geldern bei der EZB zur Kasse zu bitten, Sicherheiten-Anforderungen zu lockern, den Markt für forderungsbesicherte Papiere wiederzubeleben und Investoren mehr Orientierungshilfen zu geben, wie lang die Fremdkapitalkosten niedrig bleiben werden.
Draghi wird wahrscheinlich auf den jüngsten Anstieg der Anleiherenditen eingehen, sagt Carsten Brzeski, leitender Ökonom bei ING in Brüssel. Er wird nicht traditionelle geldpolitische Instrumente sondern das andere mächtige Instrument der Zentralbanker nutzen: Worte.
EZB goes Fed: Zinsen bleiben längere Zeit niedrig oder niedriger
Die EZB lässt sich erwartungsgemäß tatsächlich eine Hintertür für weitere Zinssenkungen offen. Das aktuelle Rekordtief von 0,5 Prozent sei keine Untergrenze, sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Auch hatte er erstmals - wie die US-Notenbank Fed - einen längeren Ausblick für die Zinsen gegeben: "Der EZB-Rat geht davon aus, dass die Schlüsselzinsen in der Euro-Zone noch für eine längere Zeit auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben." Konkreter wurde Draghi allerdings nicht: "Längere Zeit heißt nicht sechs Monate, heißt nicht zwölf Monate, sondern heißt längere Zeit."
Draghi betonte, die EZB-Spitze habe auf ihrer Sitzung eine Zinssenkung erörtert. Zudem werde der konjunkturstützende Kurs noch länger weitergehen. "Unser Ausstieg ist noch sehr weit entfernt."
Zitate von Draghi
@Zinsen:
"Die Zinsen werden für eine längere Zeit auf dem gegenwärtigen Niveau oder darunter liegen."
"Es sind nicht sechs Monate, es sind nicht zwölf Monate - es ist ein ausgedehnter Zeitraum."
"Der EZB-Rat ist den bisher beispiellosen Schritt gegangen und hat einen Ausblick gegeben. Wir haben uns einstimmig dafür ausgesprochen."
"Der EZB-Rat wollte für die nähere Zukunft eher eine Abwärtstendenz bei den Zinsen ins Spiel bringen."
"Wir hatten eine längere Diskussion über eine Zinssenkung."
@Risiken durch niedrige Zinsen:
"Wir alle sind uns einig, dass niedrige Zinsen ernsthafte Risiken für die Finanz-Stabilität beinhalten. Derzeit sehen wir diese Risiken aber nicht, und wir sehen alle die Faktoren, die uns dazu gebracht haben, den neuen Ausblick zu geben."
@Ausstieg:
"Ich werde bestätigen, was wir das letzte Mal gesagt haben, und was einige von uns auch verschiedentlich gesagt haben, dass alles in allem unser Ausstieg noch in ferner Zukunft liegt."
@Negative Einlagenzinsen:
"Wir sind weiterhin unvoreingenommen, wir sind technisch vorbereitet, und das ist grundsätzlich eine der Optionen, die wir für die Zukunft haben."
@Kommunikation:
"Der EZB-Rat hat das Gefühl, dass er heute einen signifikanten Schritt nach vorne gegangen ist, und ganz ehrlich ist es zu früh, um über weitere Entwicklungen in der Kommunikation zu spekulieren."
@Gründe für Ausblick:
"Wir rechnen mit einer Entwicklung der Inflation auf mittlere Sicht, die so aussieht, dass ein neuer Weg der Kommunikation über den Ausblick gerechtfertig ist, (...) eine Abwärtstendenz bei den Zinssätzen."
@Portugal:
"Ich denke, Portugal hat bemerkenswerte Ergebnisse erreicht. Es war ein schmerzhafter Weg, und die Ergebnisse sind ziemlich signifikant, bemerkenswert, wenn nicht herausragend. (...) Wir sind beruhigt, was die neue Finanzministerin angeht, nach allem, was wir von ihr wissen, ist Portugal in sicheren Händen."
@Weiterer Schuldenschnitt für Griechenland:
"Derzeit läuft eine Überprüfung. Griechenland wird sein wirtschaftliches Programm fortsetzen. Es hat signifikante Fortschritte erreicht. Deswegen denke ich, dass wir das anerkennen müssen."
@Verbesserung der Lage am Finanzmarkt:
"Die jüngsten Entwicklungen, die breite Verbesserung der Lage an den Finanzmärkten seit vergangenem Sommer sollten ihren Weg in die Realwirtschaft finden, genauso wie die Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung."
@Aussichten für die Wirtschaft:
"Die Risiken für den Konjunkturausblick für die Euro-Zone sind weiterhin abwärts gerichtet."
@Inflation:
"Der zugrundeliegende Preisdruck wird mittelfristig gedämpft bleiben."