Grasser gegen Eichel

Ist Karl-Heinz Grasser ein besserer Finanzminister als sein deutscher Amtskollege Hans Eichel? Der Vergleich macht unsicher!

Kennen Sie irgendeinen europäischen Finanzminister dem Namen nach?“, fragt das Nachrichtenmagazin „profil“ im Februar 2000 den jungen Finanzminister Karl-Heinz Grasser. „Der Kollege in Deutschland heißt … Also offensichtlich kenne ich zurzeit noch keinen“, gerät der neu ernannte oberste Säckelwart der Republik leicht ins Stottern.

Fünf Jahre später halten ihn deutsche Medien selbst für besser als den eigenen Finanzminister. Die „Bild“-Zeitung titelt: „Schaun Sie mal, Herr Eichel! Dieser Finanzminister hat alles im Griff!“ Zwar hat KHG auf den Fotos nur seine Begleiterin Fiona Swarovski im Griff. Doch im Text versteift sich „Bild“ sogar auf die Behauptung, „sein Österreich gilt als Vorzeigeland“, und argumentiert, dass Grasser „besser als der brave Hans“ sei.

Ist das so? Hat der österreichische Finanzminister tatsächlich tüchtiger gearbeitet als sein deutscher Amtskollege? Ein kurzfristiger Vergleich der Wirtschaftsdaten deutet darauf hin. Aber ist das tatsächlich Grassers Verdienst? Oder verkauft er seine Politik nur besser?

Und ist er seiner Ansicht treu geblieben, dass das Parlament ohnehin nur Theater ist? Denn im selben „profil“-Interview im Februar 2000 meinte er: „Ich war gerade vergangene Woche das erste Mal in dem Theater, das man Parlament nennt. Für mich ist das Parlament ein Ort, wo viele Personen in Rollen auftreten und rhetorisch wunderbare Reden formulieren, ohne dass sie tatsächlich glauben, was sie sagen. Das heißt, sie spielen eine Rolle und argumentieren etwas, von dem sie selber wissen, es ist gar nicht so.“ Macht das womöglich auch der Herr Finanzminister so, wenn er heute sagt: „Deutschland ist ein Auslaufmodell“; und „Wir werden unseren erfolgreichen wirtschafts- und finanzpolitischen Weg fortsetzen und so weiter Arbeitsplätze schaffen und den Spitzenplatz Österreichs weiter stärken.“ Oder meint er tatsächlich, was er sagt? Nun ja, vom Spitzenplatz ist Österreich in den meisten Daten ein Stückchen entfernt, in manchen liegt es erstaunlicherweise sogar hinter dem „Auslaufmodell“ Deutschland.

Ausgangsbasis. Im Langzeitvergleich zeigt sich, dass sich Österreich seit dem Amtsantritt Grassers in fast allen Bereichen verschlechtert hat. In den meisten EU-Ländern ist die Arbeitslosigkeit von 2000 bis 2004 gesunken. In Österreich stieg sie im selben Zeitraum um 21,6 Prozent, damit ist der Arbeitslosenzuwachs in Österreich fast so dramatisch wie in Deutschland. Die Inflation ist so sprunghaft angestiegen, dass wir sogar Italien im Negativrekord abgehängt haben. Reallohnsteigerungen muss man mit der Lupe suchen, und bei den öffentlichen Investitionen sind wir sogar weit hinter Deutschland abgesackt und bilden zurzeit das Schlusslicht in der EU. Das alles schafft Grasser ganz ohne Wiedervereinigungskosten, die ja den größten Anteil an der Misere der deutschen Wirtschaft tragen.

Dabei wird unser Finanzminister kräftigst vom Steuerzahler unterstützt. Österreich liegt mit seiner Abgabenquote rund vier Prozent über Deutschland. „Hätte Hans Eichel dieselben hohen Abgaben wie bei uns, könnte er einen Budgetüberschuss verzeichnen“, rechnet SP-Budgetsprecher Christoph Matznetter vor.

Wachstum wird aus vier Faktoren berechnet: Export, Inlandsnachfrage, private und öffentliche Investitionen. Der Export läuft in Österreich, wie in Deutschland, hervorragend, das ist jedoch weder Grasser noch Eichel zu verdanken, sondern ausschließlich den tüchtigen Unternehmern. Die Inlandsnachfrage stottert dagegen katastrophal, ebenso die privaten und öffentlichen Investitionen.

