Ein Koch für alle Fälle

Er ist Österreichs erster Wirt mit neun Hauben, wohnt in einem Schloss und eröffnet ein Restaurant nach dem anderen. Alles über den riskanten Aufstieg des Bauernbuben Toni Mörwald.

Karrieren beginnen zum Beispiel so. Anton Mörwald, 18: „Ich würd gern bei Ihnen arbeiten. Ich bin Koch.“ Ort: das Wiener Nobelrestaurant Korso, wo gerade heftig gerührt, gerupft, gehackt, geschält, gebrutzelt und gesotten wird. Wir schreiben das Jahr 1984.
„Wer sagt das?“, bellt Korso-Chef Reinhard Gerer zurück.
Mörwald: „Aber ich hab eine Schulausbildung, ich bin Koch ...“
Gerer: „Gar nix san Sie, und schon gar kein Koch ...!“

Szenenwechsel. Herbst 2004. Der Wirtssohn Anton Mörwald aus dem 700-Seelen-Dorf Feuersbrunn kommt mit einem seiner zahlreichen Handys in der Hand im schicken Anzug ins Wiener Hotel Ambassador; der Krawattenknopf ist dick geknüpft, die Kellner grüßen artig; Mörwalds Chauffeur parkt derweil den Mercedes 350 S-Klasse ein. Der Gerer-Lehrling von einst ist jetzt Chef von 220 Mitarbeitern und sitzt im „Mörwald“, seinem eigenen Restaurant, einem von fünfen nebst mehreren Kantinen – vom Finanzministerium bis zu Ö3.

Der trend-Reporter rührt in einem Caffè latte und Herr Mörwald, den jetzt alle Toni nennen, in seiner Vergangenheit. „Gerer war schwerst ungut, aber ich durfte trotzdem bei ihm als Salatputzer anfangen. Ich habe da erlebt, wie Mitarbeiter nur für sich selbst arbeiteten und den Kollegen lieber was zu Fleiß taten, als einander zu unterstützen, weil Gerer keine Teambildung zustande brachte. Aber ich habe von ihm das Kochen gelernt und auch, dass Kochen allein zu wenig ist.“

Wer nach dem Geheimnis des steilen Aufstiegs von Toni Mörwald sucht, stößt auf ein dichtes Netzwerk nützlicher Kontakte und auf jede Menge Publicity: Der Mann ist ohne Zweifel ein Meister der Selbstvermarktung. Von der „Financial Times“ bis zur Thea-Margarine-Website – Mörwald rührt nicht nur den Teig, er rührt die Trommel.
„Der Beruf des Kochs verlangt auch die Kunst der Vermarktung“, meint Reinhard Gerer im Korso. „Ich habe das von Paul Bocuse gelernt und der Toni von mir. Er war immer äußerst wissbegierig und hat mich später hemmungslos kopiert. Sogar unsere Werbelinie hat er eins zu eins übernommen – einschließlich der Form der Drucksorten und Kapitälchenüberschriften.“

Bert Brecht betrachtete das Abkupfern als eine Form der Veredelung und nicht als geistigen Diebstahl. Auch Mörwald übernimmt, was er gut findet. „Er geht in ein Restaurant, beobachtet hellwach und haarscharf die Konkurrenz und saugt alles auf wie ein Schwamm“, meint Steirereck-Patron Heinz Reitbauer, dessen Schwiegertochter bei Mörwald das Metier erlernte. „Viele andere in der Branche machen das nicht und fahren mit Vollgas durch den Nebel.“

Ständig auf Achse. Mörwald, der angeblich täglich an die 300 Kilometer zurücklegt, um seine Lokalitäten zu besuchen, und so den Eindruck erweckt, er sei immer und überall, ist der Branche unheimlich. Keiner außer ihm hat es bislang geschafft, so viele Haubenrestaurants unter einem Firmendach zu vereinen. Nebenbei ist Mörwald niederösterreichischer Catering-König, lehrt in seinen wöchentlichen Kochkursen die mehrheitlich weiblichen Fans, wo es in der Küche langgeht. Weit über 1000 Kurse waren das seit 1989, heuer allein werden an die 2500 Kochaspiranten daran teilnehmen, und jeder kauft aus dem Mörwald-Sortiment zumindest ein Schürzerl.

