Arbeitskampf sieht bei der Post anders aus:
Durch Gewerkschafter verläuft Frontlinie

Der Österreichischen Post stehen wegen harter Sparpläne schwere Zeiten ins Haus. Rote und schwarze Postgewerkschafter bekriegen den Vorstand – sie bekämpfen sich immer häufiger aber auch gegenseitig.

Postgewerkschafter Gerhard Fritz befürchtet Übles. Denn bis 1. März muss der Postvorstand der zuständigen Verkehrsministerin den Universaldienstbericht über die Vorhaben des laufenden Jahres vorlegen. Spätestens dann, fürchtet Fritz, werden 300 für heuer anvisierte Postamtsschließungen wieder am Tapet sein. Wie der trend in seiner letzten Ausgabe (2/2009) exklusiv berichtete, hat die Konzernführung ihre Schließungspläne trotz politischen Widerstands keineswegs begraben.

Aber es kommt noch dicker. Denn der Vorstand will auch noch Zustellbasen auslagern und die Arbeit an private Dienstleister vergeben. Ein Pilotprojekt in Wien wurde dazu bereits gestartet. Im zweiten Quartal dieses Jahres sollen insgesamt 20 Zustellbasen ausgegliedert werden. 600 Briefträger sind davon betroffen – vorerst. Denn bis zum Jahr 2015 steht in diesem Bereich die Streichung von insgesamt 5800 Arbeitsplätzen an. „Das ist Wahnsinn zum Quadrat“, schimpft Fritz, „hier geht es um unser Kerngeschäft.“

„Wenn wir es da nicht schaffen, alles stehen zu lassen, hilft gar nichts mehr“, schiebt Manfred Wiedner, Chef der Christgewerkschafter in der Post, markig eine Streikaufforderung nach.

Rot und Schwarz im Clinch
Anstatt in dieser schwierigen Situation an einem Strang zu ziehen und gemeinsam an Aktionsplänen zu feilen, machen der rote und der schwarze Gewerkschaftshäuptling einander das Leben schwer. Wiedner nennt seinen roten Kollegen „parteihörig“ und einen Zauderer. Fritz kontert mit dem Vorwurf des „Populismus“. Diese Bruderfehde geht deutlich über das übliche Fraktionsgeplänkel hinaus. Hier tobt ein beinharter Machtkampf. Und es gibt Uneinigkeit über den Umgang mit dem heiklen Thema Streik – sehr zur Freude von Postgeneral Anton Wais.

Fritz gilt als der Intellektuelle, der Verhandler, der zwar in der Vergangenheit immer wieder mal mit dem Schlagwort Streik gewachelt hat, aber nie zur Tat geschritten ist. Wiedner ist der Polterer, der kraftvolle Ausdrücke liebt und die sozialistischen Gewerkschafter (FSG) mit seinem Aktionismus regelrecht vor sich hertreibt.

So hatten etwa Fritz & Co beim Streik im Dezember für eher lauwarme Aktionen plädiert. Da wurde punktuell das eine oder andere Postamt für eine Stunde geschlossen. Und in der Wiener Postgasse, vor der Unternehmenszentrale, marschierte eine Hand voll Funktionäre auf, um medienwirksam ihre Anliegen zu verkünden. „Fritz hat offenbar eine neue Form des Streikens erfunden, bei der ein paar Funktionäre vor dem Türl stehen und mit Transparenten für Fotos posieren, während die Mitarbeiter drinnen brav weiterarbeiten“, ätzt auch ein Parteigänger.
Wenn da nicht Wiedners „Fraktion mit dem C“, wie sie sich selbst nennt, gewesen wäre. Die Schwarzen hatten ihre roten Kollegen im Streikausschuss einfach überrumpelt, indem sie erklärten, in „ihren“ Bundesländern (siehe Grafik) die Verteilzentren in Hall/Tirol und im salzburgischen Wals zu blockieren – und zwar mit oder ohne Okay aus Wien. „Überrumpelt stimmt nicht“, knurrt Fritz, „wir haben alle Beschlüsse gemeinsam gefasst.“

Lebensnerv der Post getroffen
Tatsache ist, dass diese Verteilzentren – von denen es insgesamt sechs in Österreich gibt – den Lebensnerv der Post treffen. Dort werden sämtliche Briefsendungen in der Nacht angeliefert und sternförmig an die einzelnen Zustellbasen weiterverteilt. Im konkreten Fall genügte es, dass jeweils 15 Leute die Zufahrt in der sensiblen Zeit von zehn Uhr abends bis sechs Uhr Früh verbarrikadierten, und ganz Westösterreich war lahmgelegt. „Das war das Einzige an diesem ganzen Streik, das Auswirkungen hatte“, tönt Wiedner selbstbewusst.

