Lassen wir die Heuschrecken im Dorf

Die Kapitalismus-Kritik ist nicht nur vordergründig, sondern auch falsch. Oder wollen wir höhere Preise, niedrigere Pensionen und noch weniger Jobs?

Zugegeben. Die jüngste Meldung des Wirtschaftsforschungsinstitutes, dass unsere Wirtschaft in den nächsten Jahren um rund 2,3 Prozent wachsen, die Arbeitslosenrate aber nicht zurückgehen wird, lässt nicht gerade Freudentaumel aufkommen. Dafür jedoch den bösen Raubtier-Kapitalismus verantwortlich zu machen ist ungefähr so logisch, wie wenn George W. Bush den Friedensnobelpreis erhalten würde.

Aber dennoch. Der Spruch des deutschen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering von den „Finanzinvestoren, die wie Heuschrecken über Unternehmen herziehen, sie abgrasen und dann weiterziehen“, hat die Qualität eines Werbetextes, der es schafft, selbst den Papst davon zu überzeugen, dass die Kirche die Wurzel allen Übels ist. Manager, die Mitarbeiter feuern, zugleich den Aktionären 25 Prozent Rendite abliefern und dafür millionenschwere Gagen kassieren, gelten nunmehr als die hämisch grinsenden Totengräber unserer Gesellschaft.

Sind sie das wirklich? Dass in Zeiten von aufbrechenden Grenzen, immer stärker auseinander klaffenden Einkommen, Arbeitsplatzängsten und Pensionsunsicherheiten die Suche nach Sündenböcken ein schnelles Ende findet, liegt in der Natur der Situation. Ein gründlicher Blick auf den real existierenden Kapitalismus zeigt jedoch, dass auch die Anhänger der Partei Münteferings, egal, ob in Deutschland, Österreich oder in jedem anderen Land Europas, davon in Wahrheit selber gründlich profitieren:

Österreichs Banken beispielsweise haben schon früh begonnen, in den Osten zu expandieren. Genauso wie andere strategisch gut geführte heimische Konzerne à la OMV, Wienerberger oder auch die Telekom Austria. Aber bleiben wir beim bösen Kapital: Erste Bank, Bank Austria Creditanstalt oder RZB zählen zwischen Ungarn und Bulgarien zu den führenden Kreditinstituten. Und sie verdienen dort viel Geld. Zum einen, weil das rasche Wachstum nach Krediten verlangt, und zum anderen, weil die Mitarbeiter in den dortigen Filialen zu einem Bruchteil des österreichischen Lohnniveaus arbeiten. In Österreich hingegen ist das Geschäft ein enden wollendes und die aus angeblich wohl erworbenen Rechten entstandenen Gehaltsansprüche sind unermessliche. Genau gesagt: Aus den fast ausschließlich aus dem Ostgeschäft stammenden Gewinnen der heimischen Konzerne werden die Gehälter der in Österreich beschäftigten Mitarbeiter bezahlt, werden heimische Arbeitsplätze gesichert.
So viel zum Thema Gefahr aus der Öffnung der Grenzen.

Bleiben wir im Bankensektor. Schließlich hat der Fluch des bösen Kapitals ja seinen Reiz. Angeblich verdienen Banken-Bosse ja unanständig hohe Gagen, nur weil sie den Aktienkurs ihrer Unternehmen auf Steigflug bringen. Aber wem kommt denn der Aktienkurs zugute? Münteferings Heuschrecken natürlich – aber nicht nur ihnen. Das neue österreichische Vorsorgesystem knüpft seine staatlichen Förderungen an ein Investment der Pensionsfonds in heimische Aktien. Also jene Wertpapiere, deren Kurse von hoch bezahlten Managern zum Steigen gebracht werden. Und die Anzahl jener Menschen, die als Anleger in Pensionsfonds von diesem kalten, menschenverachtenden Kapitalismus profitieren, liegt in Österreich schon weit über einer halben Million.

Anders gesagt: Kaltschnäuzige Kapitalisten machen uns zu sorgenfreien Pensionisten.

Interessanterweise gibt es zu Münteferings politisch-biblischem Kapitalisten-Bannspruch auch ein proletarisch-weltliches Gegenstück: das Motto „Geiz ist geil“. Der Kauf billigster Waren ist kein Zeichen tiefsten sozialen Abstiegs mehr, sondern im Gegenteil ein Beweis höchster ökonomischer Intelligenz – auch wenn das zulasten der Arbeitskräfte in unserem schönen, aber teuren Europa geht. Und mittlerweile geht es dabei nicht mehr nur um T-Shirts oder CD-Player
made in Taiwan. Als Nächstes sind die Autos dran. China schickt Fahrzeuge um 15.000 Euro auf den europäischen Markt, Renault produziert in Moskau und Rumänien sein Unter-10.000-Euro-Modell Logan, VW den gleich billigen Fox in Brasilien. Dass schlecht bezahlte Arbeiter im Osten damit den hoch bezahlten in der europäischen Autoindustrie Konkurrenz schaffen, macht in der Geiz-ist-geil-Gesellschaft niemandem einen Kratzer ins Fahrwerk des Gewissens.

Das ist die Antwort der Konsumenten auf Münteferings Heuschreckenplage.
Natürlich ist das Auseinanderklaffen von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in Europa das größte Problem. Aber die Lösung dafür kann nicht in einem Wiederauferstehen von staatlichen Regeln bestehen. Sondern in Investitionen für den Ausbau von Infrastruktur und Förderung von Innovationen. Die von Müntefering losgetretene Kapitalismusdiskussion ist letztendlich nichts anderes als ein erstaunlich gut geglücktes Ablenkungsmanöver der SPD und der schnell aufgesprungenen SPÖ von ihren eigenen Problemen.

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