Das Gesetz der Halbkreise
Viele Betriebe aus dem tiefen Waldviertel haben längst resigniert. Nicht so die Leyrer+Graf GmbH Trio-Sieger 1996 im Bereich Gewerbe. Die Baufirma hat sich in den letzten Jahren mit viel Mut und unternehmerischer Brillanz zum Branchenprimus Niederösterreichs hinaufgearbeitet.

Die Grenze war jahrzehntelang hermetisch geschlossen, der Stacheldraht verlief ein paar hundert Meter hinter dem Firmengelände in Gmünd. Ein Standort mit schwerem Nachteil. Doch Firmenchef Franz Graf nahm die Her-ausforderung gerne an: Jeder normale Betrieb hat einen kreisförmigen Markt rund um seinen Standort, wir in Gmünd hatten nur einen Halbkreis. Um die fehlende Fläche zu kompensieren, muss¬te man frei nach Adam Riese ganz einfach den Radius erweitern. Und das ist Graf recht eindrucksvoll gelungen.
Gmünd ist trotz Öffnung der Grenze noch immer Krisenregion. Die Einwohnerzahl ging in 20 Jahren von 7500 auf 5000 zurück, doch Leyrer+Graf hielt tapfer die Stellung, stieg zum größten Bauunternehmen Niederösterreichs auf (österreichweit: Rang zehn) und ist größter Arbeitgeber der Region ein gutes Drittel unserer Beschäftigten kommt aus dem Raum Gmünd, sagt Graf.
Offenbar hatte er eine Menge richtig gemacht, seit er 1947 als Lehrling eintrat und 1958 Mitgesellschafter und Geschäftsführer wurde. Als Erstes musste der Aktionsradius erweitert werden: Dazu übernahm man vorerst einen Betrieb in Horn, eröffnete 1983 eine Betriebsstätte in Wien-Döbling und expandierte nach einem Zwischenschritt über Freistadt auch nach Linz. Gleichzeitig wurden vor der eigenen Haustüre laufend kleinere Konkurrenten übernommen, denn es gab im Waldviertel, so Graf, viele Betriebe, die sich nicht an Neues anpassen konnten. Expandiert wurde allerdings stets in kleinen Schritten und gleichsam auf Sicht: Der vorherige Happen musste erst verdaut werden, und für den Firmenchef besonders wichtig Bankkredite mussten pünktlich getilgt werden, dann bekam man nämlich bei Bedarf leicht neues Geld.
Die reibungslose Abwicklung der Projekte insbesondere von prestigeträchtigen wie dem Magna-Werk im Industriepark Gmünd/České Velenice, den Pistensanierungen auf dem Flughafen Schwechat und dem Bau eines Teilstücks der EVN-Hochdruckgasleitung West festigte die Reputation. Zufriedene Kunden kommen wieder, und sie empfehlen uns weiter, sagt Graf. Entscheidend sei die Verlässlichkeit (Termine und Qualität müssen beinhart eingehalten werden), außerdem müsse man den Mut haben, rechtzeitig Nein zu sagen.
Mit seinen Waldviertler Mitarbeitern fällt es, wie man hört, nicht allzu schwer, Termine einzuhalten, denn die Bereitschaft, im Notfall Wochenenden und Nächte durchzuarbeiten, sei hier größer als anderswo. Obwohl die Gagen kaum höher ausfallen als bei der Konkurrenz und obwohl man längere Anfahrtszeiten in Kauf nehmen muss. Und bei Leyrer+Graf gebe es eine eigene Kultur im Umgang mit den Mitarbeitern, Probleme würden von allen Betroffenen in kooperativer Weise besprochen, freilich mit Blickrichtung auf den nachhaltigen Unternehmenserfolg. Dazu komme vor Ort die nötige Infrastruktur, damit sich die Mitarbeiter, so Graf, geborgen fühlen und nach dem Stress auf der Baustelle zurückziehen können. Nach seinem Verständnis sei Betriebsgeschehen in erster Linie menschliches Geschehen. Deshalb sei die Pflege der Zusammenarbeit essenziell.
Vielseitig geblieben
Wichtig ist dem Waldviertler Bauunternehmer logischerweise auch die Nachwuchspflege: Das ist unsere beste Zukunftsvorsorge. Heuer haben wir 72 Lehrlinge in Ausbildung, und aus ihren Reihen wollen wir später auch einige Führungskräfte rekrutieren. Das Beschäftigungsangebot ist bei Leyrer+Graf jedenfalls vielfältig. Im Gegensatz zum Branchentrend habe man sich nicht auf Sparten spezialisiert, sondern sei vielseitig und flexibel geblieben was in unserer Region überlebenswichtig war (Graf). Ein kluger Schritt war übrigens der frühe Einstieg in den Holzbau. Als andere auf den neuen Trend aufsprangen, konnten die Waldviertler längst Kompetenz vorweisen.
Mittlerweile hat nun auch bei Leyrer+Graf so etwas wie eine kontinuierliche Hofübergabe begonnen: Sohn Stefan Graf ist 2010 nach neun Lehr- und Wanderjahren in Wien als fertiger Diplomingenieur nach Gmünd zurückgekehrt und übernimmt nach einem betriebswirtschaftlichen Kurzstudium nun laufend Führungsaufgaben im Betrieb. Zu seinen neuen Aufgaben zählt unter anderem die ständige Verbesserung der Arbeitsabläufe, wobei es so der Junior darum geht, ständig den Sand aus dem Getriebe herauszuholen und sich so wertvolle Kostenvorteile gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen.
Inzwischen hat sich übrigens auch das alte Dilemma mit dem Halbkreis erübrigt. Graf senior hat in den letzten Jahren jenseits der Grenze zahlreiche Unternehmen aufgekauft, saniert und fusioniert. Womit das zähe Bauunternehmen aus Gmünd nun endlich in der Normalität angekommen ist. Wir haben jetzt einen kreisförmigen Markt rund um uns, freut sich Graf, hat halt ein bisschen gedauert.
LEYRER+GRAF BAU GMBH - GR.
GESELLSCHAFTER: Familie Graf 100%
FIRMENSITZ: 3950 Gmünd
UMSATZ 1995/96: 53,6 Mio. Euro; EBIT-Marge: 3,2%
UMSATZ 2011/12: 217,5 Mio. Euro; EBIT-Marge: 2,2%
EXPORTANTEIL AM UMSATZ: n.v.
MITARBEITER 1995/96: 800
MITARBEITER 2011/12: 1400
GEWERBEBERECHTIGUNG: Baumeister u. a.
INTERNET:
www.leyrer-graf.at