Toni M. macht natürlich auch den Billa-Fernsehkoch und verdient eine Menge Kohle mit Kochbüchern. Sein jüngstes Epos „Die süße Küche“ (Co-Autor Christoph Wagner), das kürzlich auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert wurde, erscheint in einer Startauflage von 100.000 Stück. Und schon im November folgt „Das Besser kochen Kochbuch“ (Co-Autor Christian Domschitz), in Planung ist ein „Kochen für Kinder“-Werk (Co-Autor Thomas Brezina). Mörwald lässt nichts anbrennen. Dauerstress ist bei dem 37-Jährigen, der wirkt, als wäre er gerade einem Motivationsseminar entsprungen, ganz normal. Ob man ewig mit Vollgas fahren kann, ist nicht wirklich erprobt. Mutter Erika, Wirtin in der „Traube“, starb im Vorjahr mit 59.

Glaubt man Mörwald, geht er täglich um sechs Uhr morgens mit seinen drei Töchtern Theresia, 2, Johanna, 3, und Antonia, 5, erst einmal schwimmen. Und zwar im eigenen Schwimmbad, das sich die Familie in ihrem Luxusdomizil, einer ehemaligen Schlossruine, leistet. Um acht übernimmt das Kindermädchen die Kontrolle, denn Mörwald, der Unternehmer, ist dann häufig bis um Mitternacht auf Achse. Auch Ehefrau Eva Pregesbauer-Mörwald, die der Haubenkoch als begierige Schülerin in seinen früher fast männerfreien Kochkursen kennen lernte, wird nicht fad: Sie leitet selbst eine 50-Mann-Firma, die sich mit Bäckereimaschinen und Ähnlichem befasst.

Schuld hat Tante Rikki. Woher der fast beängstigende Antrieb kommt, weiß Toni Mörwald selbst am besten: „Ich bin im Wirtshaus aufgewachsen. Arbeit war schon als Kind mein Leben. Nach dem Aufgabenschreiben ging es aufs Rübenfeld, dann in die Wirtshausküche.“

Das Wirtshaus war eigentlich Fräulein Rikkis Schuld, wie Gourmetkritiker und Mörwald-Aficionado Christoph Wagner weiß. Mörwalds Tante hatte sich vor über dreißig Jahren Hals über Kopf in einen Mähdrescherfahrer aus dem Waldviertel verliebt und kurzerhand ihr Gasthaus in Feuersbrunn dichtgemacht. Mörwalds Eltern, Erika und Hans, die an die 20 Hektar Ackerland und zehn Hektar Wein besaßen, übernahmen 1971 auf Druck der Feuersbrunner Dörfler eher unwillig die verlassene Wirtschaft.

Mit 22 übernimmt Mörwald den elterlichen Betrieb und stellt zum Entsetzen der Eltern und der Stammgäste die Speisekarte grundlegend um. „Die Eltern haben natürlich gemeint, ein Wahnsinn, was der Bub macht. Die Generationskonflikte bringen in unserer Branche viele um, weil sie so viel Energie kosten.“

Aber der Erfolg stellt sich schon ein Jahr später ein. Toni Mörwald wird mit 23 der jüngste Haubenkoch Österreichs, und eine kurze Notiz in der „Presse“ ließ das Wirtshausgeschäft brummen. „Die Tür ging vor lauter Gästen drei Wochen nicht mehr zu“, erinnert sich Mörwald.

Aus eins mach zwei. 1990 macht Franz Albrecht Metternich Sandor, Besitzer des herrschaftlichen Schlosses in Grafenegg, dem jungen ambitionierten Koch im elterlichen Gasthaus „Zur Traube“ das Angebot, ein Lokal im Schloss zu führen. Vier Jahre zögert Mörwald, ehe er den Schritt „zur Filialisierung“ wagt. Der heruntergekommenen Schlosstaverne, die mittlerweile mit einer Haube dekoriert wurde, folgen später weitere stets angeschlagene Objekte. Frank Stronach etwa überredet Mörwald zur Führung seines miserabel laufenden Golf-Restaurants „Splendido“ in Oberwaltersdorf, das jetzt als „Mörwald Fontana“ zwei Hauben einheimste (Küchenchef Peter Baumann). Auch im Fall des Klosters Und sprang Mörwald quasi als Sanierer ein. Nach mehreren erfolglosen Pächtern kaufte Raiffeisen das Objekt und überließ Mörwald die Wiederbelebung, was zumindest kulinarisch mit zwei Hauben gelang.

