Billigairlines: Start zur Bruchlandung

Fallende Ticketpreise, steigende Kosten, turbulenter Wettbewerb und seit Februar strengerer Schadenersatz bei Flugannullierungen werden viele Billigairlines zur Notlandung zwingen.

Hunderte irische Urlauber erreichte die Hiobsbotschaft im Hotel. Sie waren mit der Billigfluglinie JetGreen Airways nach Spanien geflogen, um Frühsommersonne und Strandflair zu genießen. Doch noch ehe sie ihre Koffer richtig ausgepackt hatten, wurde ihnen mitgeteilt: JetGreen Airways meldete Konkurs an. Nur eine Woche nach dem Jungfernflug war die Airline wieder pleite, stellte den Flugbetrieb ein und überließ die Urlauber ihrem Schicksal. Die Airline entschuldigte sich zwar förmlich bei den Reisenden, die mussten sich aber selbst überlegen, wie sie wieder zurück nach Irland kommen sollten. Das einzige Zugeständnis, das JetGreen den am Boden gefangenen Touristen machte, war, dass sie über die irische Luftfahrtbehörde einen Antrag auf Rückerstattung des Kaufpreises für ihre plötzlich ungültig gewordenen Flugtickets einbringen konnten. Ein geradezu lächerliches Angebot, denn schließlich hatten etliche Passagiere ihre Tickets um nur einen Euro ergattert.

JetGreen war nicht die einzige Low Cost Airline, die 2004 die Segel strich. Davor hatten bereits die britischen Diskonter Duo und JetMagic aufgeben müssen, und gegen Ende des Jahres waren der Reihe nach die holländische V-Bird, die italienische Volare und die Air Polonia zahlungsunfähig.

„Das waren nur die ersten Bruchlandungen. In den nächsten Monaten und Jahren wird es ein regelrechtes Blutbad unter den Low Cost Airlines geben“, sagt Michael O’Leary, Chef von Europas größter Billigfluglinie Ryanair, „viele von ihnen machen riesige Verluste, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihnen das Geld ausgeht oder die Investoren die Geduld verlieren.“

Teurer Ersatz. Und zu den ohnehin schon harten wirtschaftlichen Flugbedingungen für die Diskonter kommt neuer Ballast hinzu. Seit 17. Februar ist es für Diskont-Airlines turbulenter: Einer neuen, vom EU-Parlament beschlossenen Richtlinie zufolge haben Flugpassagiere nun ab einer Verspätung von mehr als zwei Stunden oder bei der Annullierung eines Fluges Anspruch auf Ersatz des Ticketpreises und je nach Länge der Flugstrecke zusätzlich auf eine Entschädigung von 250 bis 600 Euro.

Für viele Billigfluglinien, die schon bisher mit Verspätungen zu kämpfen hatten, ist diese Regel ein Schock und könnte das vorzeitige K. o. bedeuten. Schließlich ist die Entschädigung, die sie ihren Passagieren zahlen müssen, um ein Vielfaches höher als ihr durchschnittlicher Ticketpreis.

Damit unterbindet sie eine hinter vorgehaltener Hand praktizierte Geschäftspraxis der Diskonter: Flugzeuge, die nicht genügend ausgelastet sind, erst gar nicht starten zu lassen. Niki-Chef Niki Lauda erklärt die Zwickmühle, in der sich die Diskonter jetzt befinden: „Wenn ich nicht um 40 bis 50 Prozent günstiger fliegen kann als eine AUA, dann brauche ich das auch gar nicht tun. Dafür brauchen wir in den Maschinen eine Auslastung von 75 bis 80 Prozent.“

Über die ELFAA, die European Low Fares Airline Association, versuchen die Diskonter, die EU zu einer Änderung der Regel zu bewegen, die Chancen dafür stehen jedoch schlecht. SkyEurope-Produktmanager Ralf Preclik: „Die Entscheidung ist bedenklich und gegen die Flugindustrie gerichtet. Da müsste es doch bei Verspätungen von Autobussen oder Eisenbahnen ähnliche Ansprüche geben.“ Und Ryanair-Chef O’Leary wettert: „Diese Regelung wurde ganz eindeutig von den High Fare Airlines initiiert und ist gegen die Billigairlines gerichtet. Wenn sie aber glauben, uns damit kleinzukriegen, haben sie sich getäuscht.“

Leere Kassen. SkyEurope-Manager Preclik will die düsteren Prognosen jedenfalls nicht so ganz glauben. Das Absacken der Diskonter liegt für ihn nur an einem temporären Luftloch: „Bei allen Airlines, ob Low Cost Carrier oder nicht, sind die Wintermonate eher schwache Buchungsmonate mit geringeren Umsätzen. Die Reisezeit ist der Sommer.“ Durch das große Angebot an günstigen Flügen kämen außerdem eher die High Fare Airlines und die Eisenbahnen unter Druck: „Früher sind die Leute noch mit der Bahn gefahren. Heute fliegt man eben.“

