Dachwohnungen: Auf die Spitze getrieben

Eine EU-Regelung für Erdbebenschutz macht Dachausbauten ab 2009 noch aufwändiger. Die Preise steigen rasant.

Wien, von oben betrachtet, erinnert derzeit an eine Großbaustelle, auf der Kranhersteller ihre größten Geräte zum Einsatz bringen. Kaum ein Viertel in den innerstädtischen Bezirken, in dem nicht gelbe Stahlriesen mit ihren langen Auslegerarmen Baustoffe, Holz, Ziegel und Stahltraversen nach oben heben. Kaum ein Grätzel, in dem nicht riesige Dachstuhlkonstruktionen auf ein leer geräumtes Flachdach aufgesetzt werden. Ein wildes Rennen um den Ausbau von Dachgeschoßen ist im Gange. Zwar gibt es in der Bundeshauptstadt noch 27.000 unausgebaute Dächer – doch die Zeit, diese auch bewohnbar zu machen, läuft davon. Grund dafür ist der Eurocode 8, eine Richtlinie der Europäischen Union, die zum Schutz vor Erdbeben umfangreichere und damit aufwändigere und teurere statische Maßnahmen vorschreibt als bisher. 2009 tritt diese Verordnung in Kraft – und wird den Dachgeschoßausbau in den kommenden Jahren verkomplizieren, wenn ihm nicht sogar den Todesstoß versetzen.

Wer kann, sollte also jetzt zugreifen. Einfacher und günstiger wird es nicht mehr.

Noch ist das Angebot groß genug. Allerdings: Nicht jedes Heim am Dach ist gleichermaßen begehrt. Die große Sehnsucht aller Suchenden liegt im Zentrum der Stadt. Und dort sollte es natürlich die perfekte Symbiose aus Ruhe, idealer Verkehrsanbindung und genügend Einkaufsmöglichkeiten sein – großzügiger Ausblick auf eine Parklandschaft inklusive. Die Wohnung selbst soll einen repräsentativen Altbau krönen und dabei über möglichst wenig Schrägen verfügen, gut 200 Quadratmeter groß sein, natürlich nur auf einer Etage mit davorliegender Terrasse. „Das ist ein frommer Wunsch. 98 Prozent der Dachwohnungen haben schräge Wände und sind Maisonettelösungen“, schränkt Horst Schwarzenberg, Leiter des Bereichs Wohnimmobilien bei Colliers Columbus in Wien, ein.

Bei den raren – aber doch vorhandenen – tatsächlichen Traumdächern schraubt sich dann auch der Preis in immer schwindelerregendere Höhen. Richard Buxbaum, Leiter der Wohnimmobilien bei NAI Otto Immobilien: „Innerhalb von fünf Jahren haben sich die Quadratmeterpreise in der Wiener Innenstadt verdoppelt. 8000 Euro galten vor ein paar Jahren als Obergrenze, heute ist das nichts Außergewöhnliches mehr. In schlechteren Lagen im ersten Bezirk bekommt man schon etwas um 5000 Euro pro Quadratmeter.“ Aber auch 11.000 Euro pro Quadratmeter werden bereits erzielt, und Buxbaum weiß sogar von einer Wohnung zu berichten, für die bereits vor Fertigstellung 15.000 Euro pro Quadratmeter geboten wurden.

Das Preisgefälle ist beachtlich. Während man im zweiten Bezirk zwischen Karmeliterviertel und Augarten, im sechsten und siebten Bezirk bereits mit 3000 Euro pro Quadratmeter dabei ist, gleichen sich der achte und neunte Bezirk preislich zusehends an die Innenstadt an. 4000 Euro sind hier, ebenso wie in den Cottagevierteln im 18., 19. und 13. Bezirk, keine Seltenheit mehr. Michael Spiess, Geschäftsführer von Immototal, rät seinen Kunden, auf den dritten, vierten und fünften Bezirk zu setzen: „Hier gibt es Potenzial. Die Preise liegen noch unter 3000 Euro, die Anbindung ist perfekt, und die Immobilien versprechen eine deutliche Wertsteigerung.“ Auch die Mietpreise sind höher denn je. In beliebten Lagen außerhalb des ersten Bezirks ist gut und gern mit 12 bis 16 Euro Nettomiete pro Quadratmeter zu rechnen, in der Inneren Stadt auch mit 22 Euro. Wobei: Nur ein Drittel aller Dachgeschoßwohnungen wird nach Expertenmeinung gemietet.

Abseits der Bundeshauptstadt findet sich vor allem noch in Graz und Salzburg ein Markt fürs Wohnen ganz oben, auch wenn das Angebot im Vergleich zu Wien spärlich ist. Vor allem die Mozartstadt kann die Nachfrage nach Wohnungen im Dachgeschoß kaum befriedigen: Die begehrten Altbauten der Innenstadt dürfen baulich nicht verändert werden. Dachausbauten sind aufgrund der Ernennung zum Weltkulturerbe nur bei Neubauten möglich. Doch selbst dafür startet das Preisniveau bei 3000 Euro pro Quadratmeter. Nach oben hin gibt es allerdings kein Limit. In Graz ist man nicht ganz so rigoros. Die Preise stehen jenen in Salzburg allerdings in nichts nach: Mit 2800 bis 4000 Euro pro Quadratmeter muss auch hier gerechnet werden, will man eine solche Wohnung sein Eigen nennen. Die Mieten bewegen sich zwischen 8,50 und 10 Euro. Im kommenden Jahr erwarten die Makler einen weiteren Anstieg der Preise. Zwar tritt der Eurocode 8 zur Erdbebensicherheit erst mit 1. Jänner 2009 in Kraft, die Auswirkungen sind aber schon jetzt deutlich spürbar. Denn bis ein Ausbauprojekt bewilligt ist, ziehen gut und gern sechs und mehr Monate ins Land. Pläne sollten also jetzt eingereicht werden. Buxbaum: „Holt man sich jetzt eine Baubewilligung, darf nach den alten Regelungen noch vier Jahre später gebaut werden.“