Wifo-Volkswirt Markus Marterbauer: „Obwohl wir ein höheres Wirtschaftswachstum haben als Deutschland, bleiben wir auch signifikant hinter den stark wachsenden Ländern zurück. Bei uns läuft die Bauwirtschaft noch etwas besser als in Deutschland, ansonsten ist der private Konsum sehr gering.“

Wertverlust. Immer wenn die Opposition bisher Grasser vorwarf, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes sei durch seine Vorgangsweise in Gefahr, verwies der Finanzminister stolz auf die Daten des Lausanner Instituts für Management-Entwicklung (IMD). Das bewertet Beschäftigungszuwachs und Fiskalpolitik in verschiedenen Ländern und Regionen.

Im Bericht des IMD zur Standortentwicklung 2005 ist Österreich nun um vier Plätze zurückgefallen. Dabei stellt das Institut dem Wirtschaftsstandort Österreich ein sehr schlechtes Zeugnis hinsichtlich der Steuerbelastung, der hohen Sozialbeiträge, im Hinblick auf die Inflation und beim Beschäftigungszuwachs aus. In der Entwicklung des Beschäftigungszuwachses liegt Deutschland sogar vor Österreich.

Die Fiskalpolitik der österreichischen Regierung wird vom IMD als mangelhaft beurteilt. Ja selbst das gute Abschneiden Österreichs in der Beurteilung durch das IMD vor drei Jahren – das Grasser immer wieder als Beweis seiner tadellosen Performance als Finanzminister ins Feld führte – stellte sich jetzt als bloßes Resultat einer Methodenumstellung im Institut für Management-Entwicklung heraus. Matznetter: „Das segensreiche Wirken des Finanzministers hat in Wahrheit einen massiven Abfall in der Standortbewertung gebracht.“ Er kritisiert vor allem den Mangel an öffentlichen Investitionen: „Da wird Zukunft verspielt, wenn es keine öffentlichen Investitionen in Forschung, Universitäten, Breitbandkommunikation etc. gibt.“

Vereinigungskosten. „Eichel fehlen 66,8 Milliarden“, titelten die deutschen Tageszeitungen. Vor Kurzem war KHG auf der Suche nach einer verlorenen Milliarde. Haben die beiden Amtskollegen etwa doch weit mehr Gemeinsamkeiten, als sie vermuten? Die Gesprächsbasis zwischen beiden ist jedenfalls denkbar schlecht, hat doch Grasser massiv für eine strenge Beibehaltung des Stabilitätspakts und eine Bestrafung aller Neuverschuldenssünder plädiert. Als Eichel die enormen finanziellen Belastungen ins Feld führte, die Deutschland durch seine Wiedervereinigung entstanden sind, war Grasser nur voll der Häme. Er nannte eine Anrechnung dieser Kosten einen „Treppenwitz“ der Geschichte.

Alfred Sitz, Professor am Institut für Volkswirtschaftstheorie und -politik an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien ist da anderer Ansicht: „Das BIP in Österreich machte 1990 – unmittelbar nach der Wiedervereinigung – 2500 Milliarden Schilling aus. Rund die Hälfte davon zahlte Westdeutschland pro Jahr allein als Transfer an den Osten. Ohne Wiedervereinigung ginge es den Deutschen heute gigantisch gut.“ Eine Vernachlässigung dieses Umstandes hält Sitz für nicht legitim: „Dass Grasser die bessere Politik gemacht hätte – auch wenn manche Daten eventuell besser aussehen als die deutschen – kann man daher sicher nicht sagen.“

Zudem lassen die Deutschen – auch in schlechten Zeiten – offenbar mehr Budgetwahrheit walten. Wifo-Volkswirt Marterbauer: „Unsere öffentlichen Investitionen sind praktisch alle aus dem Budget ausgegliedert, in Deutschland ist das nicht der Fall. Die Schulden von Asfinag (Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs Aktiengesellschaft), SchiG (Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft) und BIG (Bundesimmobiliengesellschaft) würden fast ein Prozent des BIP ausmachen. Das Budgetdefizit würde sich bei uns um mindestens einen halben Prozentpunkt erhöhen, müssten die Schulden für öffentliche Investitionen so wie in Deutschland eingerechnet werden.“ Trotz der Budgetkosmetik des noch amtierenden österreichischen Finanzministers und seiner Qualitäten im Eigen-Marketing ist ein Leistungsvergleich mit Hans Eichel also nur von mässigem Erfolg gekrönt. Bestenfalls kann man sagen, dass es trotz Grasser noch nicht so schlecht um Österreichs Haushalt bestellt ist. In Wahrheit geht es immer grasser bergab!

von Martina Forsthuber

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