Dieter Schneiderbauer vom deutschen Beratungsunternehmen Mercer Management Consulting, der die Billigairlines in einer Studie untersucht hat, kommt aber zu einem ähnlichen Schluss wie O’Leary. „Es wird im Winter und im Frühjahr noch etliche weitere Pleiten geben“, meint Schneiderbauer, den es sogar wundert, dass noch nicht mehr Airlines im Hangar bleiben müssen. Schließlich sei der Konkurrenz- und Kostendruck, der auf den Anbietern laste, enorm und die Kapitaldecke teils sehr dünn. „Es sind aber einige weitere Experimente modifiziert worden“, erklärt der Analyst, „so ist zum Beispiel die als Billigfluglinie gestartete holländische Basiq Air wieder in die Mutter Transavia rückintegriert worden.“

Das Gastspiel der Holländer am Billigflugmarkt ist damit auch schon zu Ende. Am 26. März wird die Airline zum letzten Mal aus Österreich in Richtung Amsterdam abheben.

Selbst nach den jüngsten Pleiten konkurrieren europaweit immer noch gut fünfzig Diskont-Airlines, 14 davon fliegen von Österreich in 24 Länder, und das mit unglaublich günstigen Angeboten. Mit Flügen, die oft nur zehn oder zwanzig Euro kosten, buhlen sie um die Gunst der Passagiere. Wie lange noch, ist ungewiss, und das ist beunruhigend, gerade was die kommende Reisesaison betrifft. „Man sollte wissen, worauf man sich einlässt“, sagt Renate Wagner vom Verein für Konsumenteninformation (VKI), die bisher noch nicht bemerkt hat, dass Beschwerden über kurzfristig stornierte Flüge oder andere Probleme bei einer bestimmten Airline auffallend häufig wären. „Zumindest ist der Einsatz bei einem Ticketpreis von zwanzig, dreißig Euro nicht so hoch“, sagt Wagner.

Mercer-Mann Schneiderbauer ist sich dennoch sicher, dass die nächsten Pleiten unmittelbar bevorstehen und eine massive Marktbereinigung unausweichlich ist. Eine Empfehlung, bei bestimmten Airlines besser nicht mehr zu buchen, um nicht wie die irischen JetGreen-Passagiere vor einem Jahr im Ausland festzusitzen, wagt der Consulter zwar nicht abzugeben, meint aber, dass es die kleinsten, die erst sehr spät gestartet sind, wohl am schwersten haben werden. „Es kann aber auch eine größere Airline treffen“, meint Schneiderbauer. Schließlich habe mit Volareweb Ende November die damals fünftgrößte Low Cost Airline Europas Konkurs anmelden müssen. Schneiderbauer: „In fünf Jahren wird die Hälfte aller Billigfluglinien wieder verschwunden sein. 2010 wird es europaweit gerade noch 25 Diskont-Airlines geben.“

AUA-Generaldirektor Vagn Sørensen, der wie die Chefs aller etablierten Fluglinien versucht, den forschen Angeboten der Billigfluglinien mit eigenen günstigen entgegenzutreten, sieht ebenfalls harte Zeiten kommen. Er stellt sich bereits auf das große Sterben bei den Billiganbietern ein. Sørensen: „Es gibt eine riesige Überkapazität in der Branche, und die muss beseitigt werden. Entweder durch Fusionen, Allianzen oder Sterben.“

Knappe Margen. Der große Konkurrenzdruck ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass die Diskont-Airlines jetzt einer derart ungewissen Zukunft entgegenfliegen. So sind beispielsweise auch die operativen Kosten der Airlines, etwa durch den extrem hohen Kerosinpreis und durch verschärfte Sicherheitsmaßnahmen in der Luftfahrt, enorm gestiegen und gleichzeitig hat eine Talfahrt bei den Ticketpreisen eingesetzt. Die Gewinnmargen der Fluglinien sind dadurch extrem geschrumpft. Schneiderbauer: „Die meisten Billigfluglinien produzieren Kosten von 80 bis 90 Euro je Sitzplatz und verkaufen sie zu 29, 19 oder gar neun Euro. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.“

Besonders deutlich wird dieser Verfall am Beispiel easyJet, mit einem Marktanteil von 24 Prozent nach Ryanair (27,3 Prozent) zweitgrößter Diskonter in Europas Himmel. Im Geschäftsjahr 2000/2001 lag der durchschnittliche Ticketpreis der Airline noch bei 57 Euro. 2003/2004 war er bereits auf 41 Euro gesunken. Der Profit hat sich im selben Zeitraum von 8,4 auf 3,5 Prozent mehr als halbiert.