Betroffen sind Ausbauten in ganz Österreich. In Wien, wo der Dachausbau seit den siebziger Jahren als Säule der Wohnraumschaffung gesehen wird, ist die Bauordnung für schwere Ausbauten bereits seit April 2006 restriktiv. Mehrgeschoßige Ausbauten, die mit geraden Wänden und besserer Raumausnutzung punkten, sind seitdem in Altbauten nur mehr möglich, wenn die Bauherren die alte Bausubstanz mit Stahlbeton verstärken. Bei einem leichten Ausbau, also wenn innerhalb des bestehenden Dachbodens ein Stockwerk und eine Galerieebene entstehen, muss nur nachgewiesen werden, dass das Haus für ein solches Projekt geeignet ist. Dabei darf der Altbau mit nicht mehr als 720 Kilogramm pro Quadratmeter belastet werden. Will man aber um eine ganze Etage aufstocken, muss der Altbau eine Mörteldichteprüfung bestehen. Der Mörtel ist meist so brüchig, dass das Haus aufgerüstet werden muss, um statisch einem Neubau zu entsprechen. Das ist nur in den seltenen Fällen möglich, in denen ein Haus, dessen Dachboden ausgebaut werden soll, gerade unbewohnt ist – aber selbst dann verteuert sich der Umbau drastisch. Damit will man sicherstellen, dass er im Falle eines Erdbebens nicht wie ein Kartenhaus zusammenstürzt. „Aber wie oft passiert das hierzulande schon?“, fragt sich Christian Nowotny von Remax Immobilien. „Die alten Häuser fallen dadurch gänzlich zum Ausbau weg.“ Ein Drittel der Projekte wird unrentabel, ein weiteres Drittel lässt sich nicht mehr verwirklichen. Viel neue Wohnfläche im Herzen der Stadt bleibt dann nicht mehr übrig.

Der Eurocode 8 macht diese Regelungen ab 2009 aber ohnehin obsolet. Die Vorgaben für den schweren Ausbau werden sich – zumindest in Wien – nicht mehr verändern. Allerdings: Bei einem leichten Ausbau, der über die bestehende Dachform hinausgeht, muss auch verstärkt werden. Gerhard Cech, Leiter der Wiener Baupolizei, beruhigt zwar: „Solange keine umfangreichen Zubauten getätigt werden, kann man mit dem Paragrafen 68 argumentieren, dass lediglich der Wohnraum im Haus um einen einzigen, bereits vorhandenen Raum vergrößert wird. Dann ist der Ausbau kein Problem.“ Doch selbst er muss einräumen, dass hier sehr viel weniger Fläche gewonnen werden kann. „Während sich in Bezirken, die ohnehin Spitzenpreise erzielen, das aufwändige Procedere der Erdbebensicherung auszahlt, wird es diese Investitionen in schlechteren Lagen nicht mehr geben, da man die Investitionen über den Kaufpreis dort nicht mehr hereinbekommt“, befürchtet Erich Podstatny, Geschäftsführer von EP Immobilientreuhand.

Experten rechnen in der Folge mit einer Verknappung und Verteuerung von Dachwohnungen, sollte es nicht zu einer österreichischen Lösung kommen. „Es wird überlegt, ein seismologisches Kataster für ganz Österreich anzulegen. Dort, wo die Erdbebenwahrscheinlichkeit gering ist, könnte man auf diese Bestimmungen verzichten“, so Makler Buxbaum. Für seinen Kollegen Horst Schwarzenberg hingegen sind all diese Prognosen „reine Kaffeesudleserei“. Man müsse erst einmal abwarten.

Die Empfehlung der Makler lautet jedenfalls unisono: kaufen, bevor die Preise deutlich anziehen. Dabei sollte man aber trotzdem mit Bedacht vorgehen. Zwar schrecken die seit dem Vorjahr geltenden Bestimmungen zum Thema Erdbebensicherheit bei schweren Ausbauten jene „Bauträger“ ab, die sich zwecks schnellen Profits an den Ausbau wagen und im Zuge dessen Pleite machen, trotzdem sollte man das ausführende Bauunternehmen unter die Lupe nehmen. Immototal-Geschäftsführer Spiess: „Viele Dachwohnungen werden noch in der Planungsphase verkauft. Wer zu lange wartet, weil er den Rohbau erst begehen möchte, schaut durch die Finger. Es zahlt sich aus, Referenzprojekte des Bauträgers anzuschauen, um sich ein Bild von Arbeitsweise und Qualität der verwendeten Materialien zu machen, oder man erkundigt sich beim Verein für Konsumenteninformation.“

Stimmen alle Voraussetzungen, kann man beruhigt zuschlagen. Besser kann man sein Geld am Markt für Privatimmobilien wohl kaum investieren – Experten erwarten Wertsteigerungen von bis zu 25 Prozent.

Von Ulrike Moser

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