So ticken wir richtig
Viele Probleme haben neurobiologische Ursachen und lassen sich daher auch hirngerecht lösen.

Warum scheitern Veränderungsprozesse?
Wieder einmal die schönsten Neujahrsvorsätze gefasst, nur um bereits am Dreikönigstag fest im alten Trott zu marschieren? Nicht ärgern - üben! Übung macht den Meister, denn Schuld ist schlicht die Macht der Gewohnheit. Zwischen 80 und 90 Prozent des menschlichen Verhaltens bestehen aus Gewohnheiten. Sie laufen automatisch, unkontrolliert und abhängig vom Umfeld ab. Sie haben nichts mit Faulheit oder Bequemlichkeit zu tun. Ganz nüchtern betrachtet stellen sie einen der wichtigsten Energiesparmodi des Gehirns dar. Erst durch die Bildung von Gewohnheiten können wir Ressourcen für das Gehirn freischaufeln, die wiederum für das Lernen von Neuem benötigt werden. Bis neues und erwünschtes Verhalten zur Gewohnheit wird, braucht es allerdings viele Wiederholungen und das Herstellen eines neuen Zusammenhangs. Altes Umfeld = alter Trott. Denn bestimmte Auslösereize spulen die in den Basalganglien abgespeicherten Verhaltensmuster automatisch ab.
Lösung: Geben Sie keine Checklisten für Veränderungen aus, sondern erzählen Sie eine faszinierende Geschichte. Die dadurch entstehenden Gedächtnisbilder sind so verhaltenswirksam, weil sie spontan vor dem inneren Auge der Mitarbeiter entstehen und die Gedächtnisleistung aktivieren. Ohne Routine ist das Gehirn aber auch mit den schönsten Bildern der Veränderung schnell überfordert. Es muss also erwünschtes Verhalten simuliert und immer wieder geübt werden, bis es automatisch abläuft. Im Durchschnitt dauert es 66 Tage, je nach Komplexität der Aufgabe, bis eine Gewohnheit automatisiert ist.
Und wieder fällt keine Entscheidung!
"Wir vertagen das Problem jetzt erst einmal, sprach der Abteilungsleiter. Zwar steht die Entscheidung seit Monaten an, doch er schiebt sie immer wieder vor sich her. Wird die Umwelt als Gefahr wahrgenommen, zeigen wir automatisch ein risikoärmeres Verhalten, versuchen daher Entscheidungen rauszuschieben bzw. Situationen passiv auszusitzen. Einer der wichtigsten Treiber menschlichen Verhaltens ist das Gefühl von Sicherheit. Wir fühlen uns dann sicher, wenn Ereignisse vorhersagbar und Informationen aus der Umwelt klar und eindeutig sind - kurz: wenn Erwartungen erfüllt werden. Unklarheiten versetzen unser Gehirn in Alarmbereitschaft. Nehmen wir die Umwelt als Gefahr wahr, schaltet unser Gehirn vom Promotions- auf den Präventionsfokus um. Wir trauen uns nicht, Entscheidungen zu treffen, und suchen weder neue Herausforderungen noch Lernerfahrungen.
Lösung: Wollen Vorgesetzte innovative Führungskräfte und Mitarbeiter, die aktiv nach Problemlösungen suchen und dabei auch ihre Komfortzone verlassen, ist das Schaffen einer offenen Unternehmenskultur und eines angstfreien Klimas unabdingbar. Die Mitarbeiter fällen darin gerne und leicht Entscheidungen, sind produktiv, kreativ und zufrieden mit ihrer Arbeit.
Wenig Leistung von gestressten Mitarbeitern?
"Ich bin völlig ausgepowert, alle wollen etwas von mir, ich arbeite rund um die Uhr und bringe überhaupt nichts weiter. So oder so ähnlich geht es mittlerweile jedem dritten Österreicher. Sie stehen unter Dauerstress, der allerdings nicht durch Arbeitsüberlastung, sondern durch Kontrollverlust verursacht wird. Aus dem Gefühl, den Anforderungen nicht entsprechen zu können und keinerlei Erfolgserlebnisse einzufahren. Erfolg würde zu neuen Leistungen antreiben. Das mesolimbische System, ein Schaltkreis im vorderen Mittelhirn, regiert auf Anreize mit der Ausschüttung von Dopamin und fördert so Verhalten, das Erfolg versprechend ist. Etwas zu schaffen, ein Ziel zu erreichen, ist einer der wichtigsten Motivatoren. Weitere wichtige Treiber menschlichen Verhaltens sind das Gefühl von Selbstbestimmtheit und Kompetenz: Etwas aus eigenem Antrieb heraus zu tun, dabei Entscheidungsfreiheit zu besitzen und den Anforderungen der Aufgabe gewachsen zu sein verringert Stress und schützt die Nervenzellen im Gehirn vor den schädlichen Stresshormonen. Letztere führen nicht nur dazu, dass sich Mitarbeiter schneller ausgepowert fühlen, sondern verursachen auch Scheuklappendenken und Tunnelblick.
Lösung: Eine gute Führungskraft fördert das autonome Handeln und schafft die dafür erforderlichen Freiräume für die Mitarbeiter. Sie vertraut in deren Lösungskompetenz, verzichtet auf übermäßige Kontrollen und inszeniert deren Erfolge. So stärkt sie gleichzeitig deren Kompetenzempfinden und vereinbart Ziele, die Mitarbeiter gerade noch erreichen können, sodass sie eine spannende aber bewältigbare Herausforderung haben.
Bloß keine Fehler!
"Sie machen dauernd alles falsch, schreit der Chef seinen Mitarbeiter an. Worauf dieser alles tut, um Fehler zu vermeiden - in diesem Fall: gar nichts mehr! Das Gehirn verfügt über ein Fehlererkennungssystem: Eine Art Alarmanlage schrillt, wenn das Ergebnis einer Handlung anders als erwartet ist. Innerhalb einer Zehntelsekunde reagiert das Gehirn auf Reize, bei denen man in der Vergangenheit Fehler gemacht hat. Mehr dazugelernt wird allerdings, wenn man Fehler machen darf. Das Gehirn muss zu Anfang mehrere Male danebenliegen, bevor es erfolgreich sein kann. Dadurch werden die Neuronen trainiert. Die Entdeckung eines Fehlers ruft ein Gefühl der Überraschung hervor, das steigert die Gehirnpotenziale im Frontalhirn, welche das Lernen fördern.
Lösung: Ein Manager muss die Erwartungshaltung nähren: Wenn etwas schief läuft, interessiert ihn nicht der Fehler, sondern die Lösungsvorschläge, die man aus dem Fehler gelernt hat. So schafft er ein angstfreies Klima. Innovationsmanager sind überhaupt offen für Fehler, denn nur durch Fehler entsteht Neues. Sollen aber Fehler vermieden werden, müssen Mitarbeiter präzise Bescheid wissen, was von ihnen erwartet wird und ausreichend Kompetenzen besitzen, mit dementsprechenden Situationen umzugehen. Die Mitarbeiter sind angstfrei, treffsicherer in ihren Handlungen, und damit produktiver.