Peter Pilz im Porträt: Heiß umfehdet, wild umstritten

Peter Pilz kämpft seit dreißig Jahren gegen Korruption, ebenso lange polarisiert er Öffentlichkeit und Partei gleichermaßen. Sein Wiedereinzug in den Nationalrat im Herbst steht fest, von der Spitze seiner Partei hat sich der gefürchtete "Giftpilz“ aber verabschiedet.

Peter Pilz im Porträt: Heiß umfehdet, wild umstritten

Der Abgeordnete ist gerade wieder einmal dabei, einen heiklen Deal zu finalisieren. Peter Pilz sondiert die Lage, verfolgt die Gebote und wird bald zuschlagen: bei der Ersteigerung einer Armbanduhr. Der gefürchtete Großmeister der geharnischten Kritik ist nämlich, und das überrascht etwas, ein leidenschaftlicher Uhrensammler. Die "Elgin American Efficieny Firestone“ aus dem Jahr 1929 trägt er stolz am Handgelenk, er besitzt eine Illinois Futura, eine Hamilton Brooke Seeranger und viele, viele andere US-amerikanische Schönheiten von den zwanziger bis herauf zu den sechziger Jahren. Art-déco-Modelle liebt er besonders. Pilz öffnet eine "Lord Elgin“, studiert die Gravur und katalogisiert das gute Stück schließlich in seinem iBook. So schön, so friedlich kann das Leben sein. Doch ist es dies nicht immer. Denn zwischendurch gibt der Sammler auch den Jäger - und macht Politikern wie Managern das Leben zur Hölle.

Bundeskanzler und Finanzministerin sind seine Lieblingsopfer. Er nimmt Strache und Stronach ins Visier, und das nicht nur bei seiner Aschermittwochsrede. Seine Feinde heißen Alfons Mensdorff-Pouilly oder Hans Peter Haselsteiner; im Clinch liegt er auch mit dem mächtigen Unternehmer Martin Schlaff, der Pilz mittlerweile einen "Verleumder“ nennt. Viele sind auf ihn bitterböse. Und ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf hat überhaupt sein endgültiges Urteil getroffen. "Peter Pilz ist Mitverursacher und Profiteur der grassierenden Politikverdrossenheit in Österreich. Er ist Erfüllungsgehilfe all jener Meinungsmacher, die völlig undifferenziert und ohne Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte Menschen an den Pranger stellen“, redet sich der ansonsten so gelassene Kopf in Rage. Und setzt noch eins drauf: "Im Übrigen glaube ich, dass Pilz die Menschen und auch sich selber nicht mag.“

Pilz, der Aufdecker

Der Zorn des Politikers ist verständlich, hat doch die Wühlarbeit des grünen Populisten vor allem der ÖVP schweren Schaden zugefügt. Dass die Ministerriege der schwarz-blauen Koalition im Nachhinein als Ansammlung von dubiosen Figuren erscheint, ist zu einem guten Teil ihm geschuldet. Auch das gefürchtete Kärntner Biotop war vor seiner Recherche nicht sicher. Gemeinsam mit seinem Verbündeten, dem Kärntner Rolf Holub, tourte Pilz zuletzt im Wahlkampf durch das südliche Bundesland, freute sich über regen Zuspruch von knorrigen Bauern und nun auch über den Einzug Holubs in die Landesregierung.

Die nächsten Wahlen kommen bestimmt, also muss der Kreuzzug gegen Korruption mit ungeminderter Härte weitergehen. Das Hauptziel für das Superwahljahr 2013: die teuren Abfangjäger endgültig abzuschießen. "Ich bin mir ganz sicher, dass wir heuer die Eurofighter-Vertragsauflösung durchsetzen werden“, kündigt er vorsorglich an. "Damit werden wir gegen einen der mächtigsten Konzerne Europas gewinnen. Die Recherche ist abgeschlossen. Ich werde die Beweise noch vor dem Sommer vorlegen.“

Pilz, das Heer und die Abfangjäger: Das ist wahrlich eine lange Geschichte. Schon im Frühjahr 1986 kämpfte er per Volksbegehren und Aktionismus gegen die Stationierung der Draken. Der ehemals glühende Antimilitarist trat im Jugoslawienkrieg für die Bombardierung serbischer Stellungen ein - und verstörte damit den pazifistischen Flügel seiner Partei. Das Mitglied der Bundesheerreformkommission exponierte sich zuletzt als Berufsheer-Fan, was ihn prompt zum Mitverlierer der Volksbefragung machte.

