Hausherren-Hoch
Das gute alte Zinshaus feiert Renaissance. Wachsende Nachfrage von privaten Investoren und Profispekulanten lässt die Preise für historische Mauern wieder steigen.
Wenn sich Franz Reiterer in der Mittagspause in sein Auto setzt, um gemeinsam mit einem Handwerker gleich drei Wohnadressen abzuklappern, erwartet ihn vorwiegend Unerfreuliches: abblätternder Putz, ein Wackelkontakt in einer Gegensprechanlage, sich lockernde Bodenfliesen. Und dennoch ist der Mann vollkommen glücklich. Denn der Wiener Rechtsanwalt hat sich vor wenigen Jahren von seinen neun betreuungsintensiven Anlage-Kleinwohnungen befreit und das lukrierte Geld sofort in Zinshäuser gesteckt. Die Philosophie, die hinter einem Zinshausbesitz steht, ist viel weitläufiger und erlaubt wesentlich mehr kreativen Spielraum, als wenn man sein Vermögen in Eigentumswohnungen steckt, schwärmt Reiterer heute mit dem humorvollen Nachsatz: Man muss das Ganze ja nicht gleich so aufwändig betreiben wie ich und sich um alles selbst kümmern. Aber ich gebe zu: Baustellen sind mein Hobby.
Mittlerweile besitzt Reiterer rund fünfzehn Häuser, an die er über Tageszeitungsinserate, Makler oder Mundpropaganda kam meist zu erstaunlich günstigen Preisen. Seine jüngste Akquisition, ein Eckhaus in einer stark befahrenen Straße im 17. Bezirk, kostete 210.000 Euro. Für ein anderes, in der Nähe eines Parks in Wien-Währing, bezahlte er vor eineinhalb Jahren 480.000 Euro. Um 670.000 Euro hat er es wieder verkauft: Die Mieterstruktur war problematisch. Dadurch war ich nicht unglücklich, das Haus vorzeitig loszuwerden. Immerhin habe ich bei dem Deal, abzüglich der Abgaben, fast 150.000 Euro verdient. Auch wenn Franz Reiterer heute etwas unbescheiden klagt, nicht schon vor 20 Jahren in das Geschäft eingestiegen zu sein, hat er zum passenden Zeitpunkt den richtigen Riecher bewiesen.
Immobilienexperte Eugen Otto bescheinigt in seinem vor wenigen Wochen veröffentlichten otto.marktbericht, dass das gute alte Zinshaus eine Renaissance als Anlage- und Investmentform erlebt: Nach dem Hype in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, bei dem es nur ums schnelle Geldmachen gegangen ist, entwickelt sich der Markt erneut, allerdings auf soliderer, seriöserer Basis, beobachtet Otto. Die durchschnittliche Wertsteigerung liege derzeit deutlich über der Inflation. Wie viel Prozent sie im Jahr beträgt, sei abhängig von dem konkreten Objekt. Johann Maier von Colliers Columbus beziffert die in den vergangenen zwei Jahren erfolgte durchschnittliche Wertsteigerung mit 15 Prozent.
Konzentriertes Vermögen. Andreas Ruthensteiner, Vorstandsmitglied von Citec-Immobilien, sieht ein Potenzial, das noch lange nicht ausgeschöpft ist. Nachdem im ersten Bezirk kaum mehr etwas zu haben ist, schlägt der Boom nun Wellen, die bereits manche Wiener Randbezirke erfassen. Auch Helmut Hardt, Vorstandsmitglied von Conwert, ist überzeugt, dass man trotz gestiegener Preise weiterhin von einem konstanten Wertanstieg ausgehen kann. Michael Völkers, Geschäftsführer der Engel & Völkers-Niederlassung in Wien, meint sogar, dass die Nachfrage so wächst, dass schon Objekte in St. Pölten gekauft werden.
