Das Debakel mit dem Ökostrom

Ökostrom. Missmanagement und die umstrittene Förderpolitik lassen den größten heimischen Lieferanten für erneuerbare Energie, die Oekostrom AG, in die Krise schlittern.

Eigentlich sollten ja die Leitungen glühen. Doch das einzig Rote bei der Oekostrom AG sind derzeit die Bilanzen. Österreichs größter wirklicher Ökostromanbieter ist tief in die Verlustzone gerutscht. Der langjährige Alleinvorstand und Mitbegründer Ulfert Höhne wurde in die Wüste geschickt, sein Nachfolger Michael Pierer versucht nun den Turnaround: „Wenn wir jetzt keinen Strategiewechsel durchziehen, schaffen wir es nicht.“

Dass die Oekostrom AG vor so großen Problemen steht, verwundert. Der kleine Stromanbieter liefert 100 Prozent Ökostrom – also so genannte erneuerbare Energie aus Kleinwasserkraftwerken, Wind-, Solar- und Biogaskraftwerken. Wann, wenn nicht in Zeiten explodierender Preise für fossile Energie, könnte Kunden der Umstieg auf Grünstrom schmackhaft gemacht werden? Dennoch stehen die Bilanzzahlen der Oekostrom AG mehr unter Hochspannung als die Stromleitungen zu den Abnehmern. Gerade 9800 Kunden in ganz Österreich werden bis jetzt beliefert, und in der Bilanz für das Jahr 2007 steht mit 5,6 Millionen Euro ein dickes Minus.

Tatsächlich ist die Strategie der Ökopioniere nicht aufgegangen. Ursprünglich wollte man mit Grünstrom aus eigenen Ökokraftwerken reüssieren. Doch die aufgebauten Produktionskapazitäten reichten für nicht mehr als ein Drittel der verkauften Strommenge (170 Gigawattstunden; zum Vergleich: die EVN verkauft alleine etwa 6500 GWh an Endkunden): zum einen, weil die Ökostromnovelle 2006 die Euphorie rund um Ökostrom deutlich abgedämpft hat – mangels Förderungen kam das Geschäft mit Kraftwerken in Österreich weitgehend zum Erliegen. Alleine zwischen 2006 und 2007 wollte die Oekostrom AG 70 eigene Windräder bauen. Realisiert wurde ein einziges – und das hatte man aus der Konkursmasse eines anderen Windparkunternehmens gekauft.

Zum anderen wurde den Ökopionieren der Boom der Öko­energie selbst zum Verhängnis. Neo-Vorstand Pierer über die prekäre Situation: „Wir mussten uns plötzlich mit Finanzinvestoren und Hedgefonds vom Schlage der Meinl European Power um die wenigen guten Kraftwerksprojekte raufen. Das konnten wir nicht finanzieren.“ Die Folge: ein deutliches Minus in der hauseigenen Kraftwerksplanungsgesellschaft. Weil aber der eigene Kraftwerkpark nicht ausreicht, um die verkaufte Strommenge selbst aufzubringen, muss der Rest zugekauft werden. Und auch dabei bewiesen die Ökos kein glückliches Händchen – aufgrund von falschen Markteinschätzungen mussten sie Strom zu teuren Spotmarktpreisen zukaufen – und konnten diese beim Endkunden nicht mehr unterbringen.

Martin Steininger , Geschäftsführer der Windkraft Simonsfeld, einer der Haupteigentümer der Oekostrom AG: „Das Geschäft ist unmöglich. Eine kleine Prognoseschwäche macht den Gewinn eines ganzen Jahres wieder zunichte.“ Dazu kamen Fehler, die die interne Organisation lähmten, gesteht Pierer offen: „Wir konnten uns nie zwischen Klein- und Großkunden entscheiden.“ Ex-Aufsichtsratschef Peter Molnar: „Die Gründer der Gesellschaft hatten bis jetzt zu wenig auf die betriebswirtschaftlichen Grundlagen geachtet.“ Pierer glaubt, das Ruder rechtzeitig noch herumreißen zu können. Auf dem Kraftwerkssektor will er nun selbst die Standorte entwickeln, anstatt fertige Projekte zu kaufen.

Im Stromhandel will man sich vorerst auf Haushaltskunden fokussieren. Die seien eher gewillt, das gute Ökogewissen bei der Preiskalkulation in Rechnung zu stellen. Immerhin, so die aktuelle Rechnung der Stromregulierungsbehörde e-control, muss man etwa als Wiener Kunde bei der Oekostrom AG für 3500 echt grüne Kilowattstunden (Jahresverbrauch eines kleinen Haushalts) 757 Euro bezahlen, die gleiche Menge an „Egalstrom“ aber gibt es beim Platzhirsch Wien Energie schon um 676 Euro und bei der Verbundgesellschaft gar um lediglich 573 Euro.

Ob die Rechnung aufgeht, ist fraglich. Auch Pierers Vorgänger und Alt-Vorstand Ulfert Höhne, selbst einer der größten Aktionäre der Firma, zweifelt: „Die wirtschaftlichen wie inhaltlichen Ziele der neuen Führung kann ich derzeit nicht erkennen.“ Besonders wurmt den bisherigen Mister Ökostrom, dass in der vergangenen Hauptversammlung keine Nachhaltigkeitskriterien in die Satzungen der Gesellschaft aufgenommen wurden. Gegen seine Entlassung hat Höhne jedenfalls Rechtsmittel ergriffen.
Während Pierer die Rechtmäßigkeit genau dieser Vorgänge betont, muss er den vielen Kleinaktionären der Oekostrom AG jedenfalls eine bittere Wahrheit mitteilen. Lag der von externen Wirtschaftsprüfern errechnete Unternehmenswert vor einem Jahr noch bei 163 Euro je Anteilsschein, sackte der Wert heuer auf 107 Euro ab. Für dieses Jahr schwelgt Pierer allerdings schon in Zuversicht. Einzelne Geschäftsbereiche (Stromhandel, Contracting) seien bereits positiv, 40 neue Projekte werden geprüft. Im Gesamtjahr sollte sich ein ausgeglichenes Ergebnis ausgehen. Und er ist einer der wenigen, die sich über die konstant steigenden Strompreise der fossilen Mitbewerber aus vollem Herzen freuen können: „Da brechen alte Strukturen auf – und dann können wir uns endlich besser bewegen.“

Von Markus Groll

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