Mörwald machte im Kloster Und den Sohn des niederösterreichischen Landeshauptmanns, Stephan Pröll, zum Geschäftsführer, denn zur schwarzen Reichshälfte hat der Gastronom beste Beziehungen. Innenminister Ernst Strasser, der nur neun Kilometer von Mörwalds Domizil wohnt, gilt – wie Magna-Manager Siegfried Wolf – als enger Freund, Schüssel als häufiger Gast, die Erste fungiert als Hausbank. Auch Mörwalds Catering-Geschäft soll von guten Beziehungen zum Land Niederösterreich profitieren. Mörwald ist der niederösterreichische Dogudan, wenn auch deutlich kleiner. Die Mörwald Company catert durchschnittlich viermal pro Tag, Konkurrent Do&Co bringt es auf 25 Aufträge täglich.

Im Präsidentschaftswahlkampf unterstützte Mörwald auch willig die später erfolglose Kandidatin Benita Ferrero-Waldner. „Ich mag diese Falschtuerei nicht“, sagt der Gastro-Unternehmer. „Ein Wirt darf doch auch eine Meinung haben. Ich bin ein Bauernbub aus Feuersbrunn, und wir waren immer Schwarze.“

Branchenkollegen sehen das naturgemäß anders, der Neid ist eben ein Hund: „Er kriegt halt günstige Locations, dafür muss er für die Ferrero wacheln“, meint ein Insider. Wirklich geschadet haben die guten ÖVP-Kontakte wohl tatsächlich nicht, um Kantineur in der Kunsthalle Krems, bei der Donau-Universität oder im Finanzministerium zu werden.

Das System Mörwald. „Manche sagen zu mir: A Wahnsinn, warum halst du dir so viel Arbeit auf?“, lächelt Mörwald. „Aber mir macht es einfach Spaß.“
Mörwald kontrolliert sein gastronomisches Imperium mit 28 Teamchefs, zwei für jeden Betrieb, „weil die Betrugsmöglichkeiten in unserer Branche enorm sind“. Die Teamleiter heuern ihre Mitarbeiter selbst an, Mörwald will nur jeden vorgeschlagenen Kandidaten vorher für eine Viertelstunde sehen: „Ich verlange drei Werte: Hausverstand, Freundlichkeit und den Willen zur Arbeit.“ Die Teamchefs müssen bestimmte Budgetziele (Umsatz, Wareneinsatz, Betriebserfolg) erfüllen, um zusätzlich zum monatlichen Grundgehalt von 1885 Euro brutto ihre Prämien zu verdienen. „Früher waren mir Mitarbeiter, die viel verdienten, unangenehm, heute ist es umgekehrt“, lacht der Firmenchef.

Das Geschäft ist hart. „Wir arbeiten auf einem Fünfprozentmarkt“, weiß der Haubengastronom. „Wer ökonomisch denkt, dürfte eigentlich nicht bei Mörwald essen, denn bei uns ist der Leberkäse am teuersten. Unsere Gäste sind nur Leute, die bereit sind, für Luxus zu zahlen.“

Zum kulinarischen Erlebnis gehört auch perfekter Service. Wie aber bringt man Mitarbeiter dazu, dauerhaft gut zu arbeiten? Mörwalds Theorie: „Es gibt zwei Triebe: den nach Sex und den nach Anerkennung. Den nach Anerkennung können wir erfüllen: Mitarbeiter wollen wichtig genommen werden.“

So ist es zum Beispiel im Mörwald-Reich verpönt, von Personal zu sprechen, das klingt zu abwertend. Mitarbeiter dürfen in den Restaurants mit bis zu zwei Begleitern zum halben Preis als ganz normale Gäste dinieren. „Wir tun so etwas für das Privatleben unserer Leute. Wenn es nämlich zu Hause Zoff mit der Freundin gibt, schlägt das am nächsten Tag zu hundert Prozent im Betrieb durch.“

Unternehmerischer Hochseilakt. Nicht alles läuft gut im Mörwald-Reich1). Mörwalds-Flaggschiff im Ambassador mit 38 Mitarbeitern unter Küchenchef Christian Domschitz lag bislang in den Miesen. Die letzte Bilanz wies einen Verlust von 442.428 Euro aus, die Verbindlichkeiten betragen über eine Million Euro (davon 459.609 Euro Bankschulden), in drei von vier Betriebsjahren wurden operative Verluste eingefahren. „Ein ganz normaler Vorlauf von drei Jahren“, meint Mörwald.