Oder die Sache mit dem Volksbegehren. Seit Wochen sammeln Wiedners Kollegen unter dem Motto „Stopp dem Postraub“ Unterschriften, um die Aufrechterhaltung aller 1300 Postfilialen im Postgesetz zu verankern. 36.000 Stimmen haben sie bereits. Das Begehren soll in diesen Tagen im Innenministerium eingereicht werden. Seit Kurzem ist auch die FSG mit von der Partie. Fritz: „Das Volksbegehren ist eine gemeinsam durchgeführte Aktion. Die Idee, ja, die hat er gehabt.“

Bei den 22.700 Postlern fällt Wiedners Aktionismus auf fruchtbaren Boden. Bereits bei den letzten Personalvertretungswahlen 2006 konnte Wiedner deutlich gewinnen und neben Vorarlberg und Tirol auch das bislang rote Salzburg „umdrehen“. Nun fürchten die Genossen, dass es beim nächsten Urnengang 2010 so weitergehen könnte. „Wiedner hat in den vergangenen Monaten fast täglich irgendwelche Infoschreiben an die Mitarbeiter versandt“, stöhnt ein hochrangiger FSG-Funktionär, „die waren primitiv formuliert und sogar bewusst mit Rechtschreibfehlern gespickt. Aber das kommt an. Es gibt eine interne Untersuchung, die besagt, dass die Beschäftigten die Christgewerkschafter als die Arbeiterfraktion sehen. Das ist ein Alarmzeichen.“

Mitarbeiter stellen schlechte Noten aus
Tatsächlich, so räumt Fritz ein, gaben die Mitarbeiter ihren Personalvertretern in einer internen Umfrage die Note 3,2 auf einer Skala von null bis sieben. Das ist nicht gerade berauschend. Doch Fritz sieht’s sportlich: „Durch diese Umfrage weiß ich genau, her­untergebrochen bis auf die einzelnen Personalvertrauensleute, wo wir Probleme haben.“

Wie forsch der Auftritt sein soll, ist eine nicht leicht zu beantwortende Frage. Denn Streiken kann auch verdammt riskant sein. Laut einer Umfrage befürworten nur 28 Prozent der Bevölkerung einen Poststreik. „Und mit jedem Streiktag nimmt die Akzeptanz weiter ab“, ergänzt ein ÖGB-Funktionär trocken. Geht eine Aktion schief, hat derjenige das Bummerl, der die Kollegen hineingehetzt hat. „Den letzten Streik in der Post“, sinniert Fritz, „hatten wir 1965.“ Gleich darauf hält er ein Plädoyer für seinen Weg des Konsenses. 10.000 Mitarbeiter seien in der Post seit der Ausgliederung 1996 abgebaut worden – alle mit Sozialplan und ohne einen einzigen blauen Brief.

Fritz will auch jetzt die Schließung der Postämter und die Ausgliederung der Zustellbasen lieber durch Gesetzesänderungen verhindern, die der künftigen Konkurrenz am liberalisierten Postmarkt ein enges Korsett sozialer Verpflichtungen anlegen sollen (siehe Kasten). „Ein Streik“, so Fritz, „ist für die Gewerkschaft das Einfachste überhaupt. Den Leuten eine positive Lösung am Ende zu bieten, die ihnen wirklich etwas bringt, ist viel schwieriger.“

"Die Leute sind frustriert"
Viele Postler sind da offenbar anderer Ansicht. Durch die Abschiebung in so genannte Jobcenter, willkürliche Versetzungen und die Ankündigung der jüngsten Sparpläne mürbe gemacht, plädieren laut einer internen Umfrage der Christgewerkschafter 93 Prozent von ihnen für Kampfmaßnahmen. „Die Leute sind frus­triert und wollen sich nicht mehr durch immer neue Verhandlungen beschwichtigen lassen“, sagt auch Robert Hobek, Personalvertreter in Wien-Liesing. „Bei den Streikaktionen im Dezember sind viele, die vorher bereits aus der Gewerkschaft ausgetreten sind, wieder eingetreten. Aber leider hat sich die Gewerkschaftsführung beschwichtigen lassen und das eigentliche Übel, nämlich die Liberalisierung im Jahr 2011, wieder einmal ausgeklammert.“

Hobek ist nicht irgendein Gewerkschaftsfunktionär, sondern deklarierter Kommunist und Vertreter des Gewerkschaftlichen Linksblocks. Bei den Personalvertretungswahlen im Jahr 2002 war er ausgerechnet im Stammbezirk von Gewerkschaftsboss Fritz angetreten und hatte dort auf Anhieb vier von fünf Mandaten abgeräumt. Vier Jahre später kassierte er auch noch das letzte verbliebene FSG-Mandat von den Roten. „Die Leute wählen den Herrn Hobek, weil er ehrlich für sie arbeitet“, meint Fritz anerkennend. Aber dann kann er sich einen kleinen Seitenhieb doch nicht verkneifen: „Er ist lupenreiner Absolvent der Moskauer Parteischule. Und bundesweit hat er bis jetzt nichts gewonnen.“

General Wais und seine Kollegen sind fest entschlossen, ihre Vorhaben auch gegen die Belegschaftsvertreter umzusetzen. Wenn die auch noch streiten, so ist zu hören, umso besser.
Von Ingrid Dengg

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