Seit der Eurofighter-Bestellung 2002 glaubt er zu wissen, "dass der Eurofighter fliegendes Schmiergeld ist“. Dass der Deal alles andere als sauber war, sagt mittlerweile sogar ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und wird dafür vom gnadenlosen Oppositionspolitiker hoch gelobt. Mitterlehner antwortet differenziert: Pilz habe eine Gabe, heikle Themen publikumswirksam aufzubereiten. "Er trifft oft den Kern einer Sache und formuliert pointiert, dennoch bleibt am Schluss vieles offen.“

Faktum ist: Pilz ist seit jeher ein Grenzgänger zwischen den Fronten. Vom damaligen Vorsitzenden Michael Häupl aus dem VSStÖ ausgeschlossen, schloss er sich der "Gruppe revolutionärer Marxisten“ an - was ihm bis heute vorgeworfen wird. Er demonstrierte gegen das AKW Zwentendorf und saß in der Hainburger Au. Wurde 1986 vom damaligen Landgendarmen Pius Strobl gebeten, in der "Bürgerinitiative Parlament“ mitzumachen. Erreichte gemeinsam mit Freda Meissner-Blau, Herbert Fux und einigen anderen Mitkämpfern den erstmaligen Einzug ins Parlament. Wurde bald danach bei einer Demonstration verhaftet.

Oft war er mit seinen Positionen, etwa in der Frage des leidigen "Rotationsprinzips“, der romantischen Parteibasis weit voraus und wurde genau dafür bitter gehasst. Er war es, der das Parteikürzel "Die Grünen“ durchsetzte; im Kampf gegen "Vereinte Grüne“ und Alternative Listen blieben jedoch viele Mitstreiter auf der Strecke. Nein, zartfühlender Softie war der "Pezi“ nie, dafür machte er sich im Lucona- und Noricum-Untersuchungsausschuss einen guten Namen als Aufdecker. Später, im Kampf gegen das "Baukartell“, wurde er von der Teerag-Asdag auf hundert Millionen Schilling geklagt, gewann jedoch alle Verfahren.

Die Liste seiner Aktivitäten ist lang. Ob Kurdenmorde oder illegales Glücksspiel, ob Tierschützerprozess oder Strasser-Mails: Pilz greift an, eckt an. Auch mit 59 Jahren ist er ein Barrikadenkletterer geblieben, dem Politik nicht turbulent genug sein kann. Immer wieder reibt er sich in dieser Frage auch an seinen Parteifreunden. "Ich habe nie verstanden, dass man grüne Politik als Abfolge von Pressekonferenzen und Presseaussendungen betreiben will“, sagt er bitter. Dennoch war er es, der den Anti-Aktionisten Alexander Van der Bellen in die Politik holte. Trotz seiner Verbundenheit zum "Professor“ gab es in dessen Zeit als Grünen-Chef auch manchen Konflikt, denn Pilz ließ sich niemals "sprachregeln“; seine Alleingänge sind Legende.

Von Eva Glawischnig, der aktuellen Parteichefin, trennt ihn ohnedies mehr, als ihn mit ihr verbindet. Sie strebt eine Regierungsbeteiligung an, er will weiterhin aus der Opposition heraus agieren. Den gemeinsamen Foto-Auftritt von Glawischnig mit Bundeskanzler Werner Faymann im Nationalpark Hohe Tauern kritisierte er öffentlich; dass der zweifelsfrei begnadete Stratege und Wahlkämpfer seit Herbst 2012 nicht mehr im Bundesvorstand sitzt, ist deutlicher Ausdruck der tiefen Beziehungskrise.

Sein ambivalentes Image wird er wohl niemals mehr los. "Er hat einen enormen Riecher, ein enormes Gspür, wir lachen viel, aber manchmal könnte er schon kollegialer sein“, ätzt seine von ihm geschätzte Aufdecker-Kollegin Gabriela Moser. "Ich mag ihn wirklich, aber manchmal hasse ich ihn ehrlich“, sagt ein anderer Abgeordneter, der sich trotzdem als Freund des grünen "Spaltpilzes“ versteht. Ein echter Freund im Klub ist Kultursprecher Wolfgang Zinggl; auf Wiener Ebene kommt er gut mit David Ellensohn und Maria Vassilakou aus. Gar nicht hingegen mag er diejenigen, die sich nobel zurücklehnen. "Die Sozialpolitik der Grünen“, sagt er, "ist zurzeit eine Leerstelle.“ Und: Die Grünen müssten in der Lebensmittelcausa "viel mehr tun“. Er selbst kann und will dieses weite, öffentlichkeitsträchtige Feld nicht zusätzlich beackern, denn "letztendlich ist alles eine Frage der Kapazitäten“.