Manch einer in der Branche mag keine Cash Cows im Mörwald-Reich erkennen und fragt sich, wie „speedy Toni“ seine Expansion wohl finanziert. Denn die Margen sind knapp. Im Catering liegen sie bei zwei bis fünf Prozent, bei Haubenlokalen bewegen sich die Renditen zwischen null und fünf Prozent, wobei Letzteres in die Kategorie Weltmeister fällt. Dem gegenüber stehen die Kosten für Fremdkapital, ohne das Expansionen normal kaum möglich sind, von mindestens drei Prozent.

„In der Gastronomie wirkt die öffentliche Anerkennung oft wie eine Droge“, meint ein Konkurrent, „da säuft man sich dann gerne die Zahlen schön. Wirklich Geld verdienen ist in dieser Branche schwer. Am Ende ist man bestenfalls schuldenfrei.“
„Unsere Strategie ist ganz einfach“, sagt Unternehmer Mörwald, der angeblich schon als Schüler gegenüber dem Buchhaltungslehrer stets drei Seiten weiter war. „Wir investieren im Unterschied zu anderen Gastronomen nie in Fremdimmobilien, sonst hätten wir 25 Millionen Euro gebraucht. Und wir zahlen grundsätzlich niemals irgendwelche Ablösen und teilweise auch keine Mieten oder nur niedrige, die erfolgsabhängig sind.“ Tatsächlich berappt Mörwald etwa im Finanzministerium, das die gesamte Küche neu ausstattete, nur einen Euro Miete.

Probleme gibt es trotzdem. Das bekannte Palazzo-Projekt etwa macht heuer Kollege Reinhard Gerer alleine. Erfunden hat den spannenden Mix aus Zirkus, Theater und erstklassiger Küche der deutsche Peter Wodarz, der damit seit drei Jahren in Berlin unter der Trademark „Pomp, Duck and Circumstances“ abcasht. Mörwald hatte dereinst während seiner Lehrjahre bei Alfons Schubeck im bayerischen Waging schon einmal für Wodarz und seinen Gastrozirkus gekocht. Doch mit dem Wiener Pendant will Mörwald jetzt nichts mehr zu tun haben. „Wir kriegen noch Geld von den Palazzo-Veranstaltern. Die schulden uns trotz zehnmaliger Mahnung immer noch eine halbe Million Euro.“

Für Positiv-Denker Mörwald alles keine wirklichen Probleme: „Ich hatte nie Angst zu scheitern. Das, was ich mache, kann ich. Und ehrgeizig genug bin ich auch.“ Als eines seiner Vorbilder dient ihm wohl der französische Starkoch Alain Ducasse, bei dem Mörwald in Monaco in dessen 60-köpfiger Küchenbrigade diente, wobei er den Meister kaum jemals zu Gesicht bekam. Ducasse regiert ein Gourmetimperium mit Restaurants in Paris und New York, in der Provence und an der Cˆote d’Azur, ja sogar auf Mauritius, über dem eher sein Markenname als sein Kochlöffel schwebt.
Toni Mörwalds Energie scheint jedenfalls unerschöpflich. Wer Visionen hat, braucht einen Arzt, wird Altkanzler Franz Vranitzky gerne zitiert. Vielleicht wegen Überarbeitung. Hansdampf Mörwald arbeit derzeit an vier Wellness-Hotelprojekten, eines davon im Ausland. Auch ein sechstes Restaurant ist in Planung, ebenso wie ein neues Kochbuch, weiters die Umwandlung der zwei GmbHs in eine Aktiengesellschaft – und überhaupt die Marke Mörwald auf allen Linien: Mörwald-Shops ab 2006 mit Mörwald-Tellern, Mörwald-Marmelade, na und so weiter.

„Man hält so ein Arbeitspensum so lange durch, solange man den Traum noch träumt“, meint der ebenfalls als chronischer Workaholic verdächtigte Konkurrent Attila Dogudan leicht abgeklärt.

Mörwald selbst sieht die Küche als seine persönliche Energietankstelle. Auch die trübsten Gedanken lassen sich womöglich in einer exquisiten Sauce reduzieren, irgendwo zwischen einer delikaten Entenbrust oder feinem Hummer-Sauerkraut. Und wenn etwas schief geht, etwa wenn ein eigensinniger Küchenchef das Geschirrtuch wirft, kann der Chef auch selbst einspringen, wie Niki Lauda, wenn ein Pilot kurzfristig der Angina anheim fällt. Denn kochen kann der Herr Mörwald ja auch ein bisserl.

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