Diese hitzige Entwicklung hat ein solides Fundament. Durch die Instabilität der Aktienmärkte hat der Immobilienmarkt in den vergangenen vier Jahren enorm an Attraktivität gewonnen. Das Interesse an Zinshäusern ist nach dem Platzen der Telekomaktien-Blase im Jahr 2002 gewaltig gestiegen, beobachtet die Richterin Gerlinde Öllinger, zuständig für Versteigerungen von Zinshäusern im Justizzentrum Wien-Mitte. Vor allem Kleinanleger, die einst aufmerksam Börsenindizes verfolgten, wechselten in den vergangenen Jahren häufig das Spielfeld, um ihr Geld fortan in Wohnungseigentum zu investieren. Mit mehr Fachwissen und gewachsenem Kontaktnetz erklimmen sie nun die nächst höhere Sammlerstufe und wagen, ähnlich wie Anwalt Reiterer, den Wechsel vom verteilten Immobilienbesitz zum konzentrierten Vermögen.
Machbar ist der Schritt allemal. Denn verglichen mit der Situation in anderen europäischen Metropolen, präsentieren sich die Preise in Wien sehr freundlich. Innerhalb des Gürtels liegen die Preise im Schnitt bei 1000 Euro pro Quadratmeter, weiß Citec-Vorstand Ruthensteiner. Wobei der erste Bezirk hier auszuklammern ist. Die Unterschiede innerhalb der Innenstadt-Bezirke hängen von der Gürtel- beziehungsweise City-Nähe des Objekts ab. Ein Zinshaus im vierten Bezirk in Gürtel-Nähe kostet etwa 900 Euro, so Ruthensteiner, eines in Karlsplatz-Nähe 1200 Euro pro Quadratmeter.
Zonen mit Zukunft. Als interessante Entwicklungszonen außerhalb des Gürtels gelten (neben dem Daueraufsteiger Hernals) vor allem der 15. und der 16. Bezirk. Ersterer verfügt über Häuserzeilen, die in ihrer Beschaffenheit durchwegs an Gürtel- nahe Lagen des 18. und 19. Bezirks erinnern. Außerdem ist der 15. Bezirk geografisch recht vorteilhaft positioniert. Einerseits schließt er an den angesagten siebenten Bezirk an, andererseits an die Grünrandlagen der Stadt.
Beim 16. sind es die Aktivitäten innerhalb des Bezirks, die den Optimismus der Anleger nähren: die expandierende Lokalszene rund um den Brunnenmarkt, das Kulturprogramm Soho in Ottakring, die Umwidmung alter Fabrikgelände in schicken Arbeits- und Wohnraum, wie es etwa mit der Brotfabrik in der Hasnerstraße geschehen ist. Hier sind Zinshäuser noch ab 500 bis 700 Euro pro Quadratmeter zu bekommen.
Ein weiterer Anreiz für den kompletten Hauskauf: Die Renovierung von Häusern in C- oder D-Kategorie, die meist unter dem Fachbegriff Sockelsanierung rangiert, wird von der Stadt Wien gefördert. Das Haus muss mindestens 20 Jahre alt sein und vorwiegend Wohnzwecken dienen. Für 25 Prozent der Gesamtsanierungskosten erhält der Investor ein Landesdarlehen mit nur einem Prozent Verzinsung. Für die restlichen 75 Prozent gibt es jährliche Zuschüsse auf die Tilgung. Bei Kategorie-C-Wohnungen betragen diese sechs Prozent und bei Kategorie-D-Wohnungen 7,3 Prozent, informiert Martin Grabler vom Wiener Stadterneuerungsfonds. Die Stadt Wien geht bei dieser Unterstützung von einer Kreditlaufzeit von 15 Jahren aus, und selbstverständlich, so Grabler, wird jeder Antrag im Vorfeld geprüft.
Nötige Eigeninitiative. Wie aber findet der Laie überhaupt Zugang zu dem Markt? Immerhin gibt Citec-Chef Ruthensteiner zu bedenken: Die Marktsituation gestaltet sich inzwischen so, dass die meisten Anbieter nicht mehr inserieren oder sich im Bekanntenkreis umhorchen, sondern sich direkt an Immobiliengesellschaften wenden. Da wissen sie, dass sie ohne große Umstände binnen eines halben Tages ihr Haus verkauft haben. Ein privater Käufer könne mit diesem Tempo selten mithalten. Ihm fehlen meist die direkt verfügbaren Geldmittel und die sofortige Expertise.
