Nullegodefizit

Alles Quatsch. Der Finanzminister ist nicht kalt erwischt worden. Er hat seine Amour fou präzise geplant.

Ich muss mein Urteil revidieren. Nochmals revidieren eigentlich: Also ursprünglich hatte ich gedacht, Karl-Heinz Grasser ist der bekannt gute Selbstvermarkter, und dahinter verbirgt sich ein zynischer, selbstreflektierender und intelligenter Knabe.

Dann kam Phase zwei – alles anders. „Pressestunde“ vor einem Jahr: War nicht ganz so gut für ihn. Beim nassforschen Formulieren bin ich besser, bei der Schnösel-Frisur kann ich mithalten. Also eine durchaus befriedigende Stunde österreichischen Fernsehens.

Mit einem überraschenden Nachschlag: Er war der unlockerste Mensch beim Bier danach. (Er trank Tee! Tee!) Er verfügt über kein bisschen Selbstironie. Er war auf keine Konversationsebene zu bringen. Nicht mal ein volkswirtschaftlicher Diskurs. Einfach ein Grassernix.

Seit jener „Pressestunde“ grüßt mich Grasser übrigens eher verhalten: freundlich wie ein Stacheldrahtzaun, das Lächeln eines Parkverbotsschildes.

Und jetzt kommt plötzlich Phase drei: Der Tupperware-Verkäufer ist in Wahrheit ein Dramaturg klassischer Dramen. Ein vermeintlicher Clark Kent ohne Superman entpuppt sich als Kreuzung zwischen Sean Connery und Roland Düringer.

Hollywood statt Bollywood. Österreichische Wertarbeit statt südamerikanischen Flüchtlingskinds. Swarovski statt Corrales. Blonde Strähnen statt dunkler Tränen.

Eine Woche lang führt sich das Land selbst an der Nase herum: Darf man über das Privatleben eines Politikers berichten? Darf man darüber überhaupt sprechen?

Ich dachte mir intellektuell etwas verspreizt: Klar muss man darüber schreiben. Denn die Addition der Grasser-Affären ist nicht nur eine stete quantitative Veränderung. Indem sich das eine zum anderen summiert, entsteht vielmehr ein qualitativ anderes Phänomen: Grasser ist meschugge. (Das ist ein schlechtes Wort für den ehemaligen Proponenten einer extrem rechten Partei. Ich weiß.) Er macht damit auch das Amt des Finanzministers ganz verrückt.

Herbert Lackner analysiert im „profil“ streng: Der Kerl kann von Homepage über Upgrading bis zur aktuellen Affäre (mit dem Porsche) nicht zwischen Privatleben und Politik unterscheiden, und er darf daher genau an jener Kante journalistisch behandelt werden. (Ich schreib es hier nochmal und warte auf Reaktionen: MIR PERSÖNLICH BEKANNTE PERSONEN ERZÄHLEN, GRASSER HABE GEPRAHLT, DASS ER NUN ZWAR EINEN PORSCHE GRATIS ZUR VERFÜGUNG GESTELLT BEKOMMEN HAT, DASS ER SICH ABER NICHT TRAUT, MIT DEM GESCHENK SELBST HERUMZUKURVEN. Diesen Porsche hat seine Verlobte Natalia Corrales-Diez dann bekanntlich zerlegt.)

Ein paar Versprengte finden noch eine Woche nachdem „News“ Kussfotos von Grasser und Fiona Swarovski veröffentlicht hat, dass man das alles nicht anrühren darf.

Und dann eben Phase drei. Alles ist anders. Was haben wir uns unnötig angestrengt!

Wieder „News“, die nächste Ausgabe, brillant wie zu den besten Zeiten. Da gibt es also auch noch ein Video mit den Hauptdarstellern Fiona und Karl-Heinz. Schauplatz: das „Bill Bentley Pub“ in Paris Charles de Gaulle (bekommt der Hilfiger-Porsche-Businessclass-Boy jetzt auch einen Bentley vergünstigt?). Die beiden haben sich absichtlich filmen lassen. Blicke in die Kamera. „Danach folgt eine Kuss-Szene. 46 Sekunden lang“, reportiert „News“. Man hat vor Publikum gespielt: eine österreichische Reisegruppe. Einem Herrn drückt Grasser seine Kamera (auch vergünstigt?) in die Hand, damit der Erinnerungsfotos für die Liebenden schießt.

Der Plot kaum zu überbieten: ein Finanzminister; die Milliardärin mit Österreichs nunmehr bekanntesten Beinen; Paris; zu Hause die Verlobte (ein politisches Flüchtlingskind); Trennung; Porsche Cayenne; Wahlonkel; Unfall; Versöhnung vor „Krone“-Fotografen. Ein bisserl Droge – französischer Rotwein aus der Karaffe – ist bei der Inszenierung wohl auch im Spiel.
(Nebenschauplatz: Matthias Winkler – Grassers Kabinettschef, sein Homepagevereinsobmann und Freund – spielt auch wieder eine Rolle. Er heiratete in eben diesen Tagen die Sacher-Erbin. Gab es da Männergespräche über die bessere Braut?)

Nix Paparazzi. Nix verklemmte Diskussion, ob man über „Privates“ berichten dürfe. Der Finanzminister war ganz einfach so begeistert von sich, dass er seine Emotionen mit uns teilen wollte. Er hat seine Amour fou präzise geplant.

Nullegodefizit. Für diesen Mann ist Selbstreflexion ein Badezimmerspiegel. Aber er hat Chuzpe.

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