Klares Profil, wenig Sympathie

Pilz polarisiert permanent. Viele seiner Parteigenossen neiden ihm seine mediale Dauerpräsenz, kritisieren sein oft egomanisches Agieren, seine Starallüren. Kritik kommt auch von potenziellen Grün-Wählern. "Solange Pilz mitmischt“, sagt ein respektabler Mittvierziger, werde er "ganz sicher nicht für Grün stimmen“. Selbst ernannter Großinquisitor, Vorverurteiler, Schaumschläger: Der "Pilzling“ muss viel ein- und wegstecken. Schlimmster Vorwurf: Er schade mit seinem Dauer-Bashing weniger den politischen Gegnern, sondern vornehmlich seiner eigenen Partei.

Dieser oft gehörten These widerspricht die Meinungsforscherin Sophie Karmasin doch recht deutlich. Sie lobt im Gegenteil, dass Pilz ein "sehr prägnantes, konsistentes Profil“ habe, er "eindeutig mit dem Aufzeigen von Missständen in Zusammenhang gebracht“ werde und "ohne Rücksicht auf die eigene Person“ arbeite. Pilz, so Karmasin, habe zwar "keine hohen Sympathiewerte“, doch "er gehört zum Bild der Grünen, er verkörpert die Front gegen das Establishment und deckt diese Flanke hervorragend ab“.

Das Establishment, die feine Gesellschaft: Das war und ist seine Hauptangriffslinie, denn "die trägt Verantwortung dafür, dass der Sumpf das Zentralbiotop der österreichischen Politik ist“. Gleichzeitig möchte er aber keinesfalls als "linker Fundi“ gelten: Er geht mit Managern wie ÖBB-Boss Christian Kern abendessen, lobt sein "gutes Arbeitsverhältnis“ mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner; auch Justizministerin Beatrix Karl sei "im Grunde in Ordnung“, ebenso wie der rote Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Mit SPÖ-Klubobmann Josef Cap liegt er dagegen seit Studentenzeiten im Clinch. Die beiden liefern einander regelmäßig heftige Duelle, Pilz stellt dann aber auch wieder lustige gemeinsame Fotos ins Internet. Cap denkt lange nach, ehe er sich zu einem Kommentar entschließt. "Er ist ein grüner Quirl“, sagt er schließlich, "der oft den Ausschaltknopf nicht findet. Ich finde, seine Übertreibungsrhetorik hat sich im Laufe der Jahre ziemlich abgenützt.“ Nachsatz: Ihr beiderseitiges Verhältnis sei jedenfalls "korrekt“.

Pilz, der Spaßmacher. Der angesprochene Übertreibungskünstler lässt sich, abseits der politischen Bühne, das Leben jedenfalls nicht verdrießen. Er trinkt ausgiebig Espresso, kocht gerne, wandert und gönnt sich auch schon mal eine Woche Skiurlaub in Lech am Arl-berg. Zum Ausgleich zu seinen politischen Rundumschlägen sammelt er nicht nur Uhren, sondern auch sehr gerne Pilze - was er im Fotoblog genüsslich dokumentiert. Sein manchmal ins Bizarre changierender Humor kommt nach wie vor zu seinem Recht. Ein Foto im Internet zeigt ihn mit einer Ziege, Pilz schreibt dazu im Bildtext: "Meine Gesprächspartnerin beteuert, eine weiße Weste zu haben. Es gilt die Ziegenvermutung.“

Ja, er inszeniert sich gerne, nutzt jedes offene Mikrofon für die Absonderung eines Sagers, versucht permanent, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Journalisten lieben ihn dafür - und einige Co-Aufdecker nutzen ihn als verlässlichen Lieferanten von heißen Storys. Pilz ist, man darf es ausnahmsweise sagen, eine echte Rampensau: Am 17. April tritt er wieder einmal als rockender "Prinz Pezi und die Staatssekretäre“ auf, spielt und singt alte Hadern und "frisch aktualisierte“ Volkslieder. Das Programm, dargeboten im Volkstheater, heißt "Wie geschmiert“ und dient natürlich als ganz spezielles Wahlkampf-Asset.

Pilz an allen Fronten – und die Kritik an seiner Lautstärke und Aggressivität nimmt kein Ende. Früher, sagt der Altpolitiker mit dem Charme eines Spitzbuben, hätte er sich die Abwehrreaktionen seiner Gegner sehr zu Herzen genommen. "Beim stillen Nachdenken“ stieß er aber, so erzählt er, irgendwann auf ein tröstliches Zitat des Liedermachers Wolf Biermann. Das er prompt für sich zum zentralen Sinnspruch erhob. Diesen Satz zitiert er besonders gerne, er könnte schließlich von ihm selber stammen: "Wenn alle immer zu kurz gehen, gehe ich entschieden zu weit.“

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