Daher der von Insidern empfohlene Tipp: Am besten man wird selbst initiativ. Horcht sich bei Hausverwaltungen um, ob ein Eigentümer verkaufen möchte. Durchforstet Straßenzüge, blickt sich nach Häusern um, die in keinem perfekten, aber auch in keinem allzu vernachlässigten Zustand sind. Notiert die Adressen, schaut im Grundbuch nach, kontaktiert die Besitzer, fragt nach, ob diese verkaufen wollen.
Vorteil dieser Methode ist, dass man relativ bald ein Auge für den Zustand und ein Gespür für den Durchschnittsertrag eines Hauses entwickelt. Letzterer lässt sich vor allem anhand des Alters der Mieter erahnen, über das wiederum die Art der Namensschilder an den Eingangstüren und Räder oder Kinderwagen im Stockwerk Aufschluss liefern können.
Ein hoher Bestand an Altmietern ist jedenfalls ein gutes Zeichen. Denn je niedriger die Durchschnittsmiete ist, wovon man bei einem Haus mit hohem Friedenszins-Anteil ausgehen kann , desto sicherer kann man bei Neuvermietung mit einer Wertsteigerung rechnen, erklärt Conwert-Vorstandsmitglied Hardt. Beträgt der aktuelle Durchschnittsertrag zum Beispiel drei Euro, so liegt das Potenzial des Hauses, je nach Zustand und Lage, bei einer Verdoppelung bis Verdreifachung der Miete.
trend-Immobilienrechtsexperte Thomas In der Maur rät zu folgender Strategie: Profis kaufen ein Haus, das in mittelmäßigem Zustand ist und von der Vermietung her eher geringe Erträge bringt.
Wem die eigenständige Suche zu kompliziert und risikoreich erscheint, sollte sich an einen Makler wenden. Conwert-Vorstand Kowar erzählt von einer wachsenden Gruppe von Freiberuflern, die ihr Geld in Zinshäuser steckt. Wenn wir ein Paket von sieben bis acht Häusern kaufen, sind meist zwei, drei dabei, die etwas kleiner sind oder nicht so gut in unser Portfolio passen. Die verkaufen wir dann weiter. In diesem Fall muss man natürlich eine Maklerprovision von bis zu drei Prozent des Kaufpreises einkalkulieren.
Großzügigkeit im Kopf. Jemandem, der sich um seine Immobilienveranlagung aber nicht kümmern will, rät Makler Otto, eher in Immobilien-Fonds als in Zinshäuser zu investieren. Denn für Häuser benötigt man meist langen Atem. Oft werden grundlegende Dinge übersehen, warnt Rechtsanwalt In der Maur: Man hat zwar eine tolle Immobilie und eine sechsprozentige Rendite, aber die Leute kalkulieren etwa Leerstehungen nicht ein. Bis man einen neuen Mieter gefunden hat, kann viel Zeit vergehen. Man muss erst einen Makler beauftragen, der natürlich Vorschuss für seine Arbeit will. Schon ist von den sechs Prozent nicht mehr viel zu sehen. Außerdem sollte man sich zwischen vier und fünf Prozent der Erträge für die Erhaltung des Hauses zurücklegen. Ein Aspekt, der von Neo-Hausherren oft übersehen werde.
Fehlentscheidungen und Ärger lassen sich im Übrigen leicht vermeiden, indem man organisatorische Agenden einer Hausverwaltung übergibt. Doch auch hier sei Vorsicht geboten, warnt Nebenerwerbs-Hausherr Franz Reiterer: Es gibt Hausverwaltungen, die von den Handwerksbetrieben Provisionen kassieren. So etwas überprüfe man am besten, indem man Fallen stellt. Reiterers Trick: Dann bittet man eben einen befreundeten Installateur, dass er bei der Hausverwaltung anruft und zusätzliches Entgelt im Falle einer Auftragsvergabe anbietet. Lehnt diese ab, weiß man, dass sie seriös ist.
Wer also in Zinshäuser investiert, braucht die nötige Geduld, aber auch die entsprechende Liebe zum Objekt. Wer einfach Mieten abkassieren möchte, sollte die Finger von dem Ganzen lassen, rät Citec-Vorstand Ruthensteiner apodiktisch. Oder wie Anwalt Reiterer es fast elegisch formuliert: Man muss eine gewisse Großzügigkeit im Geiste tragen.