Beim Diskont-Poinier Ryanair blieb der Gewinn in all den Jahren relativ stabil bei rund 21 Prozent. 2004 erzielte Ryanair bei einem Umsatz von 1,074 Milliarden Euro einen Nettoprofit von 206,6 Millionen. O’Leary sieht das Problem der fallenden Ticketpreise daher auch relativ gelassen. „Heuer wird ein Ticket im Schnitt vielleicht nur noch 40 Euro kosten, aber das spielt bei unserer Kostenstruktur eigentlich keine Rolle. Wir könnten sogar die Hälfte unserer Tickets verschenken und immer noch Gewinne machen“, meint er gewohnt selbstbewusst.

Schlanke Strukturen. Der Ryanair-Chef hat leicht reden. Die irische Billigfluglinie war 1991 der erste Low Cost Carrier Europas und ist bis heute nicht nur die erfolgreichste, sondern auch die profitabelste aller Diskont-Airlines geblieben. Erfolgsfaktor Nummer eins dabei ist die bedingungslose Kostenreduktion, die in dieser Form keine zweite Airline durchgezogen hat.

Das Modell der Ryanair hat aber Schule gemacht, und die Diskont-Airlines sind wie die Schwammerln aus dem Boden geschossen. Die neben JetGreen wohl kurzlebigste darunter ist bis heute BerlinJet, die im Jahr 2003 nach nur zehn Tagen Flugbetrieb insolvent war. Die Kosten für die gebuchten Tickets wurden nicht rückerstattet; der Beliebtheit der Diskonter hat das jedoch keinen Abbruch getan. Inzwischen befördern sie in Europa bereits rund 20 Prozent aller Passagiere. In fünf Jahren wird bereits jeder dritte mit einem Billigticket aus dem Internet unterwegs sein.

Österreich ist für die Diskonter bis heute ein vergleichsweise hartes Pflaster geblieben. Selbst Marktführer Ryanair ist hier bisher nicht so gut ins Geschäft gekommen wie im übrigen Europa, und Wien fliegen die Iren aus Kostengründen erst gar nicht an. „Österreichs Flughäfen sind erschreckend teuer, und in Wien sind die Gebühren besonders schlimm“, meint O’Leary, der diese Tarife für absurd hält: „Der Wiener Flughafen ist gegenüber anderen ineffizient und teuer. Man darf sich nicht wundern, wenn immer mehr Fluglinien von Wien weggehen und stattdessen andere Destinationen anfliegen.“ Das sei nicht nur für den Wirtschaftsstandort, sondern auch für den Tourismus in der Stadt bedenklich. O’Leary: „Denken Sie nur, wie viele zusätzliche Touristen wir nach Wien bringen könnten. Der teure Flughafen ist schlecht für die Stadt.“

Hohe Kosten. Niki Lauda, der Ende 2003 die in die Pleite geschlitterte Aero Lloyd übernommen hat und die Airline seither unter dem Namen Niki als Billigfluglinie führt, weiß, wie schwer man es in Österreich als Low Cost Airliner hat und wie viel Geld der Aufbau einer Diskont-Linie kostet. „Wenn ich es alleine versucht hätte, hätte ich dafür mindestens drei Jahre gebraucht und jedes Jahr fünf bis sieben Millionen Euro in die Infrastruktur, die IT-Plattform und die Werbung investieren müssen“, sagt Lauda, der wusste, dass ihm nicht so viel Zeit bleibt, und daher eine Kooperation mit der Air-Berlin gesucht hat.

Die strategische Partnerschaft mit Europas drittgrößter Billigfluglinie hat Niki im Gegensatz zu vielen anderen Diskontanbietern relativ gut abgesichert.

„Viele Anbieter, die erst in den letzten Jahren gestartet sind, werden es schwer haben, eine solche kritische Masse zu erreichen“, meint Mercer-Mann Schneiderbauer.

Auch den zahlreichen Charterfluggesellschaften, die jetzt versuchen, auf die Erfolgswelle der Billigairlines aufzuspringen, gibt Schneiderbauer wenig Chancen, sich auch durchzusetzen. „Diese hybriden Geschäftsmodelle, bei denen Chartergesellschaften zusätzlich zu ihren Premiumangeboten auch Billigplätze verkaufen wollen, sind nicht erfolgversprechend“, meint er. „Es ist ein großer Fehler zu glauben, man könne so auf der Erfolgswelle der Diskonter mitschwimmen.“

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